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Humboldt, Alexander von: Auszug aus einem Briefe Alexanders von Humboldt an den Verfasser. In: Berg, Albert: Physiognomie der tropischen Vegetation Süd-Americas. Düsseldorf, 1854, S. [i]-ii.

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heissen Regionen der Isla de Pinos, südlich von Cuba, und in dem Pinal del Cayo de Moya nördlich von Cuba,
wie schon Columbus in seinem Reisetagebuche vom Monat November 1492 'mit Erstaunen' bemerkt Typen,
welche wir nördliche nennen, indem wir sie ausschliesslich den kalten oder gemässigten Gegenden zuschreiben,
wiederholen sich in den tropischen Gegenden Amerika's und des Indischen Archipels mit demselben Habitus,
aber in ganz verschiedenen Arten. Grade dieser Umstand hat mich in einem meiner frühesten Werke zu dem
Ausspruche veranlasst, dass es dem unter dem AEquator lebenden Menschen, wo Klimate und Hochebenen
gleichsam schichtenweise über einander gelagert erscheinen, gegeben ist, alle am Himmelsgewölbe glänzenden
Sterne und fast alle Formen der Pflanzenwelt mit einem Blicke zu umfassen.

Die Ansicht des Vulcans von Tolima, welche man auf mehreren Punkten des östlichen Theiles des Quindiu
geniesst, hat zu einem Ihrer pittoreskesten Bilder (auf Blatt III.) Veranlassung gegeben. Der sehr regelmässig
geformte Vulcan, welcher sich wie der Cayambe unfern Quito in einem abgestumpften Kegel erhebt, bildet den
Hintergrund der Landschaft, während man auf dem Vordergrunde den Boden mit einer unendlichen Fülle von
baumartigen Farren, Heliconien und Passifloren, welche die Bäume bis zum Gipfel umranken, überwuchert
sieht. Es ist ein grosser Vorzug Ihres Werkes, dass Sie durch die Sorgfalt eines ausgezeichneten Botanikers,
meines Freundes und Collegen an der Berliner Academie, Dr. Klotzsch, im Stande gewesen sind, mit Genauigkeit
die botanischen Namen einer grossen Anzahl von Species Ihren mahlerischen Ansichten beizufügen. Als Director
der grossen Sammlungen des Königlichen Herbariums hat dieser Gelehrte Bonpland's und meine Mittheilungen
über die Angabe der Localitäten wie Kunth's Beschreibungen in unsern Nora Genera et Species Plantarum zu
Rathe ziehen können. Durch eine Lichtung des Waldes wird in Ihrer schönen Zeichnung die grosse
Schneemasse des Tolima am Horizonte sichtbar; sie hebt sich vom Blau des Himmels in einer täuschenden
Nähe ab. Der Vulcan Tolima hat durch einen furchtbaren Ausbruch vom 12 März 1595 die ganze Provinz
Mariquita verwüstet. Seit dieser Zeit schien er erloschen. Der berühmte Chemiker Boussingault in Begleitung
des Botanikers Goudot hat ihn bis zu einer Höhe von 13248 Fuss erstiegen, um die Zusammensetzung der
aus den Spalten des trachytischen Gesteins, welches aus einer Formation von Glimmer- und Hornblendeschiefer
hervortritt, aufsteigende Dämpfe zu erforschen. Vor wenigen Jahren ist der Vulcan von neuem in Thätigkeit
gewesen. Er verdiente um so mehr eine Stelle in Ihrem Werke, und in meinen Vues des Cordilleres, als er mir
der höchste Gipfel der ganzen nördlichen Hemisphäre der neuen Welt zu sein scheint. Nach der von mir
im Thale von Carvajal westlich von Ibague angestellten trigonometrischen Messung ist der Tolima 17010
Fuss hoch also 384 Fuss höher, als der grosse mexicanische Vulcan Popocatepetl.

Indem ich mit Ihnen, von der Höhe der Cordilleren, in die Tiefländer des Magdalenenthales hinab-
steige, gereicht es mir zur grossen Freude, Ihnen dasselbe Zeugniss der Naturwahrheit und des Talentes, den
landschaftlichen Character aufzufassen, geben zu können. Da meine lästige Fahrt auf diessem grossen Strome
56 Tage währte, so habe ich Zeit gehabt die Vertheilung der Pflanzen an demselben kennen zu lernen.

Das aufrichtige Interesse, welches ich für Sie hege, veranlasst mich Ihnen zu rathen, Ihren interessanten
Zeichnungen, gleichviel in welcher Manier radirt oder lithographirt, jenen skizzenartigen Character zu lassen,
der ihnen ursprünglich eigen ist. Alles, was man später zu Gegenständen hinzufügt, die man in einer
glücklichen Stimmung aufgefasst hat, raubt der Zeichnung etwas von ihrer Lebendigkeit. Ich will nicht damit
sagen, als ob nicht die technische Vollendung einer sorgfältigen Zeichnung an Ort und Stelle die Wirkung
und Treue des landschaftlichen Characters vermehren könne; aber ein Reisender auf schneller Wanderung
durch schwer zugängliche Gegenden ist selten in der Lage, mit Ruhe vollenden zu können. Reisen in einen
schönen Theil des Orients, die Sie vor Ihrer Fahrt nach Neu-Granada zu machen so glücklich gewesen sind,
waren für Sie eine treffliche Vorbereitung, mit Talent in verschiedenen Erd-Zonen den Natur-Character der
Formen aufzufassen, welche die wahren Elemente der Schönheit einer Landschaft sind.

heissen Regionen der Isla de Pinos, südlich von Cuba, und in dem Pinal del Cayo de Moya nördlich von Cuba,
wie schon Columbus in seinem Reisetagebuche vom Monat November 1492 ‘mit Erstaunen' bemerkt Typen,
welche wir nördliche nennen, indem wir sie ausschliesslich den kalten oder gemässigten Gegenden zuschreiben,
wiederholen sich in den tropischen Gegenden Amerika's und des Indischen Archipels mit demselben Habitus,
aber in ganz verschiedenen Arten. Grade dieser Umstand hat mich in einem meiner frühesten Werke zu dem
Ausspruche veranlasst, dass es dem unter dem Æquator lebenden Menschen, wo Klimate und Hochebenen
gleichsam schichtenweise über einander gelagert erscheinen, gegeben ist, alle am Himmelsgewölbe glänzenden
Sterne und fast alle Formen der Pflanzenwelt mit einem Blicke zu umfassen.

Die Ansicht des Vulcans von Tolima, welche man auf mehreren Punkten des östlichen Theiles des Quindiù
geniesst, hat zu einem Ihrer pittoreskesten Bilder (auf Blatt III.) Veranlassung gegeben. Der sehr regelmässig
geformte Vulcan, welcher sich wie der Cayambé unfern Quito in einem abgestumpften Kegel erhebt, bildet den
Hintergrund der Landschaft, während man auf dem Vordergrunde den Boden mit einer unendlichen Fülle von
baumartigen Farren, Heliconien und Passifloren, welche die Bäume bis zum Gipfel umranken, überwuchert
sieht. Es ist ein grosser Vorzug Ihres Werkes, dass Sie durch die Sorgfalt eines ausgezeichneten Botanikers,
meines Freundes und Collegen an der Berliner Academie, Dr. Klotzsch, im Stande gewesen sind, mit Genauigkeit
die botanischen Namen einer grossen Anzahl von Species Ihren mahlerischen Ansichten beizufügen. Als Director
der grossen Sammlungen des Königlichen Herbariums hat dieser Gelehrte Bonpland's und meine Mittheilungen
über die Angabe der Localitäten wie Kunth's Beschreibungen in unsern Nora Genera et Species Plantarum zu
Rathe ziehen können. Durch eine Lichtung des Waldes wird in Ihrer schönen Zeichnung die grosse
Schneemasse des Tolima am Horizonte sichtbar; sie hebt sich vom Blau des Himmels in einer täuschenden
Nähe ab. Der Vulcan Tolima hat durch einen furchtbaren Ausbruch vom 12 März 1595 die ganze Provinz
Mariquita verwüstet. Seit dieser Zeit schien er erloschen. Der berühmte Chemiker Boussingault in Begleitung
des Botanikers Goudot hat ihn bis zu einer Höhe von 13248 Fuss erstiegen, um die Zusammensetzung der
aus den Spalten des trachytischen Gesteins, welches aus einer Formation von Glimmer- und Hornblendeschiefer
hervortritt, aufsteigende Dämpfe zu erforschen. Vor wenigen Jahren ist der Vulcan von neuem in Thätigkeit
gewesen. Er verdiente um so mehr eine Stelle in Ihrem Werke, und in meinen Vues des Cordillères, als er mir
der höchste Gipfel der ganzen nördlichen Hemisphäre der neuen Welt zu sein scheint. Nach der von mir
im Thale von Carvajal westlich von Ibagué angestellten trigonometrischen Messung ist der Tolima 17010
Fuss hoch also 384 Fuss höher, als der grosse mexicanische Vulcan Popocatepetl.

Indem ich mit Ihnen, von der Höhe der Cordilleren, in die Tiefländer des Magdalenenthales hinab-
steige, gereicht es mir zur grossen Freude, Ihnen dasselbe Zeugniss der Naturwahrheit und des Talentes, den
landschaftlichen Character aufzufassen, geben zu können. Da meine lästige Fahrt auf diessem grossen Strome
56 Tage währte, so habe ich Zeit gehabt die Vertheilung der Pflanzen an demselben kennen zu lernen.

Das aufrichtige Interesse, welches ich für Sie hege, veranlasst mich Ihnen zu rathen, Ihren interessanten
Zeichnungen, gleichviel in welcher Manier radirt oder lithographirt, jenen skizzenartigen Character zu lassen,
der ihnen ursprünglich eigen ist. Alles, was man später zu Gegenständen hinzufügt, die man in einer
glücklichen Stimmung aufgefasst hat, raubt der Zeichnung etwas von ihrer Lebendigkeit. Ich will nicht damit
sagen, als ob nicht die technische Vollendung einer sorgfältigen Zeichnung an Ort und Stelle die Wirkung
und Treue des landschaftlichen Characters vermehren könne; aber ein Reisender auf schneller Wanderung
durch schwer zugängliche Gegenden ist selten in der Lage, mit Ruhe vollenden zu können. Reisen in einen
schönen Theil des Orients, die Sie vor Ihrer Fahrt nach Neu-Granada zu machen so glücklich gewesen sind,
waren für Sie eine treffliche Vorbereitung, mit Talent in verschiedenen Erd-Zonen den Natur-Character der
Formen aufzufassen, welche die wahren Elemente der Schönheit einer Landschaft sind.

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[ii/0002] heissen Regionen der Isla de Pinos, südlich von Cuba, und in dem Pinal del Cayo de Moya nördlich von Cuba, wie schon Columbus in seinem Reisetagebuche vom Monat November 1492 ‘mit Erstaunen' bemerkt Typen, welche wir nördliche nennen, indem wir sie ausschliesslich den kalten oder gemässigten Gegenden zuschreiben, wiederholen sich in den tropischen Gegenden Amerika's und des Indischen Archipels mit demselben Habitus, aber in ganz verschiedenen Arten. Grade dieser Umstand hat mich in einem meiner frühesten Werke zu dem Ausspruche veranlasst, dass es dem unter dem Æquator lebenden Menschen, wo Klimate und Hochebenen gleichsam schichtenweise über einander gelagert erscheinen, gegeben ist, alle am Himmelsgewölbe glänzenden Sterne und fast alle Formen der Pflanzenwelt mit einem Blicke zu umfassen. Die Ansicht des Vulcans von Tolima, welche man auf mehreren Punkten des östlichen Theiles des Quindiù geniesst, hat zu einem Ihrer pittoreskesten Bilder (auf Blatt III.) Veranlassung gegeben. Der sehr regelmässig geformte Vulcan, welcher sich wie der Cayambé unfern Quito in einem abgestumpften Kegel erhebt, bildet den Hintergrund der Landschaft, während man auf dem Vordergrunde den Boden mit einer unendlichen Fülle von baumartigen Farren, Heliconien und Passifloren, welche die Bäume bis zum Gipfel umranken, überwuchert sieht. Es ist ein grosser Vorzug Ihres Werkes, dass Sie durch die Sorgfalt eines ausgezeichneten Botanikers, meines Freundes und Collegen an der Berliner Academie, Dr. Klotzsch, im Stande gewesen sind, mit Genauigkeit die botanischen Namen einer grossen Anzahl von Species Ihren mahlerischen Ansichten beizufügen. Als Director der grossen Sammlungen des Königlichen Herbariums hat dieser Gelehrte Bonpland's und meine Mittheilungen über die Angabe der Localitäten wie Kunth's Beschreibungen in unsern Nora Genera et Species Plantarum zu Rathe ziehen können. Durch eine Lichtung des Waldes wird in Ihrer schönen Zeichnung die grosse Schneemasse des Tolima am Horizonte sichtbar; sie hebt sich vom Blau des Himmels in einer täuschenden Nähe ab. Der Vulcan Tolima hat durch einen furchtbaren Ausbruch vom 12 März 1595 die ganze Provinz Mariquita verwüstet. Seit dieser Zeit schien er erloschen. Der berühmte Chemiker Boussingault in Begleitung des Botanikers Goudot hat ihn bis zu einer Höhe von 13248 Fuss erstiegen, um die Zusammensetzung der aus den Spalten des trachytischen Gesteins, welches aus einer Formation von Glimmer- und Hornblendeschiefer hervortritt, aufsteigende Dämpfe zu erforschen. Vor wenigen Jahren ist der Vulcan von neuem in Thätigkeit gewesen. Er verdiente um so mehr eine Stelle in Ihrem Werke, und in meinen Vues des Cordillères, als er mir der höchste Gipfel der ganzen nördlichen Hemisphäre der neuen Welt zu sein scheint. Nach der von mir im Thale von Carvajal westlich von Ibagué angestellten trigonometrischen Messung ist der Tolima 17010 Fuss hoch also 384 Fuss höher, als der grosse mexicanische Vulcan Popocatepetl. Indem ich mit Ihnen, von der Höhe der Cordilleren, in die Tiefländer des Magdalenenthales hinab- steige, gereicht es mir zur grossen Freude, Ihnen dasselbe Zeugniss der Naturwahrheit und des Talentes, den landschaftlichen Character aufzufassen, geben zu können. Da meine lästige Fahrt auf diessem grossen Strome 56 Tage währte, so habe ich Zeit gehabt die Vertheilung der Pflanzen an demselben kennen zu lernen. Das aufrichtige Interesse, welches ich für Sie hege, veranlasst mich Ihnen zu rathen, Ihren interessanten Zeichnungen, gleichviel in welcher Manier radirt oder lithographirt, jenen skizzenartigen Character zu lassen, der ihnen ursprünglich eigen ist. Alles, was man später zu Gegenständen hinzufügt, die man in einer glücklichen Stimmung aufgefasst hat, raubt der Zeichnung etwas von ihrer Lebendigkeit. Ich will nicht damit sagen, als ob nicht die technische Vollendung einer sorgfältigen Zeichnung an Ort und Stelle die Wirkung und Treue des landschaftlichen Characters vermehren könne; aber ein Reisender auf schneller Wanderung durch schwer zugängliche Gegenden ist selten in der Lage, mit Ruhe vollenden zu können. Reisen in einen schönen Theil des Orients, die Sie vor Ihrer Fahrt nach Neu-Granada zu machen so glücklich gewesen sind, waren für Sie eine treffliche Vorbereitung, mit Talent in verschiedenen Erd-Zonen den Natur-Character der Formen aufzufassen, welche die wahren Elemente der Schönheit einer Landschaft sind. Potsdam, Mai, 1853.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Auszug aus einem Briefe Alexanders von Humboldt an den Verfasser. In: Berg, Albert: Physiognomie der tropischen Vegetation Süd-Americas. Düsseldorf, 1854, S. [i]-ii, S. ii. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_berg_1854/2>, abgerufen am 29.03.2024.