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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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der ganzen wunderbaren Verschiedenheit ihres
Willens und Vermögens. Ruhet sanft in euren
weit zerstreuten Gräbern! auf den verschiedensten
Wegen strebtet ihr nach einem Ziel -- Licht, Lie-
be, Leben.

Nach diesem Momente konnte in Mainz mich
nichts mehr anziehen. Ich ging durch das viel
erweiterte Gartenfeld, welches in wenig Jahren
ein Lustwald sein wird von Obstbäumen, Blumen
und Alleen, in die nen gepflanzte schon herrlich
gediehene Rheinallee. Eine vierfach gepflanzte
Reihe von Linden, Pappeln und Akazien, wird
hier bald die ehemaligen Schatten ersetzen. Dort
nahm ich einen Kahn, und fuhr hinüber nach Bi-
berich. Die Abendröthe vergoldete den Rhein,
die Wellen spielten um das kleine Fahrzeug, ich
verlor mich in den Andenken an die Vergangen-
heit, und der ewigen Erneuung alles Vorhandnen.
Wie die spielenden Wellen, stets eine der andern
ähnlich, immer wieder eine andere ist, wie der
hüpfende Lichtstrahl auf ihr, stets blendend auf
unermeßlichem Pfade in jedem Moment ein andrer
zu uns gelangt, so war auch des Menschen Geist
immer sich gleich stets anders, alles Gute immer
wandelnd stets gut, und jener Männer Leben,

der ganzen wunderbaren Verſchiedenheit ihres
Willens und Vermoͤgens. Ruhet ſanft in euren
weit zerſtreuten Graͤbern! auf den verſchiedenſten
Wegen ſtrebtet ihr nach einem Ziel — Licht, Lie-
be, Leben.

Nach dieſem Momente konnte in Mainz mich
nichts mehr anziehen. Ich ging durch das viel
erweiterte Gartenfeld, welches in wenig Jahren
ein Luſtwald ſein wird von Obſtbaͤumen, Blumen
und Alleen, in die nen gepflanzte ſchon herrlich
gediehene Rheinallee. Eine vierfach gepflanzte
Reihe von Linden, Pappeln und Akazien, wird
hier bald die ehemaligen Schatten erſetzen. Dort
nahm ich einen Kahn, und fuhr hinuͤber nach Bi-
berich. Die Abendroͤthe vergoldete den Rhein,
die Wellen ſpielten um das kleine Fahrzeug, ich
verlor mich in den Andenken an die Vergangen-
heit, und der ewigen Erneuung alles Vorhandnen.
Wie die ſpielenden Wellen, ſtets eine der andern
aͤhnlich, immer wieder eine andere iſt, wie der
huͤpfende Lichtſtrahl auf ihr, ſtets blendend auf
unermeßlichem Pfade in jedem Moment ein andrer
zu uns gelangt, ſo war auch des Menſchen Geiſt
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[29/0043] der ganzen wunderbaren Verſchiedenheit ihres Willens und Vermoͤgens. Ruhet ſanft in euren weit zerſtreuten Graͤbern! auf den verſchiedenſten Wegen ſtrebtet ihr nach einem Ziel — Licht, Lie- be, Leben. Nach dieſem Momente konnte in Mainz mich nichts mehr anziehen. Ich ging durch das viel erweiterte Gartenfeld, welches in wenig Jahren ein Luſtwald ſein wird von Obſtbaͤumen, Blumen und Alleen, in die nen gepflanzte ſchon herrlich gediehene Rheinallee. Eine vierfach gepflanzte Reihe von Linden, Pappeln und Akazien, wird hier bald die ehemaligen Schatten erſetzen. Dort nahm ich einen Kahn, und fuhr hinuͤber nach Bi- berich. Die Abendroͤthe vergoldete den Rhein, die Wellen ſpielten um das kleine Fahrzeug, ich verlor mich in den Andenken an die Vergangen- heit, und der ewigen Erneuung alles Vorhandnen. Wie die ſpielenden Wellen, ſtets eine der andern aͤhnlich, immer wieder eine andere iſt, wie der huͤpfende Lichtſtrahl auf ihr, ſtets blendend auf unermeßlichem Pfade in jedem Moment ein andrer zu uns gelangt, ſo war auch des Menſchen Geiſt immer ſich gleich ſtets anders, alles Gute immer wandelnd ſtets gut, und jener Maͤnner Leben,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/43>, abgerufen am 29.03.2024.