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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.

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Theil I. bis Justinian.
§. 13.

Die Vertreibung der Könige war nicht
sowohl unmittelbar wichtig, denn jeder Con-
sul war König, und auch von den Königen
hatte man wahrscheinlich sollen an das Volk
provociren dürfen, wie nun auch von den Con-
suln erlaubt ward. Aber die Gewalt des
Senats und des Volks mußte nicht nur ge-
sichert, sondern vermehrt werden, als die
Stelle des Oberhaupts gar nicht mehr erblich,
und alle Jahre abwechselnd ward, und jeder
Consul einen Collegen hatte. Den Nachtheil,
welcher aus dieser allmählichen, aber unaus-
bleiblichen, Schwächung der Gewalt des er-
sten Staatsbedienten, für dringende Fälle zu
befürchten war, verhütete man durch das
Recht des Consuls, sich über die Gesetze weg-
zusetzen *, und durch das Recht, einen Dicta-
tor zu ernennen.

* Illis salus reip. suprema lex esto. Cic. de
Leg. III.
Auf diesen so sehr mißverstande-
nen Satz gründete sich der Ausspruch des
Senats, nun sey dieser Nothfall vorhan-
den: Videant Consules ne quid detrimenti
capiat respublica.
Der Senat allein konnte
den Consuln kein neues Recht über das Volk
geben, aber die invidia (ich weiß kein deut-
sches Wort für diesen Begriff, den wir in
Deutschland nicht haben) der Consuln war
kleiner, wenn sie den Senat für sich anfüh-
ren konnten.
§. 14.
Theil I. bis Juſtinian.
§. 13.

Die Vertreibung der Koͤnige war nicht
ſowohl unmittelbar wichtig, denn jeder Con-
ſul war Koͤnig, und auch von den Koͤnigen
hatte man wahrſcheinlich ſollen an das Volk
provociren duͤrfen, wie nun auch von den Con-
ſuln erlaubt ward. Aber die Gewalt des
Senats und des Volks mußte nicht nur ge-
ſichert, ſondern vermehrt werden, als die
Stelle des Oberhaupts gar nicht mehr erblich,
und alle Jahre abwechſelnd ward, und jeder
Conſul einen Collegen hatte. Den Nachtheil,
welcher aus dieſer allmaͤhlichen, aber unaus-
bleiblichen, Schwaͤchung der Gewalt des er-
ſten Staatsbedienten, fuͤr dringende Faͤlle zu
befuͤrchten war, verhuͤtete man durch das
Recht des Conſuls, ſich uͤber die Geſetze weg-
zuſetzen *, und durch das Recht, einen Dicta-
tor zu ernennen.

* Illis ſalus reip. ſuprema lex eſto. Cic. de
Leg. III.
Auf dieſen ſo ſehr mißverſtande-
nen Satz gruͤndete ſich der Ausſpruch des
Senats, nun ſey dieſer Nothfall vorhan-
den: Videant Conſules ne quid detrimenti
capiat respublica.
Der Senat allein konnte
den Conſuln kein neues Recht uͤber das Volk
geben, aber die invidia (ich weiß kein deut-
ſches Wort fuͤr dieſen Begriff, den wir in
Deutſchland nicht haben) der Conſuln war
kleiner, wenn ſie den Senat fuͤr ſich anfuͤh-
ren konnten.
§. 14.
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[10/0022] Theil I. bis Juſtinian. §. 13. Die Vertreibung der Koͤnige war nicht ſowohl unmittelbar wichtig, denn jeder Con- ſul war Koͤnig, und auch von den Koͤnigen hatte man wahrſcheinlich ſollen an das Volk provociren duͤrfen, wie nun auch von den Con- ſuln erlaubt ward. Aber die Gewalt des Senats und des Volks mußte nicht nur ge- ſichert, ſondern vermehrt werden, als die Stelle des Oberhaupts gar nicht mehr erblich, und alle Jahre abwechſelnd ward, und jeder Conſul einen Collegen hatte. Den Nachtheil, welcher aus dieſer allmaͤhlichen, aber unaus- bleiblichen, Schwaͤchung der Gewalt des er- ſten Staatsbedienten, fuͤr dringende Faͤlle zu befuͤrchten war, verhuͤtete man durch das Recht des Conſuls, ſich uͤber die Geſetze weg- zuſetzen *, und durch das Recht, einen Dicta- tor zu ernennen. * Illis ſalus reip. ſuprema lex eſto. Cic. de Leg. III. Auf dieſen ſo ſehr mißverſtande- nen Satz gruͤndete ſich der Ausſpruch des Senats, nun ſey dieſer Nothfall vorhan- den: Videant Conſules ne quid detrimenti capiat respublica. Der Senat allein konnte den Conſuln kein neues Recht uͤber das Volk geben, aber die invidia (ich weiß kein deut- ſches Wort fuͤr dieſen Begriff, den wir in Deutſchland nicht haben) der Conſuln war kleiner, wenn ſie den Senat fuͤr ſich anfuͤh- ren konnten. §. 14.

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Zitationshilfe: Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/22>, abgerufen am 25.04.2024.