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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Viertes Kapitel.

Erster Aufenthalt in Cumana. -- Die Ufer des Manzanares.

Wir waren am 16. Juli mit Tagesanbruch auf dem
Ankerplatz, gegenüber der Mündung des Rio Manzanares,
angelangt, konnten uns aber erst spät am Morgen ausschiffen,
weil wir den Besuch der Hafenbeamten abwarten mußten.
Unsere Blicke hingen an den Gruppen von Kokosbäumen, die
das Ufer säumten und deren über 20 m hohe Stämme die
Landschaft beherrschten. Die Ebene war bedeckt mit Büschen
von Cassien, Capparis und den baumartigen Mimosen, die
gleich den Pinien Italiens ihre Zweige schirmartig ausbreiten.
Die gefiederten Blätter der Palmen hoben sich von einem
Himmelsblau ab, das keine Spur von Dunst trübte. Die
Sonne stieg rasch zum Zenith auf; ein blendendes Licht war
in der Luft verbreitet und lag auf den weißlichen Hügeln
mit zerstreuten cylindrischen Kaktus und auf dem ewig ruhigen
Meere, dessen Ufer von Alcatras, 1 Reihern und Flamingo
bevölkert sind. Das glänzende Tageslicht, die Kraft der
Pflanzenfarben, die Gestalten der Gewächse, das bunte Ge-
fieder der Vögel, alles trug den großartigen Stempel der
tropischen Natur.

Cumana, die Hauptstadt von Neuandalusien, liegt 4,5 km
vom Landungsplatz oder der Batterie de la Boca, bei der
wir ans Land gestiegen, nachdem wir über die Barre des
Manzanares gefahren. Wir hatten über eine weite Ebene 2
zu gehen, die zwischen der Vorstadt der Guaykari und der
Küste liegt. Die starke Hitze wurde durch die Strahlung des
zum Teil pflanzenlosen Bodens noch gesteigert. Der hundert-

1 Ein brauner Pelikan von der Größe des Schwanes. Peli-
canus fuscus, Linne.
2 El Salado.
Viertes Kapitel.

Erſter Aufenthalt in Cumana. — Die Ufer des Manzanares.

Wir waren am 16. Juli mit Tagesanbruch auf dem
Ankerplatz, gegenüber der Mündung des Rio Manzanares,
angelangt, konnten uns aber erſt ſpät am Morgen ausſchiffen,
weil wir den Beſuch der Hafenbeamten abwarten mußten.
Unſere Blicke hingen an den Gruppen von Kokosbäumen, die
das Ufer ſäumten und deren über 20 m hohe Stämme die
Landſchaft beherrſchten. Die Ebene war bedeckt mit Büſchen
von Caſſien, Capparis und den baumartigen Mimoſen, die
gleich den Pinien Italiens ihre Zweige ſchirmartig ausbreiten.
Die gefiederten Blätter der Palmen hoben ſich von einem
Himmelsblau ab, das keine Spur von Dunſt trübte. Die
Sonne ſtieg raſch zum Zenith auf; ein blendendes Licht war
in der Luft verbreitet und lag auf den weißlichen Hügeln
mit zerſtreuten cylindriſchen Kaktus und auf dem ewig ruhigen
Meere, deſſen Ufer von Alcatras, 1 Reihern und Flamingo
bevölkert ſind. Das glänzende Tageslicht, die Kraft der
Pflanzenfarben, die Geſtalten der Gewächſe, das bunte Ge-
fieder der Vögel, alles trug den großartigen Stempel der
tropiſchen Natur.

Cumana, die Hauptſtadt von Neuandaluſien, liegt 4,5 km
vom Landungsplatz oder der Batterie de la Boca, bei der
wir ans Land geſtiegen, nachdem wir über die Barre des
Manzanares gefahren. Wir hatten über eine weite Ebene 2
zu gehen, die zwiſchen der Vorſtadt der Guaykari und der
Küſte liegt. Die ſtarke Hitze wurde durch die Strahlung des
zum Teil pflanzenloſen Bodens noch geſteigert. Der hundert-

1 Ein brauner Pelikan von der Größe des Schwanes. Peli-
canus fuscus, Linné.
2 El Salado.
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[[154]/0170] Viertes Kapitel. Erſter Aufenthalt in Cumana. — Die Ufer des Manzanares. Wir waren am 16. Juli mit Tagesanbruch auf dem Ankerplatz, gegenüber der Mündung des Rio Manzanares, angelangt, konnten uns aber erſt ſpät am Morgen ausſchiffen, weil wir den Beſuch der Hafenbeamten abwarten mußten. Unſere Blicke hingen an den Gruppen von Kokosbäumen, die das Ufer ſäumten und deren über 20 m hohe Stämme die Landſchaft beherrſchten. Die Ebene war bedeckt mit Büſchen von Caſſien, Capparis und den baumartigen Mimoſen, die gleich den Pinien Italiens ihre Zweige ſchirmartig ausbreiten. Die gefiederten Blätter der Palmen hoben ſich von einem Himmelsblau ab, das keine Spur von Dunſt trübte. Die Sonne ſtieg raſch zum Zenith auf; ein blendendes Licht war in der Luft verbreitet und lag auf den weißlichen Hügeln mit zerſtreuten cylindriſchen Kaktus und auf dem ewig ruhigen Meere, deſſen Ufer von Alcatras, 1 Reihern und Flamingo bevölkert ſind. Das glänzende Tageslicht, die Kraft der Pflanzenfarben, die Geſtalten der Gewächſe, das bunte Ge- fieder der Vögel, alles trug den großartigen Stempel der tropiſchen Natur. Cumana, die Hauptſtadt von Neuandaluſien, liegt 4,5 km vom Landungsplatz oder der Batterie de la Boca, bei der wir ans Land geſtiegen, nachdem wir über die Barre des Manzanares gefahren. Wir hatten über eine weite Ebene 2 zu gehen, die zwiſchen der Vorſtadt der Guaykari und der Küſte liegt. Die ſtarke Hitze wurde durch die Strahlung des zum Teil pflanzenloſen Bodens noch geſteigert. Der hundert- 1 Ein brauner Pelikan von der Größe des Schwanes. Peli- canus fuscus, Linné. 2 El Salado.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. [154]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/170>, abgerufen am 29.03.2024.