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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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überlassen mußte. Mit der Dynastie der Abbassiden wetteiferte die der Omma-
jaden
in Spanien;
was Bagdad in Asien, war die hohe Schule in Cordova in Eu-
ropa, wo denn überhaupt im 10ten saeculum die Araber die Stütze der Litteratur
wurden. In Astronomie, Geographie, Medicin und Physik hat ihr Fleiß sehr glück-
lich und nützlich gewirkt, und noch zeigt manches arabische Kunstwort von ih-
rem Einfluß selbst auf unsere heutige Cultur. Namentlich trägt der Him-
mel die Spuren ihrer Herschaft, indem die meisten Constellationen
arabische Benennungen haben. Schon früher ist erwähnt, daß die indischen
Zahlzeichen
durch die Araber in Europa eingeführt wurden, die höchst
wahrscheinlich im 13ten saeculum über Persien ihnen zugekommen waren.
Erst im 14ten saeculum wurden diese Ziffern, nach ihren Verbreitern ara-
bische genannt, durch den Handel der Genueser und Venetianer all-
gemein bekannt. Das erste Document, in dem die Bezeichnung der
Zahlen auf diese Weise vorkommt, ist ein Brief des Petrarca über
den heiligen Augustinus vom Jahre 1373.

Zu den wichtigsten chemischen Entdeckungen gehört die Auffindung der
Säuren, sie kannten die Salpetersäure und das Königswasser, deren Ent-
de[c]kung man fälschlich dem Raimundus Lullus zuschreibt: sie gebührt dem
großen Abelmoussa Schafr el Saffa. Auch die Kunst des Destillirens
sind wir den Arabern schuldig, sie verfertigten Alkohol und Naphta und
kannten das Oxyd.

Wir bemerken zwei Reflexe von dem arabischen wissenschaftlichen
Lichte, den einen nach Osten hin gegen die Mongolen, wo ein Enkel des Timur zu Samarkand einen Sterncatalog anfertigen ließ, den andern
im Westen, wo in Spanien Alphons der Xte (1252-1284) mit einer Tole-
ranz, die man jetzt kaum begreifen würde, zu Toledo einen Congreß
von christlichen, jüdischen und sarazenischen Astronomen vereinigte, durch
welche die berühmten alphonsinischen Tafeln ausgearbeitet wurden.
Der Historiker Mariana sagt von diesem Könige: er verlor die
Erde, indem er zu viel nach den Sternen sah.

überlassen mußte. Mit der Dynastie der Abbassiden wetteiferte die der Omma-
jaden
in Spanien;
was Bagdad in Asien, war die hohe Schule in Cordova in Eu-
ropa, wo denn überhaupt im 10ten saeculum die Araber die Stütze der Litteratur
wurden. In Astronomie, Geographie, Medicin und Physik hat ihr Fleiß sehr glück-
lich und nützlich gewirkt, und noch zeigt manches arabische Kunstwort von ih-
rem Einfluß selbst auf unsere heutige Cultur. Namentlich trägt der Him-
mel die Spuren ihrer Herschaft, indem die meisten Constellationen
arabische Beneñungen haben. Schon früher ist erwähnt, daß die indischen
Zahlzeichen
durch die Araber in Europa eingeführt wurden, die höchst
wahrscheinlich im 13ten saeculum über Persien ihnen zugekom̃en waren.
Erst im 14ten saeculum wurden diese Ziffern, nach ihren Verbreitern ara-
bische genañt, durch den Handel der Genueser und Venetianer all-
gemein bekannt. Das erste Document, in dem die Bezeichnung der
Zahlen auf diese Weise vorkom̃t, ist ein Brief des Petrarca über
den heiligen Augustinus vom Jahre 1373.

Zu den wichtigsten chemischen Entdeckungen gehört die Auffindung der
Säuren, sie kañten die Salpetersäure und das Königswasser, deren Ent-
de[c]kung man fälschlich dem Raimundus Lullus zuschreibt: sie gebührt dem
großen Abelmoussa Schafr el Saffa. Auch die Kunst des Destillirens
sind wir den Arabern schuldig, sie verfertigten Alkohol und Naphta und
kannten das ☿ Oxyd.

Wir bemerken zwei Reflexe von dem arabischen wissenschaftlichen
Lichte, den einen nach Osten hin gegen die Mongolen, wo ein Enkel des Timur zu Samarkand einen Sterncatalog anfertigen ließ, den andern
im Westen, wo in Spanien Alphons der Xte (1252-1284) mit einer Tole-
ranz, die man jetzt kaum begreifen würde, zu Toledo einen Congreß
von christlichen, jüdischen und sarazenischen Astronomen vereinigte, durch
welche die berühmten alphonsinischen Tafeln ausgearbeitet wurden.
Der Historiker Mariana sagt von diesem Könige: er verlor die
Erde, indem er zu viel nach den Sternen sah.

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[105/0109] überlassen mußte. Mit der Dynastie der Abbassiden wetteiferte die der Omma- jaden in Spanien; was Bagdad in Asien, war die hohe Schule in Cordova in Eu- ropa, wo denn überhaupt im 10t saec. die Araber die Stütze der Litteratur wurden. In Astronomie, Geographie, Medicin u Physik hat ihr Fleiß sehr glück- lich u nützlich gewirkt, u noch zeigt manches arabische Kunstwort von ih- rem Einfluß selbst auf unsere heutige Cultur. Namentlich trägt der Him- mel die Spuren ihrer Herschaft, indem die meisten Constellationen arabische Beneñungen haben. Schon früher ist erwähnt, daß die indischen Zahlzeichen durch die Araber in Europa eingeführt wurden, die höchst wahrscheinlich im 13t saec. über Persien ihnen zugekom̃en waren. Erst im 14t saec. wurden diese Ziffern, nach ihren Verbreitern ara- bische genañt, durch den Handel der Genueser und Venetianer all- gemein bekannt. Das erste Document, in dem die Bezeichnung der Zahlen auf diese Weise vorkom̃t, ist ein Brief des Petrarca über den heiligen Augustinus vom Jahre 1373. Zu den wichtigsten chemischen Entdeckungen gehört die Auffindung der Säuren, sie kañten die Salpetersäure u das Königswasser, deren Ent- deckung man fälschlich dem Raimundus Lullus zuschreibt: sie gebührt dem großen Abelmoussa Schafr el Saffa. Auch die Kunst des Destillirens sind wir den Arabern schuldig, sie verfertigten Alkohol u Naphta u kannten das ☿ Oxyd. Wir bemerken zwei Reflexe von dem arabischen wissenschaftlichen Lichte, den einen nach Osten hin gegen die Mongolen, wo ein Enkel des Timur zu Samarkand einen Sterncatalog anfertigen ließ, den andern im Westen, wo in Spanien Alphons der Xt /1252-1284/ mit einer Tole- ranz, die man jetzt kaum begreifen würde, zu Toledo einen Congreß von christlichen, jüdischen u sarazenischen Astronomen vereinigte, durch welche die berühmten alphonsinischen Tafeln ausgearbeitet wurden. Der Historiker Mariana sagt von diesem Könige: er verlor die Erde, indem er zu viel nach den Sternen sah.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/109>, abgerufen am 28.03.2024.