Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Felsen, der Aricagua heißt. In der Nacht kamen zahllose
Fledermäuse aus den Felsspalten und schwirrten um unsere
Hängematten. Ich habe früher von dem Schaden gesprochen,
den diese Tiere unter den Herden anrichten. Sie vermehren
sich besonders stark in sehr trockenen Jahren.

Am 24. April. Ein starker Regen zwang uns, schon
sehr früh morgens die Piroge wieder zu besteigen. Wir fuhren
um 2 Uhr ab und mußten einige Bücher zurücklassen, die wir
in der finsteren Nacht auf dem Felsen Aricagua nicht finden
konnten. Der Strom läuft ganz gerade von Süd nach Nord;
die Ufer sind niedrig und zu beiden Seiten von dichten Wäl-
dern beschattet. Wir kamen an den Mündungen des Ucata,
des Arapa und des Caranaveni vorüber. Gegen 4 Uhr abends
stiegen wir bei den Conucos de Siquita aus, Pflanzungen
von Indianern aus der Mission San Fernando. Die guten
Leute hätten uns gerne behalten, aber wir fuhren weiter gegen
den Strom, der in der Sekunde 1,62 m zurücklegt. Dies ist
das Ergebnis einer Messung, bei der ich die Zeit schätzte, die
ein schwimmender Körper braucht, um eine gegebene Strecke
zurückzulegen. Wir liefen bei finsterer Nacht in die Mündung
des Guaviare ein, fuhren über den Zusammenfluß des Atabapo
mit dem Guaviare hinauf und langten nach Mitternacht in
der Mission an. Wir erhielten unsere Wohnung, wie immer,
im Kloster, das heißt im Hause des Missionärs, der von
unserem unerwarteten Besuche höchlich überrascht war, uns
aber nichtsdestoweniger mit der liebenswürdigsten Gastlichkeit
aufnahm.



Felſen, der Aricagua heißt. In der Nacht kamen zahlloſe
Fledermäuſe aus den Felsſpalten und ſchwirrten um unſere
Hängematten. Ich habe früher von dem Schaden geſprochen,
den dieſe Tiere unter den Herden anrichten. Sie vermehren
ſich beſonders ſtark in ſehr trockenen Jahren.

Am 24. April. Ein ſtarker Regen zwang uns, ſchon
ſehr früh morgens die Piroge wieder zu beſteigen. Wir fuhren
um 2 Uhr ab und mußten einige Bücher zurücklaſſen, die wir
in der finſteren Nacht auf dem Felſen Aricagua nicht finden
konnten. Der Strom läuft ganz gerade von Süd nach Nord;
die Ufer ſind niedrig und zu beiden Seiten von dichten Wäl-
dern beſchattet. Wir kamen an den Mündungen des Ucata,
des Arapa und des Caranaveni vorüber. Gegen 4 Uhr abends
ſtiegen wir bei den Conucos de Siquita aus, Pflanzungen
von Indianern aus der Miſſion San Fernando. Die guten
Leute hätten uns gerne behalten, aber wir fuhren weiter gegen
den Strom, der in der Sekunde 1,62 m zurücklegt. Dies iſt
das Ergebnis einer Meſſung, bei der ich die Zeit ſchätzte, die
ein ſchwimmender Körper braucht, um eine gegebene Strecke
zurückzulegen. Wir liefen bei finſterer Nacht in die Mündung
des Guaviare ein, fuhren über den Zuſammenfluß des Atabapo
mit dem Guaviare hinauf und langten nach Mitternacht in
der Miſſion an. Wir erhielten unſere Wohnung, wie immer,
im Kloſter, das heißt im Hauſe des Miſſionärs, der von
unſerem unerwarteten Beſuche höchlich überraſcht war, uns
aber nichtsdeſtoweniger mit der liebenswürdigſten Gaſtlichkeit
aufnahm.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="196"/>
Fel&#x017F;en, der Aricagua heißt. In der Nacht kamen zahllo&#x017F;e<lb/>
Fledermäu&#x017F;e aus den Fels&#x017F;palten und &#x017F;chwirrten um un&#x017F;ere<lb/>
Hängematten. Ich habe früher von dem Schaden ge&#x017F;prochen,<lb/>
den die&#x017F;e Tiere unter den Herden anrichten. Sie vermehren<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;onders &#x017F;tark in &#x017F;ehr trockenen Jahren.</p><lb/>
          <p>Am 24. April. Ein &#x017F;tarker Regen zwang uns, &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;ehr früh morgens die Piroge wieder zu be&#x017F;teigen. Wir fuhren<lb/>
um 2 Uhr ab und mußten einige Bücher zurückla&#x017F;&#x017F;en, die wir<lb/>
in der fin&#x017F;teren Nacht auf dem Fel&#x017F;en Aricagua nicht finden<lb/>
konnten. Der Strom läuft ganz gerade von Süd nach Nord;<lb/>
die Ufer &#x017F;ind niedrig und zu beiden Seiten von dichten Wäl-<lb/>
dern be&#x017F;chattet. Wir kamen an den Mündungen des Ucata,<lb/>
des Arapa und des Caranaveni vorüber. Gegen 4 Uhr abends<lb/>
&#x017F;tiegen wir bei den <hi rendition="#g">Conucos de Siquita</hi> aus, Pflanzungen<lb/>
von Indianern aus der Mi&#x017F;&#x017F;ion San Fernando. Die guten<lb/>
Leute hätten uns gerne behalten, aber wir fuhren weiter gegen<lb/>
den Strom, der in der Sekunde 1,62 <hi rendition="#aq">m</hi> zurücklegt. Dies i&#x017F;t<lb/>
das Ergebnis einer Me&#x017F;&#x017F;ung, bei der ich die Zeit &#x017F;chätzte, die<lb/>
ein &#x017F;chwimmender Körper braucht, um eine gegebene Strecke<lb/>
zurückzulegen. Wir liefen bei fin&#x017F;terer Nacht in die Mündung<lb/>
des Guaviare ein, fuhren über den Zu&#x017F;ammenfluß des Atabapo<lb/>
mit dem Guaviare hinauf und langten nach Mitternacht in<lb/>
der Mi&#x017F;&#x017F;ion an. Wir erhielten un&#x017F;ere Wohnung, wie immer,<lb/>
im <hi rendition="#g">Klo&#x017F;ter</hi>, das heißt im Hau&#x017F;e des Mi&#x017F;&#x017F;ionärs, der von<lb/>
un&#x017F;erem unerwarteten Be&#x017F;uche höchlich überra&#x017F;cht war, uns<lb/>
aber nichtsde&#x017F;toweniger mit der liebenswürdig&#x017F;ten Ga&#x017F;tlichkeit<lb/>
aufnahm.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0204] Felſen, der Aricagua heißt. In der Nacht kamen zahlloſe Fledermäuſe aus den Felsſpalten und ſchwirrten um unſere Hängematten. Ich habe früher von dem Schaden geſprochen, den dieſe Tiere unter den Herden anrichten. Sie vermehren ſich beſonders ſtark in ſehr trockenen Jahren. Am 24. April. Ein ſtarker Regen zwang uns, ſchon ſehr früh morgens die Piroge wieder zu beſteigen. Wir fuhren um 2 Uhr ab und mußten einige Bücher zurücklaſſen, die wir in der finſteren Nacht auf dem Felſen Aricagua nicht finden konnten. Der Strom läuft ganz gerade von Süd nach Nord; die Ufer ſind niedrig und zu beiden Seiten von dichten Wäl- dern beſchattet. Wir kamen an den Mündungen des Ucata, des Arapa und des Caranaveni vorüber. Gegen 4 Uhr abends ſtiegen wir bei den Conucos de Siquita aus, Pflanzungen von Indianern aus der Miſſion San Fernando. Die guten Leute hätten uns gerne behalten, aber wir fuhren weiter gegen den Strom, der in der Sekunde 1,62 m zurücklegt. Dies iſt das Ergebnis einer Meſſung, bei der ich die Zeit ſchätzte, die ein ſchwimmender Körper braucht, um eine gegebene Strecke zurückzulegen. Wir liefen bei finſterer Nacht in die Mündung des Guaviare ein, fuhren über den Zuſammenfluß des Atabapo mit dem Guaviare hinauf und langten nach Mitternacht in der Miſſion an. Wir erhielten unſere Wohnung, wie immer, im Kloſter, das heißt im Hauſe des Miſſionärs, der von unſerem unerwarteten Beſuche höchlich überraſcht war, uns aber nichtsdeſtoweniger mit der liebenswürdigſten Gaſtlichkeit aufnahm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/204
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/204>, abgerufen am 28.03.2024.