Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Theil I. bis Justinian.
grandis natu et annorum fere quinquaginta
receptus est
.
§. 95.

Die Gewalt Tiber's war unstreitig grös-
ser und fester, als die seines Vorgängers,
die Garde ward von den Bürgern abgeson-
dert und in weitläuftige Casernen (castra prae-
toriana
) zusammengezogen, die Majestäts-
verbrechen wurden viel häufiger; aber auch
Tiber war nicht nur in der ersten Hälfte sei-
ner Regierung kein Despot, sondern selbst
als sein stolzer und finsterer Character, durch
Sejans Einfluß und durch Sejans Treulo-
sigkeit, zur Grausamkeit gestimmt, und durch
ein, sogar in diesen Zeiten, schändliches Pri-
vatleben verschlechtet worden war, selbst da
blieb die Constitution, und mancher Senator
freute sich des Winkes, den etwa Tiber zum
Todesurtheile über beneidete Große gegeben
hatte. -- Gleich nach dem Tode Augusts
wurden die Magistrats-Comitien dem Volke
entzogen, und welche Rivalität der Kaiser
nicht entschied, darüber cabalirte man nun
nur im Senate. Auf die Versammlungen
über neue Anträge an das Volk geht die
Stelle in Tacitus gewiß nicht a), obgleich
selbst Bach sie davon versteht, der doch schon
vorher Senatsschlüsse, als Rechtsquellen,

und
Theil I. bis Juſtinian.
grandis natu et annorum fere quinquaginta
receptus eſt
.
§. 95.

Die Gewalt Tiber’s war unſtreitig groͤſ-
ſer und feſter, als die ſeines Vorgaͤngers,
die Garde ward von den Buͤrgern abgeſon-
dert und in weitlaͤuftige Caſernen (caſtra prae-
toriana
) zuſammengezogen, die Majeſtaͤts-
verbrechen wurden viel haͤufiger; aber auch
Tiber war nicht nur in der erſten Haͤlfte ſei-
ner Regierung kein Deſpot, ſondern ſelbſt
als ſein ſtolzer und finſterer Character, durch
Sejans Einfluß und durch Sejans Treulo-
ſigkeit, zur Grauſamkeit geſtimmt, und durch
ein, ſogar in dieſen Zeiten, ſchaͤndliches Pri-
vatleben verſchlechtet worden war, ſelbſt da
blieb die Conſtitution, und mancher Senator
freute ſich des Winkes, den etwa Tiber zum
Todesurtheile uͤber beneidete Große gegeben
hatte. — Gleich nach dem Tode Auguſts
wurden die Magiſtrats-Comitien dem Volke
entzogen, und welche Rivalitaͤt der Kaiſer
nicht entſchied, daruͤber cabalirte man nun
nur im Senate. Auf die Verſammlungen
uͤber neue Antraͤge an das Volk geht die
Stelle in Tacitus gewiß nicht a), obgleich
ſelbſt Bach ſie davon verſteht, der doch ſchon
vorher Senatsſchluͤſſe, als Rechtsquellen,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <note place="end" n="a)"><pb facs="#f0120" n="108"/><fw place="top" type="header">Theil <hi rendition="#aq">I.</hi> bis Ju&#x017F;tinian.</fw><lb/><hi rendition="#aq">grandis natu et annorum fere quinquaginta<lb/>
receptus e&#x017F;t</hi>.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 95.</head><lb/>
              <p>Die Gewalt <hi rendition="#fr">Tiber&#x2019;s</hi> war un&#x017F;treitig gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er und fe&#x017F;ter, als die &#x017F;eines Vorga&#x0364;ngers,<lb/>
die Garde ward von den Bu&#x0364;rgern abge&#x017F;on-<lb/>
dert und in weitla&#x0364;uftige Ca&#x017F;ernen (<hi rendition="#aq">ca&#x017F;tra prae-<lb/>
toriana</hi>) zu&#x017F;ammengezogen, die Maje&#x017F;ta&#x0364;ts-<lb/>
verbrechen wurden viel ha&#x0364;ufiger; aber auch<lb/><hi rendition="#fr">Tiber</hi> war nicht nur in der er&#x017F;ten Ha&#x0364;lfte &#x017F;ei-<lb/>
ner Regierung kein De&#x017F;pot, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
als &#x017F;ein &#x017F;tolzer und fin&#x017F;terer Character, durch<lb/><hi rendition="#fr">Sejans</hi> Einfluß und durch Sejans Treulo-<lb/>
&#x017F;igkeit, zur Grau&#x017F;amkeit ge&#x017F;timmt, und durch<lb/>
ein, &#x017F;ogar in die&#x017F;en Zeiten, &#x017F;cha&#x0364;ndliches Pri-<lb/>
vatleben ver&#x017F;chlechtet worden war, &#x017F;elb&#x017F;t da<lb/>
blieb die Con&#x017F;titution, und mancher Senator<lb/>
freute &#x017F;ich des Winkes, den etwa Tiber zum<lb/>
Todesurtheile u&#x0364;ber beneidete Große gegeben<lb/>
hatte. &#x2014; Gleich nach dem Tode <hi rendition="#fr">Augu&#x017F;ts</hi><lb/>
wurden die Magi&#x017F;trats-Comitien dem Volke<lb/>
entzogen, und welche Rivalita&#x0364;t der Kai&#x017F;er<lb/>
nicht ent&#x017F;chied, daru&#x0364;ber cabalirte man nun<lb/>
nur im Senate. Auf die Ver&#x017F;ammlungen<lb/>
u&#x0364;ber neue Antra&#x0364;ge an das Volk geht die<lb/>
Stelle in <hi rendition="#fr">Tacitus</hi> gewiß nicht <hi rendition="#aq">a</hi>), obgleich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#fr">Bach</hi> &#x017F;ie davon ver&#x017F;teht, der doch &#x017F;chon<lb/>
vorher Senats&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, als Rechtsquellen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0120] Theil I. bis Juſtinian. a⁾ grandis natu et annorum fere quinquaginta receptus eſt. §. 95. Die Gewalt Tiber’s war unſtreitig groͤſ- ſer und feſter, als die ſeines Vorgaͤngers, die Garde ward von den Buͤrgern abgeſon- dert und in weitlaͤuftige Caſernen (caſtra prae- toriana) zuſammengezogen, die Majeſtaͤts- verbrechen wurden viel haͤufiger; aber auch Tiber war nicht nur in der erſten Haͤlfte ſei- ner Regierung kein Deſpot, ſondern ſelbſt als ſein ſtolzer und finſterer Character, durch Sejans Einfluß und durch Sejans Treulo- ſigkeit, zur Grauſamkeit geſtimmt, und durch ein, ſogar in dieſen Zeiten, ſchaͤndliches Pri- vatleben verſchlechtet worden war, ſelbſt da blieb die Conſtitution, und mancher Senator freute ſich des Winkes, den etwa Tiber zum Todesurtheile uͤber beneidete Große gegeben hatte. — Gleich nach dem Tode Auguſts wurden die Magiſtrats-Comitien dem Volke entzogen, und welche Rivalitaͤt der Kaiſer nicht entſchied, daruͤber cabalirte man nun nur im Senate. Auf die Verſammlungen uͤber neue Antraͤge an das Volk geht die Stelle in Tacitus gewiß nicht a), obgleich ſelbſt Bach ſie davon verſteht, der doch ſchon vorher Senatsſchluͤſſe, als Rechtsquellen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/120
Zitationshilfe: Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/120>, abgerufen am 25.04.2024.