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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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der Hudsonsbai, die Bewohner der Beringsstraße, der Halb-
insel Alaska und des Prinz Williams-Sundes. Der östliche
und der westliche Zweig dieser Polarrasse, die Eskimo und
die Tschugat, sind trotz der ungeheuren Strecke von 1800 km,
die zwischen ihnen liegt, durch sehr nahe Sprachverwandtschaft
eng verbunden. Diese Verwandtschaft erstreckt sich sogar, wie
in neuerer Zeit außer Zweifel gesetzt worden ist, noch weiter,
zu den Bewohnern des nordöstlichen Asiens; denn die Mundart
der Tschuktschen an der Mündung des Anadyr hat dieselben
Wurzeln wie die Sprache der Eskimo auf der Europa gegen-
überliegenden Küste von Amerika. Die Tschuktschen sind die
asiatischen Eskimo. Gleich den Malaien wohnt die hyper-
boräische Rasse nur am Meeresufer. Sie nähren sich von
Fischen, sind fast durchgängig von kleinerer Statur als die
anderen Amerikaner, sind lebhaft, beweglich, geschwätzig. Ihre
Haare sind schlicht, glatt und schwarz; aber (und dies zeichnet
die Rasse, die ich die eskimo-tschugasische nennen will, ganz
besonders aus) ihre Haut ist ursprünglich weißlich. Es ist
gewiß, daß die Kinder der Grönländer weiß zur Welt kommen;
bei manchen erhält sich diese Farbe, und auch bei den dunkelsten
(den von der Luft am meisten gebräunten) sieht man nicht
selten das Blut auf den Wangen rot durchschimmern.

Die zweite Gruppe der Eingeborenen Amerikas umfaßt
alle Völker außer den Eskimo-Tschugat, vom Cooksfluß bis
zur Magelhaensschen Meerenge, von den Ugaljachmiut und
Kinai am St. Eliasberg bis zu den Puelchen und Tehuelhet
in der südlichen Halbkugel. Die Völker dieses zweiten Zweiges
sind größer, stärker, kriegerischer und schweigsamer. Auch sie
weichen hinsichtlich der Hautfarbe auffallend voneinander ab.
In Mexiko, in Peru, in Neugranada, in Quito, an den
Ufern des Orinoko und des Amazonenstromes, im ganzen
Striche von Südamerika, den ich gesehen, im Tieflande wie auf
den sehr kalten Hochebenen, sind die indianischen Kinder im
Alter von zwei, drei Monaten ebenso bronzefarbig als die
Erwachsenen. Daß die Eingeborenen nur von Luft und Sonne
gebräunte Weiße sein möchten, ist einem Spanier in Quito
oder an den Ufern des Orinoko nie in den Sinn gekommen.
Im nordwestlichen Amerika dagegen gibt es Stämme, bei
denen die Kinder weiß sind und erst mit der Mannbarkeit so
bronzefarbig werden wie die Eingeborenen von Peru und
Mexiko. Bei dem Häuptling der Miami Michikinakua waren
die Arme und die der Sonne nicht ausgesetzten Körperteile

der Hudſonsbai, die Bewohner der Beringsſtraße, der Halb-
inſel Alaska und des Prinz Williams-Sundes. Der öſtliche
und der weſtliche Zweig dieſer Polarraſſe, die Eskimo und
die Tſchugat, ſind trotz der ungeheuren Strecke von 1800 km,
die zwiſchen ihnen liegt, durch ſehr nahe Sprachverwandtſchaft
eng verbunden. Dieſe Verwandtſchaft erſtreckt ſich ſogar, wie
in neuerer Zeit außer Zweifel geſetzt worden iſt, noch weiter,
zu den Bewohnern des nordöſtlichen Aſiens; denn die Mundart
der Tſchuktſchen an der Mündung des Anadyr hat dieſelben
Wurzeln wie die Sprache der Eskimo auf der Europa gegen-
überliegenden Küſte von Amerika. Die Tſchuktſchen ſind die
aſiatiſchen Eskimo. Gleich den Malaien wohnt die hyper-
boräiſche Raſſe nur am Meeresufer. Sie nähren ſich von
Fiſchen, ſind faſt durchgängig von kleinerer Statur als die
anderen Amerikaner, ſind lebhaft, beweglich, geſchwätzig. Ihre
Haare ſind ſchlicht, glatt und ſchwarz; aber (und dies zeichnet
die Raſſe, die ich die eskimo-tſchugaſiſche nennen will, ganz
beſonders aus) ihre Haut iſt urſprünglich weißlich. Es iſt
gewiß, daß die Kinder der Grönländer weiß zur Welt kommen;
bei manchen erhält ſich dieſe Farbe, und auch bei den dunkelſten
(den von der Luft am meiſten gebräunten) ſieht man nicht
ſelten das Blut auf den Wangen rot durchſchimmern.

Die zweite Gruppe der Eingeborenen Amerikas umfaßt
alle Völker außer den Eskimo-Tſchugat, vom Cooksfluß bis
zur Magelhaensſchen Meerenge, von den Ugaljachmiut und
Kinai am St. Eliasberg bis zu den Puelchen und Tehuelhet
in der ſüdlichen Halbkugel. Die Völker dieſes zweiten Zweiges
ſind größer, ſtärker, kriegeriſcher und ſchweigſamer. Auch ſie
weichen hinſichtlich der Hautfarbe auffallend voneinander ab.
In Mexiko, in Peru, in Neugranada, in Quito, an den
Ufern des Orinoko und des Amazonenſtromes, im ganzen
Striche von Südamerika, den ich geſehen, im Tieflande wie auf
den ſehr kalten Hochebenen, ſind die indianiſchen Kinder im
Alter von zwei, drei Monaten ebenſo bronzefarbig als die
Erwachſenen. Daß die Eingeborenen nur von Luft und Sonne
gebräunte Weiße ſein möchten, iſt einem Spanier in Quito
oder an den Ufern des Orinoko nie in den Sinn gekommen.
Im nordweſtlichen Amerika dagegen gibt es Stämme, bei
denen die Kinder weiß ſind und erſt mit der Mannbarkeit ſo
bronzefarbig werden wie die Eingeborenen von Peru und
Mexiko. Bei dem Häuptling der Miami Michikinakua waren
die Arme und die der Sonne nicht ausgeſetzten Körperteile

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[39/0047] der Hudſonsbai, die Bewohner der Beringsſtraße, der Halb- inſel Alaska und des Prinz Williams-Sundes. Der öſtliche und der weſtliche Zweig dieſer Polarraſſe, die Eskimo und die Tſchugat, ſind trotz der ungeheuren Strecke von 1800 km, die zwiſchen ihnen liegt, durch ſehr nahe Sprachverwandtſchaft eng verbunden. Dieſe Verwandtſchaft erſtreckt ſich ſogar, wie in neuerer Zeit außer Zweifel geſetzt worden iſt, noch weiter, zu den Bewohnern des nordöſtlichen Aſiens; denn die Mundart der Tſchuktſchen an der Mündung des Anadyr hat dieſelben Wurzeln wie die Sprache der Eskimo auf der Europa gegen- überliegenden Küſte von Amerika. Die Tſchuktſchen ſind die aſiatiſchen Eskimo. Gleich den Malaien wohnt die hyper- boräiſche Raſſe nur am Meeresufer. Sie nähren ſich von Fiſchen, ſind faſt durchgängig von kleinerer Statur als die anderen Amerikaner, ſind lebhaft, beweglich, geſchwätzig. Ihre Haare ſind ſchlicht, glatt und ſchwarz; aber (und dies zeichnet die Raſſe, die ich die eskimo-tſchugaſiſche nennen will, ganz beſonders aus) ihre Haut iſt urſprünglich weißlich. Es iſt gewiß, daß die Kinder der Grönländer weiß zur Welt kommen; bei manchen erhält ſich dieſe Farbe, und auch bei den dunkelſten (den von der Luft am meiſten gebräunten) ſieht man nicht ſelten das Blut auf den Wangen rot durchſchimmern. Die zweite Gruppe der Eingeborenen Amerikas umfaßt alle Völker außer den Eskimo-Tſchugat, vom Cooksfluß bis zur Magelhaensſchen Meerenge, von den Ugaljachmiut und Kinai am St. Eliasberg bis zu den Puelchen und Tehuelhet in der ſüdlichen Halbkugel. Die Völker dieſes zweiten Zweiges ſind größer, ſtärker, kriegeriſcher und ſchweigſamer. Auch ſie weichen hinſichtlich der Hautfarbe auffallend voneinander ab. In Mexiko, in Peru, in Neugranada, in Quito, an den Ufern des Orinoko und des Amazonenſtromes, im ganzen Striche von Südamerika, den ich geſehen, im Tieflande wie auf den ſehr kalten Hochebenen, ſind die indianiſchen Kinder im Alter von zwei, drei Monaten ebenſo bronzefarbig als die Erwachſenen. Daß die Eingeborenen nur von Luft und Sonne gebräunte Weiße ſein möchten, iſt einem Spanier in Quito oder an den Ufern des Orinoko nie in den Sinn gekommen. Im nordweſtlichen Amerika dagegen gibt es Stämme, bei denen die Kinder weiß ſind und erſt mit der Mannbarkeit ſo bronzefarbig werden wie die Eingeborenen von Peru und Mexiko. Bei dem Häuptling der Miami Michikinakua waren die Arme und die der Sonne nicht ausgeſetzten Körperteile

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/47>, abgerufen am 23.04.2024.