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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.

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Theil II. seit Justinian.
§. 186.

Sehr natürlich war es, daß die Grund-
sätze des Römischen, Canonischen und Longo-
bardischen Rechts von allen denen angewen-
det wurden, welche, vielleicht auch nur des-
wegen, weil sonst so viel in Bologna zu ler-
nen sey, dahin reisten, diese Vorlesungen
etwa mitnahmen, und an welchen nun geist-
liche und weltliche Regenten die Leute gefun-
den hatten, die ihre gegenseitigen Ansprüche
recht gelehrt vertheidigen konnten. Der älteste
Ritter, der erfahrenste Schöffe mochten
noch so viel davon sprechen, daß es von jeher
nicht so gewesen sey, wie der Italiänische
Rechtslehrer oder Rechtsgelehrte sage, daß
es seyn müsse, bey jedem Streite zogen sie
nothwendig den Kürzern, sie waren keine
Gelehrte, sie kannten die Disputierkünste
nicht, und wenn gar der Doctor sie fragte,
was denn zur consuetudo gehöre, und wie
sie einen rechtskräftigen Beweis davon füh-
ren wollten, so konnten sie ihm vollends nicht
antworten. Ein Glück war es noch für sie,
daß, damahls noch weniger als jetzt, im-
mer das Recht behielt, dessen Deduction nicht
widerlegt worden war.

§. 187.
Theil II. ſeit Juſtinian.
§. 186.

Sehr natuͤrlich war es, daß die Grund-
ſaͤtze des Roͤmiſchen, Canoniſchen und Longo-
bardiſchen Rechts von allen denen angewen-
det wurden, welche, vielleicht auch nur des-
wegen, weil ſonſt ſo viel in Bologna zu ler-
nen ſey, dahin reisten, dieſe Vorleſungen
etwa mitnahmen, und an welchen nun geiſt-
liche und weltliche Regenten die Leute gefun-
den hatten, die ihre gegenſeitigen Anſpruͤche
recht gelehrt vertheidigen konnten. Der aͤlteſte
Ritter, der erfahrenſte Schoͤffe mochten
noch ſo viel davon ſprechen, daß es von jeher
nicht ſo geweſen ſey, wie der Italiaͤniſche
Rechtslehrer oder Rechtsgelehrte ſage, daß
es ſeyn muͤſſe, bey jedem Streite zogen ſie
nothwendig den Kuͤrzern, ſie waren keine
Gelehrte, ſie kannten die Diſputierkuͤnſte
nicht, und wenn gar der Doctor ſie fragte,
was denn zur conſuetudo gehoͤre, und wie
ſie einen rechtskraͤftigen Beweis davon fuͤh-
ren wollten, ſo konnten ſie ihm vollends nicht
antworten. Ein Gluͤck war es noch fuͤr ſie,
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mer das Recht behielt, deſſen Deduction nicht
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§. 187.
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[224/0236] Theil II. ſeit Juſtinian. §. 186. Sehr natuͤrlich war es, daß die Grund- ſaͤtze des Roͤmiſchen, Canoniſchen und Longo- bardiſchen Rechts von allen denen angewen- det wurden, welche, vielleicht auch nur des- wegen, weil ſonſt ſo viel in Bologna zu ler- nen ſey, dahin reisten, dieſe Vorleſungen etwa mitnahmen, und an welchen nun geiſt- liche und weltliche Regenten die Leute gefun- den hatten, die ihre gegenſeitigen Anſpruͤche recht gelehrt vertheidigen konnten. Der aͤlteſte Ritter, der erfahrenſte Schoͤffe mochten noch ſo viel davon ſprechen, daß es von jeher nicht ſo geweſen ſey, wie der Italiaͤniſche Rechtslehrer oder Rechtsgelehrte ſage, daß es ſeyn muͤſſe, bey jedem Streite zogen ſie nothwendig den Kuͤrzern, ſie waren keine Gelehrte, ſie kannten die Diſputierkuͤnſte nicht, und wenn gar der Doctor ſie fragte, was denn zur conſuetudo gehoͤre, und wie ſie einen rechtskraͤftigen Beweis davon fuͤh- ren wollten, ſo konnten ſie ihm vollends nicht antworten. Ein Gluͤck war es noch fuͤr ſie, daß, damahls noch weniger als jetzt, im- mer das Recht behielt, deſſen Deduction nicht widerlegt worden war. §. 187.

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Zitationshilfe: Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/236>, abgerufen am 25.04.2024.