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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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nimmt; die Brennpunkte des geistigen Lebens, die Universitäten,
auch die Klöster, und die Mittelpunkte der Politik hatten einen
regeren Gedanken- und Nachrichten-Austausch als die Kauf-
leute (s. oben S. 37, 63), "der kaufmännische Briefwechsel",
sagt Barthold (Geschichte der Hansa 1854, III. Bd., S. 181
und 216), "wurde durch mündliche Mitteilung auf Treu und
Glauben vereinfacht. Am liebsten war man selbst zur Stelle,
und deshalb immer unterwegs; freilich ward (scil. Ende des
16. Jahrhunderts) der schwerfällige Mechanismus des Verkehrs
durch persönlichen Ankauf oder Eintausch von Rohwaren, die
bequeme Residenz an den Komtoren zum Spott gegen die ge-
gliederte Beweglichkeit des modernen Handels". Im gleichen
Sinne schickt H. Simonsfeld seiner Darstellung des süddeutschen
Handels die Worte voraus: "Viel mehr als heutigen Tages er-
forderte in früherer Zeit und insbesondere im Mittelalter der
Handel die persönliche Teilnahme des Kaufmanns", (Der Fon-
daco dei Tedeschi 1887, Bd. 2, S. 3).

Anderseits versichert von einem an der Wende der Neu-
zeit regierenden Fürsten, nämlich dem Markgrafen Albrecht von
Brandenburg, ein wohlbewanderter Autor (Tschackert, Urkunden-
buch aus der Reformationsgeschichte, 1890, I. Bd., S. 230):
Albrecht führte (etwa seit 1523) "mit den verschiedensten Ge-
lehrten, Geistlichen und Dichtern eine unübersehbare Korre-
spondenz; zahllose Briefe liegen im Königsberger Staatsarchiv
aus allen Teilen Deutschlands, und zahllos sind die Antworten,
welche Albrecht wieder hinausschrieb".

II.

Verfolgen wir die Herausgestaltung der Botenanstalten ge-
mäss der oben am Schluss des V. Kapitels vorgezeichneten Ent-
wickelungs-Linie auf ihre Anfänge zurück, so sehen wir u. a.
zuerst die Entstehung einer Route und zwar im doppelten
Sinn vor uns, nämlich eines "Botenzugs" und anderseits später
der vollkommeneren Trassierung einer Strasse. Beide Ein-
richtungen, die technische und die wirtschaftliche gehen im Ver-
kehr der spätrömischen Kaiserzeit neben einander her, fallen
aber im Mittelalter um Jahrhunderte auseinander. Daneben

10 *

nimmt; die Brennpunkte des geistigen Lebens, die Universitäten,
auch die Klöster, und die Mittelpunkte der Politik hatten einen
regeren Gedanken- und Nachrichten-Austausch als die Kauf-
leute (s. oben S. 37, 63), »der kaufmännische Briefwechsel«,
sagt Barthold (Geschichte der Hansa 1854, III. Bd., S. 181
und 216), »wurde durch mündliche Mitteilung auf Treu und
Glauben vereinfacht. Am liebsten war man selbst zur Stelle,
und deshalb immer unterwegs; freilich ward (scil. Ende des
16. Jahrhunderts) der schwerfällige Mechanismus des Verkehrs
durch persönlichen Ankauf oder Eintausch von Rohwaren, die
bequeme Residenz an den Komtoren zum Spott gegen die ge-
gliederte Beweglichkeit des modernen Handels«. Im gleichen
Sinne schickt H. Simonsfeld seiner Darstellung des süddeutschen
Handels die Worte voraus: »Viel mehr als heutigen Tages er-
forderte in früherer Zeit und insbesondere im Mittelalter der
Handel die persönliche Teilnahme des Kaufmanns«, (Der Fon-
daco dei Tedeschi 1887, Bd. 2, S. 3).

Anderseits versichert von einem an der Wende der Neu-
zeit regierenden Fürsten, nämlich dem Markgrafen Albrecht von
Brandenburg, ein wohlbewanderter Autor (Tschackert, Urkunden-
buch aus der Reformationsgeschichte, 1890, I. Bd., S. 230):
Albrecht führte (etwa seit 1523) »mit den verschiedensten Ge-
lehrten, Geistlichen und Dichtern eine unübersehbare Korre-
spondenz; zahllose Briefe liegen im Königsberger Staatsarchiv
aus allen Teilen Deutschlands, und zahllos sind die Antworten,
welche Albrecht wieder hinausschrieb«.

II.

Verfolgen wir die Herausgestaltung der Botenanstalten ge-
mäss der oben am Schluss des V. Kapitels vorgezeichneten Ent-
wickelungs-Linie auf ihre Anfänge zurück, so sehen wir u. a.
zuerst die Entstehung einer Route und zwar im doppelten
Sinn vor uns, nämlich eines »Botenzugs« und anderseits später
der vollkommeneren Trassierung einer Strasse. Beide Ein-
richtungen, die technische und die wirtschaftliche gehen im Ver-
kehr der spätrömischen Kaiserzeit neben einander her, fallen
aber im Mittelalter um Jahrhunderte auseinander. Daneben

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[147/0163] nimmt; die Brennpunkte des geistigen Lebens, die Universitäten, auch die Klöster, und die Mittelpunkte der Politik hatten einen regeren Gedanken- und Nachrichten-Austausch als die Kauf- leute (s. oben S. 37, 63), »der kaufmännische Briefwechsel«, sagt Barthold (Geschichte der Hansa 1854, III. Bd., S. 181 und 216), »wurde durch mündliche Mitteilung auf Treu und Glauben vereinfacht. Am liebsten war man selbst zur Stelle, und deshalb immer unterwegs; freilich ward (scil. Ende des 16. Jahrhunderts) der schwerfällige Mechanismus des Verkehrs durch persönlichen Ankauf oder Eintausch von Rohwaren, die bequeme Residenz an den Komtoren zum Spott gegen die ge- gliederte Beweglichkeit des modernen Handels«. Im gleichen Sinne schickt H. Simonsfeld seiner Darstellung des süddeutschen Handels die Worte voraus: »Viel mehr als heutigen Tages er- forderte in früherer Zeit und insbesondere im Mittelalter der Handel die persönliche Teilnahme des Kaufmanns«, (Der Fon- daco dei Tedeschi 1887, Bd. 2, S. 3). Anderseits versichert von einem an der Wende der Neu- zeit regierenden Fürsten, nämlich dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg, ein wohlbewanderter Autor (Tschackert, Urkunden- buch aus der Reformationsgeschichte, 1890, I. Bd., S. 230): Albrecht führte (etwa seit 1523) »mit den verschiedensten Ge- lehrten, Geistlichen und Dichtern eine unübersehbare Korre- spondenz; zahllose Briefe liegen im Königsberger Staatsarchiv aus allen Teilen Deutschlands, und zahllos sind die Antworten, welche Albrecht wieder hinausschrieb«. II. Verfolgen wir die Herausgestaltung der Botenanstalten ge- mäss der oben am Schluss des V. Kapitels vorgezeichneten Ent- wickelungs-Linie auf ihre Anfänge zurück, so sehen wir u. a. zuerst die Entstehung einer Route und zwar im doppelten Sinn vor uns, nämlich eines »Botenzugs« und anderseits später der vollkommeneren Trassierung einer Strasse. Beide Ein- richtungen, die technische und die wirtschaftliche gehen im Ver- kehr der spätrömischen Kaiserzeit neben einander her, fallen aber im Mittelalter um Jahrhunderte auseinander. Daneben 10 *

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/163>, abgerufen am 24.04.2024.