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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Fünfter Abschnitt.

Der erste Eindruck, den mir Utrecht machte, ist
durch eine nähere Bekanntschaft mit dieser Stadt
nicht geschwächt worden. Ich bin gar nicht bös
darüber, daß der Hof nur so kurze Zeit hier blieb,
für die Größe dieser Stadt ists viel besser, daß hier
kein Hof ist, eine Stadt, die bis jetzt ausschlies-
send den Wissenschaften und dem Handel oblag,
konnte bei einem Hoflager nur -- ausarten, sey
der König den Wissenschaften auch noch so hold,
und wünsche noch so ernstlich Fleiß und Sitten zu
erhalten. Mir scheint bei der ehemaligen Wohl-
habenheit und dem jetzigen Druck der Zeiten, den-
noch viel Rechtlichkeit unter dem Bürgerstande,
viel Häuslichkeit unter den höhern Ständen übrig
geblieben zu seyn. Ausländer müßten die Sitten
nur nie nach dem Vorbilde ihres Vaterlandes,
Stadt oder Städtchens beurtheilen; müssen nicht
denken, weil man hier nicht haushält, wie bei


Fuͤnfter Abſchnitt.

Der erſte Eindruck, den mir Utrecht machte, iſt
durch eine naͤhere Bekanntſchaft mit dieſer Stadt
nicht geſchwaͤcht worden. Ich bin gar nicht boͤs
daruͤber, daß der Hof nur ſo kurze Zeit hier blieb,
fuͤr die Groͤße dieſer Stadt iſts viel beſſer, daß hier
kein Hof iſt, eine Stadt, die bis jetzt ausſchlieſ-
ſend den Wiſſenſchaften und dem Handel oblag,
konnte bei einem Hoflager nur — ausarten, ſey
der Koͤnig den Wiſſenſchaften auch noch ſo hold,
und wuͤnſche noch ſo ernſtlich Fleiß und Sitten zu
erhalten. Mir ſcheint bei der ehemaligen Wohl-
habenheit und dem jetzigen Druck der Zeiten, den-
noch viel Rechtlichkeit unter dem Buͤrgerſtande,
viel Haͤuslichkeit unter den hoͤhern Staͤnden uͤbrig
geblieben zu ſeyn. Auslaͤnder muͤßten die Sitten
nur nie nach dem Vorbilde ihres Vaterlandes,
Stadt oder Staͤdtchens beurtheilen; muͤſſen nicht
denken, weil man hier nicht haushaͤlt, wie bei

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[116/0130] Fuͤnfter Abſchnitt. Der erſte Eindruck, den mir Utrecht machte, iſt durch eine naͤhere Bekanntſchaft mit dieſer Stadt nicht geſchwaͤcht worden. Ich bin gar nicht boͤs daruͤber, daß der Hof nur ſo kurze Zeit hier blieb, fuͤr die Groͤße dieſer Stadt iſts viel beſſer, daß hier kein Hof iſt, eine Stadt, die bis jetzt ausſchlieſ- ſend den Wiſſenſchaften und dem Handel oblag, konnte bei einem Hoflager nur — ausarten, ſey der Koͤnig den Wiſſenſchaften auch noch ſo hold, und wuͤnſche noch ſo ernſtlich Fleiß und Sitten zu erhalten. Mir ſcheint bei der ehemaligen Wohl- habenheit und dem jetzigen Druck der Zeiten, den- noch viel Rechtlichkeit unter dem Buͤrgerſtande, viel Haͤuslichkeit unter den hoͤhern Staͤnden uͤbrig geblieben zu ſeyn. Auslaͤnder muͤßten die Sitten nur nie nach dem Vorbilde ihres Vaterlandes, Stadt oder Staͤdtchens beurtheilen; muͤſſen nicht denken, weil man hier nicht haushaͤlt, wie bei

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/130>, abgerufen am 29.03.2024.