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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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gen, als gegen eine anständige einsame Fremde,
bei zufälligen Zusammentreffen auf Reisen. Allein
mich könnte eine solche Vereinzelung, wenn sie
dauerte, um den Verstand bringen. Nach drei
Tagen ist mirs, als wäre ich ein abgeschiedener
Geist, und alles was ich bin und mich angeht,
fremde Dinge, wie alles andre um mich her. Die
stete Veränderung der äußern Gegenstände und
das stete Schweigen über ihre Wirkung auf mein
Gefühl, mein lebhaftes Eindringen in alles frem-
de Interesse, und starres verhüllen alles meini-
gen, lähmt alle schnellen Uebergänge meiner
Phantasie, verhindert das sich Aneignen der
Wahrnehmungen, sie stehen alle erstarrt vor mei-
nem Verstande, und die Welt erscheint mir end-
lich wie ein chinesisches Gemälde ohne Perspek-
tive, ohne Luft, schauderig, als stünde ich außer-
halb des Lebens, und blickte in seine bunten Sce-
nen hinein.

Unsre Koffer waren gepackt, unsre Geräth-
schaft gerüstet. Den ... Juli nahmen wir Ab-
schied von unsern gastfreien Freunden in Moos-
bach, und gingen nach dem einige hundert Schritt
entlegenen Bibrich, wo, der Abrede gemäß, das
Postschiff landen sollte. Die Bestellung war se

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gen, als gegen eine anſtaͤndige einſame Fremde,
bei zufaͤlligen Zuſammentreffen auf Reiſen. Allein
mich koͤnnte eine ſolche Vereinzelung, wenn ſie
dauerte, um den Verſtand bringen. Nach drei
Tagen iſt mirs, als waͤre ich ein abgeſchiedener
Geiſt, und alles was ich bin und mich angeht,
fremde Dinge, wie alles andre um mich her. Die
ſtete Veraͤnderung der aͤußern Gegenſtaͤnde und
das ſtete Schweigen uͤber ihre Wirkung auf mein
Gefuͤhl, mein lebhaftes Eindringen in alles frem-
de Intereſſe, und ſtarres verhuͤllen alles meini-
gen, laͤhmt alle ſchnellen Uebergaͤnge meiner
Phantaſie, verhindert das ſich Aneignen der
Wahrnehmungen, ſie ſtehen alle erſtarrt vor mei-
nem Verſtande, und die Welt erſcheint mir end-
lich wie ein chineſiſches Gemaͤlde ohne Perſpek-
tive, ohne Luft, ſchauderig, als ſtuͤnde ich außer-
halb des Lebens, und blickte in ſeine bunten Sce-
nen hinein.

Unſre Koffer waren gepackt, unſre Geraͤth-
ſchaft geruͤſtet. Den … Juli nahmen wir Ab-
ſchied von unſern gaſtfreien Freunden in Moos-
bach, und gingen nach dem einige hundert Schritt
entlegenen Bibrich, wo, der Abrede gemaͤß, das
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[33/0047] gen, als gegen eine anſtaͤndige einſame Fremde, bei zufaͤlligen Zuſammentreffen auf Reiſen. Allein mich koͤnnte eine ſolche Vereinzelung, wenn ſie dauerte, um den Verſtand bringen. Nach drei Tagen iſt mirs, als waͤre ich ein abgeſchiedener Geiſt, und alles was ich bin und mich angeht, fremde Dinge, wie alles andre um mich her. Die ſtete Veraͤnderung der aͤußern Gegenſtaͤnde und das ſtete Schweigen uͤber ihre Wirkung auf mein Gefuͤhl, mein lebhaftes Eindringen in alles frem- de Intereſſe, und ſtarres verhuͤllen alles meini- gen, laͤhmt alle ſchnellen Uebergaͤnge meiner Phantaſie, verhindert das ſich Aneignen der Wahrnehmungen, ſie ſtehen alle erſtarrt vor mei- nem Verſtande, und die Welt erſcheint mir end- lich wie ein chineſiſches Gemaͤlde ohne Perſpek- tive, ohne Luft, ſchauderig, als ſtuͤnde ich außer- halb des Lebens, und blickte in ſeine bunten Sce- nen hinein. Unſre Koffer waren gepackt, unſre Geraͤth- ſchaft geruͤſtet. Den … Juli nahmen wir Ab- ſchied von unſern gaſtfreien Freunden in Moos- bach, und gingen nach dem einige hundert Schritt entlegenen Bibrich, wo, der Abrede gemaͤß, das Poſtſchiff landen ſollte. Die Beſtellung war ſe C

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/47>, abgerufen am 28.03.2024.