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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Hochamt beiwohnte für einen geliebten Todten,
der bedarf Feßlers sinnreiche Auslegung des ka-
tholischen Ritus nicht, um sich in seinen Ceren o-
nien zu gefallen! Wenn die arme Erde dem be-
raubten Herzen nichts mehr giebt, und die Augen
noch zu strömend weinen, um den ewigen Him-
mel klar und rein zu sehen, was ersetzt da die
menschliche Vermittelung, die diese Kirche in ihrer
erhabnen Symbolik ihnen bietet?

Nun ging ich den Trümmern weiter nach in
das Innere des Doms. Einige Denkmahle sind
beschädigt, doch wenige, und im Ganzen unbe-
trächtlich. Daß der Natur der Sache nach die
Nasen an den Churfürstenbildern am meisten lit-
ten, ist fatal, aber unvermeidlich. Der hohe
Thurm ist inwendig ganz ausgebrannt, -- wenn
das Holzwerk, welches das Feuer verzehrte, zu
seiner Erhaltung nothwendig ist, so wünsche ich
sehr, daß man es wieder herstelle. Wahrschein-
lich würden sehr einfache Anstalten zu diesem
Zwecke hinreichen. Von dem Thiermarkte links
ab, wo sonst ein Frauenkloster, ich glaube, der
heiligen Agnes, stand, wird jetzt eine Straße ge-
brochen, bis zu einem schönen freien Platze, den
man durch das Hinwegräumen einer Kirche ge-

Hochamt beiwohnte fuͤr einen geliebten Todten,
der bedarf Feßlers ſinnreiche Auslegung des ka-
tholiſchen Ritus nicht, um ſich in ſeinen Ceren o-
nien zu gefallen! Wenn die arme Erde dem be-
raubten Herzen nichts mehr giebt, und die Augen
noch zu ſtroͤmend weinen, um den ewigen Him-
mel klar und rein zu ſehen, was erſetzt da die
menſchliche Vermittelung, die dieſe Kirche in ihrer
erhabnen Symbolik ihnen bietet?

Nun ging ich den Truͤmmern weiter nach in
das Innere des Doms. Einige Denkmahle ſind
beſchaͤdigt, doch wenige, und im Ganzen unbe-
traͤchtlich. Daß der Natur der Sache nach die
Naſen an den Churfuͤrſtenbildern am meiſten lit-
ten, iſt fatal, aber unvermeidlich. Der hohe
Thurm iſt inwendig ganz ausgebrannt, — wenn
das Holzwerk, welches das Feuer verzehrte, zu
ſeiner Erhaltung nothwendig iſt, ſo wuͤnſche ich
ſehr, daß man es wieder herſtelle. Wahrſchein-
lich wuͤrden ſehr einfache Anſtalten zu dieſem
Zwecke hinreichen. Von dem Thiermarkte links
ab, wo ſonſt ein Frauenkloſter, ich glaube, der
heiligen Agnes, ſtand, wird jetzt eine Straße ge-
brochen, bis zu einem ſchoͤnen freien Platze, den
man durch das Hinwegraͤumen einer Kirche ge-

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[20/0034] Hochamt beiwohnte fuͤr einen geliebten Todten, der bedarf Feßlers ſinnreiche Auslegung des ka- tholiſchen Ritus nicht, um ſich in ſeinen Ceren o- nien zu gefallen! Wenn die arme Erde dem be- raubten Herzen nichts mehr giebt, und die Augen noch zu ſtroͤmend weinen, um den ewigen Him- mel klar und rein zu ſehen, was erſetzt da die menſchliche Vermittelung, die dieſe Kirche in ihrer erhabnen Symbolik ihnen bietet? Nun ging ich den Truͤmmern weiter nach in das Innere des Doms. Einige Denkmahle ſind beſchaͤdigt, doch wenige, und im Ganzen unbe- traͤchtlich. Daß der Natur der Sache nach die Naſen an den Churfuͤrſtenbildern am meiſten lit- ten, iſt fatal, aber unvermeidlich. Der hohe Thurm iſt inwendig ganz ausgebrannt, — wenn das Holzwerk, welches das Feuer verzehrte, zu ſeiner Erhaltung nothwendig iſt, ſo wuͤnſche ich ſehr, daß man es wieder herſtelle. Wahrſchein- lich wuͤrden ſehr einfache Anſtalten zu dieſem Zwecke hinreichen. Von dem Thiermarkte links ab, wo ſonſt ein Frauenkloſter, ich glaube, der heiligen Agnes, ſtand, wird jetzt eine Straße ge- brochen, bis zu einem ſchoͤnen freien Platze, den man durch das Hinwegraͤumen einer Kirche ge-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/34>, abgerufen am 24.04.2024.