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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.

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bis auf unsere Zeiten.
Vortrag des deutschen Rechts auf Universi-
täten.

§. 189.

Unstreitig war der Mangel an einem
academischen Vortrage des einheimischen
Rechts, ein Hauptumstand, um den fremden
Rechten das Uebergewicht desto leichter zu
verschaffen. Fast ganz eben so ging es auch
im übrigen südwestlichen Europa. Aber ob
die Einführung eines alten, gelehrten Rechts
ein Glück oder ein Unglück für uns war,
läßt sich so leicht nicht entscheiden, als dieje-
nigen wohl glauben, welche es stößt, daß
nicht jedermann ein Jurist seyn kann, und
welche den Vortheil für gering schätzen, den
die ganze alte Litteratur davon gehabt hat,
daß doch bisher für eine sehr zahlreiche Clas-
se unter den höhern Ständen, das Latein ei-
ne von den Sachen war, deren Nutzen man
mit Händen greifen konnte. -- Alles be-
rechnet möchte es doch wohl nicht zu wünschen
gewesen seyn, daß Friedrich III. das Römi-
sche Recht verdrängt hätte, und Maximi-
lian
I. konnte immerhin dem Cammergerich-
te befehlen, auch nach des Reichs und ge-
meinen Rechten zu urtheilen, weder er noch
die Stände dachten daran, hier etwas neues
zu verordnen, und die gesetzliche Kraft je-
der einzelen Entscheidung Justinians blieb

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bis auf unſere Zeiten.
Vortrag des deutſchen Rechts auf Univerſi-
taͤten.

§. 189.

Unſtreitig war der Mangel an einem
academiſchen Vortrage des einheimiſchen
Rechts, ein Hauptumſtand, um den fremden
Rechten das Uebergewicht deſto leichter zu
verſchaffen. Faſt ganz eben ſo ging es auch
im uͤbrigen ſuͤdweſtlichen Europa. Aber ob
die Einfuͤhrung eines alten, gelehrten Rechts
ein Gluͤck oder ein Ungluͤck fuͤr uns war,
laͤßt ſich ſo leicht nicht entſcheiden, als dieje-
nigen wohl glauben, welche es ſtoͤßt, daß
nicht jedermann ein Juriſt ſeyn kann, und
welche den Vortheil fuͤr gering ſchaͤtzen, den
die ganze alte Litteratur davon gehabt hat,
daß doch bisher fuͤr eine ſehr zahlreiche Claſ-
ſe unter den hoͤhern Staͤnden, das Latein ei-
ne von den Sachen war, deren Nutzen man
mit Haͤnden greifen konnte. — Alles be-
rechnet moͤchte es doch wohl nicht zu wuͤnſchen
geweſen ſeyn, daß Friedrich III. das Roͤmi-
ſche Recht verdraͤngt haͤtte, und Maximi-
lian
I. konnte immerhin dem Cammergerich-
te befehlen, auch nach des Reichs und ge-
meinen Rechten zu urtheilen, weder er noch
die Staͤnde dachten daran, hier etwas neues
zu verordnen, und die geſetzliche Kraft je-
der einzelen Entſcheidung Juſtinians blieb

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[227/0239] bis auf unſere Zeiten. Vortrag des deutſchen Rechts auf Univerſi- taͤten. §. 189. Unſtreitig war der Mangel an einem academiſchen Vortrage des einheimiſchen Rechts, ein Hauptumſtand, um den fremden Rechten das Uebergewicht deſto leichter zu verſchaffen. Faſt ganz eben ſo ging es auch im uͤbrigen ſuͤdweſtlichen Europa. Aber ob die Einfuͤhrung eines alten, gelehrten Rechts ein Gluͤck oder ein Ungluͤck fuͤr uns war, laͤßt ſich ſo leicht nicht entſcheiden, als dieje- nigen wohl glauben, welche es ſtoͤßt, daß nicht jedermann ein Juriſt ſeyn kann, und welche den Vortheil fuͤr gering ſchaͤtzen, den die ganze alte Litteratur davon gehabt hat, daß doch bisher fuͤr eine ſehr zahlreiche Claſ- ſe unter den hoͤhern Staͤnden, das Latein ei- ne von den Sachen war, deren Nutzen man mit Haͤnden greifen konnte. — Alles be- rechnet moͤchte es doch wohl nicht zu wuͤnſchen geweſen ſeyn, daß Friedrich III. das Roͤmi- ſche Recht verdraͤngt haͤtte, und Maximi- lian I. konnte immerhin dem Cammergerich- te befehlen, auch nach des Reichs und ge- meinen Rechten zu urtheilen, weder er noch die Staͤnde dachten daran, hier etwas neues zu verordnen, und die geſetzliche Kraft je- der einzelen Entſcheidung Juſtinians blieb da- P 2

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Zitationshilfe: Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/239>, abgerufen am 25.04.2024.