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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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dann die Ebene des Ohio und Missisippi und zuletzt die Küsten von Venezuela
erschütterten. 30 Tage nach der Zerstörung der Stadt Carracas erfolgte
der Ausbruch des Vulkans von St. Vincent in den nahen Antillen. - Ein
ebenfalls evidenter Beweis für den Zusammenhang der Erdbeben und Vul-
kane ist, daß die Erdstriche in der Nähe der Vulkane, so lange diese in
Thätigkeit sind, gegen Erdbeben gesichert sind. Man könnte sie daher als
als eine Art Sicherheitsventile betrachten und wenn der Chimborasso, diese vul-
kanisch gehobene Kuppel, wenn gleich kein thätiger Vulkan, geöffnet wer-
den könnte, um den eingesperrten elastischen Stoffen einen Ausweg
zu schaffen, so würden jene Erschütterungen aufhören, die seiner Umge-
bung oft das schrecklichste Verderben bringen.

Die Vulkane der Andeskette zeichnen sich durch die Eigenthümlichkeit
aus, daß sie auch bei den heftigsten Ausbrüchen keine eigentlich ge-
schmolzene Materie, keine wahre Lava von sich gegeben haben. Die
Substanzen, welche sie ausstossen, sind verschluckte Stücke Grün-
stein, Basalt, Bimstein, Wasser und ungeheure Massen teigartiger Letten.
Als nördlich vom Chimborasso am 19ten July 1698 der Krater und Gipfel
des 18000' hohen Carguairazo bei einem heftigen Erdbeben in sich zu-
sammenstürzte, drangen Ströme von Schlamm aus den aufgebrochenen
Seiten des Berges, und verwüsteten einen Strich von 10 bis 12 # Meilen,
die mit unfruchtbarem Koth bedeckt wurden. - Jedoch dürfen diese
Inundationen nicht als eigentlich vulkanische Erscheinungen betrachtet
werden; es sind Phänomene, die mit den Eruptionen der Vulkane
meteorologisch zusammenhängen, und durch die Höhe der Berge, den
Umfang ihrer stets beschneiten Gipfel und die Erwärmung der Wände

dann die Ebene des Ohio und Missisippi und zuletzt die Küsten von Venezuèla
erschütterten. 30 Tage nach der Zerstörung der Stadt Carracas erfolgte
der Ausbruch des Vulkans von St. Vincent in den nahen Antillen. – Ein
ebenfalls evidenter Beweis für den Zusam̃enhang der Erdbeben und Vul-
kane ist, daß die Erdstriche in der Nähe der Vulkane, so lange diese in
Thätigkeit sind, gegen Erdbeben gesichert sind. Man könnte sie daher als
als eine Art Sicherheitsventile betrachten und weñ der Chimborasso, diese vul-
kanisch gehobene Kuppel, weñ gleich kein thätiger Vulkan, geöffnet wer-
den könnte, um den eingesperrten elastischen Stoffen einen Ausweg
zu schaffen, so würden jene Erschütterungen aufhören, die seiner Umge-
bung oft das schrecklichste Verderben bringen.

Die Vulkane der Andeskette zeichnen sich durch die Eigenthümlichkeit
aus, daß sie auch bei den heftigsten Ausbrüchen keine eigentlich ge-
schmolzene Materie, keine wahre Lava von sich gegeben haben. Die
Substanzen, welche sie ausstossen, sind verschluckte Stücke Grün-
stein, Basalt, Bimstein, Wasser und ungeheure Massen teigartiger Letten.
Als nördlich vom Chimborasso am 19ten July 1698 der Krater und Gipfel
des 18000′ hohen Carguairazo bei einem heftigen Erdbeben in sich zu-
sam̃enstürzte, drangen Ströme von Schlamm aus den aufgebrochenen
Seiten des Berges, und verwüsteten einen Strich von 10 bis 12 □ Meilen,
die mit unfruchtbarem Koth bedeckt wurden. – Jedoch dürfen diese
Inundationen nicht als eigentlich vulkanische Erscheinungen betrachtet
werden; es sind Phänomene, die mit den Eruptionen der Vulkane
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[32/0036] dann die Ebene des Ohio u Missisippi und zuletzt die Küsten von Venezuèla erschütterten. 30 Tage nach der Zerstörung der Stadt Carracas erfolgte der Ausbruch des Vulkans von St. Vincent in den nahen Antillen. – Ein ebenfalls evidenter Beweis für den Zusam̃enhang der Erdbeben und Vul- kane ist, daß die Erdstriche in der Nähe der Vulkane, so lange diese in Thätigkeit sind, gegen Erdbeben gesichert sind. Man könnte sie daher als als eine Art Sicherheitsventile betrachten u weñ der Chimborasso, diese vul- kanisch gehobene Kuppel, weñ gleich kein thätiger Vulkan, geöffnet wer- den könnte, um den eingesperrten elastischen Stoffen einen Ausweg zu schaffen, so würden jene Erschütterungen aufhören, die seiner Umge- bung oft das schrecklichste Verderben bringen. Die Vulkane der Andeskette zeichnen sich durch die Eigenthümlichkeit aus, daß sie auch bei den heftigsten Ausbrüchen keine eigentlich ge- schmolzene Materie, keine wahre Lava von sich gegeben haben. Die Substanzen, welche sie ausstossen, sind verschluckte Stücke Grün- stein, Basalt, Bimstein, Wasser u ungeheure Massen teigartiger Letten. Als nördlich vom Chimborasso am 19t July 1698 der Krater u Gipfel des 18000′ hohen Carguairazo bei einem heftigen Erdbeben in sich zu- sam̃enstürzte, drangen Ströme von Schlamm aus den aufgebrochenen Seiten des Berges, u verwüsteten einen Strich von 10 bis 12 □ Meilen, die mit unfruchtbarem Koth bedeckt wurden. – Jedoch dürfen diese Inundationen nicht als eigentlich vulkanische Erscheinungen betrachtet werden; es sind Phänomene, die mit den Eruptionen der Vulkane meteorologisch zusam̃enhängen, und durch die Höhe der Berge, den Umfang ihrer stets beschneiten Gipfel u die Erwärmung der Wände

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/36>, abgerufen am 19.04.2024.