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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.

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Theil I. bis Justinian.
virtern griechischen Staaten in Unter-Italien,
daß man in Rom darauf bestand, die Haupt-
sache von der ganzen Verfassung einmahl zur
Sprache und zur Gewißheit zu bringen. Daß
Gesandte nach Athen geschickt wurden, ist
nicht glaublich, und warum die aus den Erb-
Aristocraten gewählten Decemviren zugleich
die einzige und unumschränkte Obrigkeit seyn
sollten, sieht man nicht wohl, da sie doch
bloße legislatores im Römischen Sinne des
Worts waren, und alles von dem Gutfinden
des versammelten Volkes abhing. So wur-
den zu Ende des ersten Jahrs zehn Tafeln
genehmigt. Für das zweyte Jahr wurden
neue Decemviren, und unter diesen auch Ple-
bejer, ernannt, aber der gesetzwidrige Aus-
spruch des Appius Claudius hatte die Fol-
ge, daß wieder Consuln die Versammlung
hielten, worin das große Grundgesetz der
12 Tafeln seine volle Kraft bekam.

§. 16.

Die zwölf Tafeln waren kein Gesetzbuch,
wie man in unsern Tagen Gesetzbücher macht,
um bestrittene wissenschaftliche Sätze, durch
einen Machtspruch von oben herab, zu be-
stimmen. Die Fragmente, wie sie der jün-
gere Godefroi * zusammengestellt hat, ent-
halten, aus sehr natürlichen Ursachen, bey

wei-

Theil I. bis Juſtinian.
virtern griechiſchen Staaten in Unter-Italien,
daß man in Rom darauf beſtand, die Haupt-
ſache von der ganzen Verfaſſung einmahl zur
Sprache und zur Gewißheit zu bringen. Daß
Geſandte nach Athen geſchickt wurden, iſt
nicht glaublich, und warum die aus den Erb-
Ariſtocraten gewaͤhlten Decemviren zugleich
die einzige und unumſchraͤnkte Obrigkeit ſeyn
ſollten, ſieht man nicht wohl, da ſie doch
bloße legislatores im Roͤmiſchen Sinne des
Worts waren, und alles von dem Gutfinden
des verſammelten Volkes abhing. So wur-
den zu Ende des erſten Jahrs zehn Tafeln
genehmigt. Fuͤr das zweyte Jahr wurden
neue Decemviren, und unter dieſen auch Ple-
bejer, ernannt, aber der geſetzwidrige Aus-
ſpruch des Appius Claudius hatte die Fol-
ge, daß wieder Conſuln die Verſammlung
hielten, worin das große Grundgeſetz der
12 Tafeln ſeine volle Kraft bekam.

§. 16.

Die zwoͤlf Tafeln waren kein Geſetzbuch,
wie man in unſern Tagen Geſetzbuͤcher macht,
um beſtrittene wiſſenſchaftliche Saͤtze, durch
einen Machtſpruch von oben herab, zu be-
ſtimmen. Die Fragmente, wie ſie der juͤn-
gere Godefroi * zuſammengeſtellt hat, ent-
halten, aus ſehr natuͤrlichen Urſachen, bey

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[12/0024] Theil I. bis Juſtinian. virtern griechiſchen Staaten in Unter-Italien, daß man in Rom darauf beſtand, die Haupt- ſache von der ganzen Verfaſſung einmahl zur Sprache und zur Gewißheit zu bringen. Daß Geſandte nach Athen geſchickt wurden, iſt nicht glaublich, und warum die aus den Erb- Ariſtocraten gewaͤhlten Decemviren zugleich die einzige und unumſchraͤnkte Obrigkeit ſeyn ſollten, ſieht man nicht wohl, da ſie doch bloße legislatores im Roͤmiſchen Sinne des Worts waren, und alles von dem Gutfinden des verſammelten Volkes abhing. So wur- den zu Ende des erſten Jahrs zehn Tafeln genehmigt. Fuͤr das zweyte Jahr wurden neue Decemviren, und unter dieſen auch Ple- bejer, ernannt, aber der geſetzwidrige Aus- ſpruch des Appius Claudius hatte die Fol- ge, daß wieder Conſuln die Verſammlung hielten, worin das große Grundgeſetz der 12 Tafeln ſeine volle Kraft bekam. §. 16. Die zwoͤlf Tafeln waren kein Geſetzbuch, wie man in unſern Tagen Geſetzbuͤcher macht, um beſtrittene wiſſenſchaftliche Saͤtze, durch einen Machtſpruch von oben herab, zu be- ſtimmen. Die Fragmente, wie ſie der juͤn- gere Godefroi * zuſammengeſtellt hat, ent- halten, aus ſehr natuͤrlichen Urſachen, bey wei-

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Zitationshilfe: Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/24>, abgerufen am 16.04.2024.