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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Siebzehntes Kapitel.

Gebirge zwischen den Thälern von Aragua und den Llanos von
Caracas. -- Villa de Cara. -- Parapara. -- Llanos oder Steppen. --
Calabozo.

Die Bergkette, welche den See von Tacarigua oder Va-
lencia im Süden begrenzt, bildet gleichsam das nördliche Ufer
des großen Beckens der Llanos oder Savannen von Caracas.
Aus den Thälern von Aragua kommt man in die Savannen
über die Berge von Guigue und Tucutunemo. Aus einer
bevölkerten, durch Anbau geschmückten Landschaft gelangt man
in eine weite Einöde. An Felsen und schattige Thäler ge-
wöhnt, sieht der Reisende mit Befremden diese baumlosen
Savannen vor sich, diese unermeßlichen Ebenen, die gegen den
Horizont aufzusteigen scheinen.

Ehe ich die Llanos oder die Region der Weiden schildere,
beschreibe ich kürzlich unseren Weg von Nueva Valencia durch
Villa de Cura und San Juan zum kleinen, am Eingang der
Steppen gelegenen Dorfe Ortiz. Am 6. März, vor Sonnen-
aufgang, verließen wir die Thäler von Aragua. Wir zogen
durch eine gut angebaute Ebene, längs dem südwestlichen Ge-
stade des Sees von Valencia, über einen Boden, von dem
sich die Gewässer des Sees zurückgezogen. Die Fruchtbarkeit
des mit Kalebassen, Wassermelonen und Bananen bedeckten
Landes setzte uns in Erstaunen. Den Aufgang der Sonne
verkündete der ferne Lärm der Brüllaffen. Vor einer Baum-
gruppe, mitten in der Ebene zwischen den ehemaligen Eilanden
Don Pedro und Negra, gewahrten wir zahlreiche Banden der
schon oben beschriebenen Simia ursina (Araguate), die wie
in Prozession äußerst langsam von Baum zu Baum zogen.
Hinter einem männlichen Tiere kamen viele weibliche, deren
mehrere ihre Jungen auf den Schultern trugen. Die Brüll-
affen, welche in verschiedenen Strichen Amerikas in großen

Siebzehntes Kapitel.

Gebirge zwiſchen den Thälern von Aragua und den Llanos von
Caracas. — Villa de Cara. — Parapara. — Llanos oder Steppen. —
Calabozo.

Die Bergkette, welche den See von Tacarigua oder Va-
lencia im Süden begrenzt, bildet gleichſam das nördliche Ufer
des großen Beckens der Llanos oder Savannen von Caracas.
Aus den Thälern von Aragua kommt man in die Savannen
über die Berge von Guigue und Tucutunemo. Aus einer
bevölkerten, durch Anbau geſchmückten Landſchaft gelangt man
in eine weite Einöde. An Felſen und ſchattige Thäler ge-
wöhnt, ſieht der Reiſende mit Befremden dieſe baumloſen
Savannen vor ſich, dieſe unermeßlichen Ebenen, die gegen den
Horizont aufzuſteigen ſcheinen.

Ehe ich die Llanos oder die Region der Weiden ſchildere,
beſchreibe ich kürzlich unſeren Weg von Nueva Valencia durch
Villa de Cura und San Juan zum kleinen, am Eingang der
Steppen gelegenen Dorfe Ortiz. Am 6. März, vor Sonnen-
aufgang, verließen wir die Thäler von Aragua. Wir zogen
durch eine gut angebaute Ebene, längs dem ſüdweſtlichen Ge-
ſtade des Sees von Valencia, über einen Boden, von dem
ſich die Gewäſſer des Sees zurückgezogen. Die Fruchtbarkeit
des mit Kalebaſſen, Waſſermelonen und Bananen bedeckten
Landes ſetzte uns in Erſtaunen. Den Aufgang der Sonne
verkündete der ferne Lärm der Brüllaffen. Vor einer Baum-
gruppe, mitten in der Ebene zwiſchen den ehemaligen Eilanden
Don Pedro und Negra, gewahrten wir zahlreiche Banden der
ſchon oben beſchriebenen Simia ursina (Araguate), die wie
in Prozeſſion äußerſt langſam von Baum zu Baum zogen.
Hinter einem männlichen Tiere kamen viele weibliche, deren
mehrere ihre Jungen auf den Schultern trugen. Die Brüll-
affen, welche in verſchiedenen Strichen Amerikas in großen

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[[261]/0269] Siebzehntes Kapitel. Gebirge zwiſchen den Thälern von Aragua und den Llanos von Caracas. — Villa de Cara. — Parapara. — Llanos oder Steppen. — Calabozo. Die Bergkette, welche den See von Tacarigua oder Va- lencia im Süden begrenzt, bildet gleichſam das nördliche Ufer des großen Beckens der Llanos oder Savannen von Caracas. Aus den Thälern von Aragua kommt man in die Savannen über die Berge von Guigue und Tucutunemo. Aus einer bevölkerten, durch Anbau geſchmückten Landſchaft gelangt man in eine weite Einöde. An Felſen und ſchattige Thäler ge- wöhnt, ſieht der Reiſende mit Befremden dieſe baumloſen Savannen vor ſich, dieſe unermeßlichen Ebenen, die gegen den Horizont aufzuſteigen ſcheinen. Ehe ich die Llanos oder die Region der Weiden ſchildere, beſchreibe ich kürzlich unſeren Weg von Nueva Valencia durch Villa de Cura und San Juan zum kleinen, am Eingang der Steppen gelegenen Dorfe Ortiz. Am 6. März, vor Sonnen- aufgang, verließen wir die Thäler von Aragua. Wir zogen durch eine gut angebaute Ebene, längs dem ſüdweſtlichen Ge- ſtade des Sees von Valencia, über einen Boden, von dem ſich die Gewäſſer des Sees zurückgezogen. Die Fruchtbarkeit des mit Kalebaſſen, Waſſermelonen und Bananen bedeckten Landes ſetzte uns in Erſtaunen. Den Aufgang der Sonne verkündete der ferne Lärm der Brüllaffen. Vor einer Baum- gruppe, mitten in der Ebene zwiſchen den ehemaligen Eilanden Don Pedro und Negra, gewahrten wir zahlreiche Banden der ſchon oben beſchriebenen Simia ursina (Araguate), die wie in Prozeſſion äußerſt langſam von Baum zu Baum zogen. Hinter einem männlichen Tiere kamen viele weibliche, deren mehrere ihre Jungen auf den Schultern trugen. Die Brüll- affen, welche in verſchiedenen Strichen Amerikas in großen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. [261]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/269>, abgerufen am 20.04.2024.