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Humboldt, Alexander von: [Erwiderung auf Carl Ritters Ansprache bei dem Fest zum 40. Jahrestag der Rückkehr aus Amerika]. In: Magazin für die Literatur des Auslandes, Bd. 26, Nr. 103 (1844), S. 412.

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Mannigfaltiges.

-- Alex. von Humboldt's Dankesworte. Wir haben kürzlich
des Festes erwähnt, das die Berliner Akademie der Wissenschaften zur Erinne-
rung an den Tag veranstaltet hatte, an welchem Alexander von Humboldt
vor vierzig Jahren, von seinen großen Reisen zurückkehrend, den europäischen
Boden wieder betrat. Die Dankesworte, die der Gefeierte bei dieser Gelegen-
heit an seine akademischen Kollegen richtete, sind, so viel uns bekannt, durch
die in den Zeitungen erschienenen Relationen über jenes Fest nicht veröffent-
licht worden; sie sind jedoch nicht bloß für jenen gelehrten Kreis, sondern für
Jeden von Interesse, der an der Wissenschaft und dem deutschen Geistesleben
Theil nimmt; deshalb theilen wir diese uns von freundlicher Hand zugegan-
genen Worte hier mit:

"Die Freundschaft hat ein Gedächtniß für Zeitepochen, die uns selbst,
am späten Lebensabend, wie in fernen Nebel gehüllt erscheinen.

"Die Freundschaft hat auch ihre Mythen, die sie sinnig zu deuten ver-
steht, denen sie unvorsichtig und liebevoll ihren Glauben schenkt. Sie nimmt
Bestrebungen für Thaten, rohe Entwürfe für Vollendung: sie schreibt dem
Einzelnen zu, was dem Ganzen gehört, und der mächtigen Zeit, die den
Einzelnen getragen, was den begabteren Mitkämpfern gehört, die, wie Sie,
meine theuren Kollegen und Freunde, nach so vielen Richtungen hin, die Bahn
dem Forschenden bezeichnet haben.

"Das Gefühl eines solchen Gemeinguts der Intelligenz durchdringt mit
belebender Kraft. Es knüpft fester und fester die Bande, welche im hoffenden
Alter dem Universitäts-Leben, später den Akademieen, jenen ernsten, freien
Institutionen, die dem wissenschaftlichen Streben ausschließlich gewidmet sind,
einen so eigenthümlichen Reiz gewähren.

"Der Tag, an dem ich ein unerwartetes Zeichen der Erinnerung und
eines liebevollen Sinnes von Ihnen empfange, erneuert in mir ein frohes
Bewußtseyn, eine alte Ueberzeugung. Da, wo ungetrübt die Quelle der
Erkenntniß fließt, werden auch die Regungen des Gefühls ein Bedürfniß
geistiger Existenz. Durch die stille Macht dieser Ueberzeugung angetrieben,
biete ich Ihnen dar, was auf allen Stufen des Lebens und seiner vielfachen
Enttäuschungen im Menschen das Menschlichste ist, den Ausdruck tiefempfun-
denen Dankes.

A. v. Humboldt."
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Mannigfaltiges.

Alex. von Humboldt's Dankesworte. Wir haben kürzlich
des Feſtes erwähnt, das die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften zur Erinne-
rung an den Tag veranſtaltet hatte, an welchem Alexander von Humboldt
vor vierzig Jahren, von ſeinen großen Reiſen zurückkehrend, den europäiſchen
Boden wieder betrat. Die Dankesworte, die der Gefeierte bei dieſer Gelegen-
heit an ſeine akademiſchen Kollegen richtete, ſind, ſo viel uns bekannt, durch
die in den Zeitungen erſchienenen Relationen über jenes Feſt nicht veröffent-
licht worden; ſie ſind jedoch nicht bloß für jenen gelehrten Kreis, ſondern für
Jeden von Intereſſe, der an der Wiſſenſchaft und dem deutſchen Geiſtesleben
Theil nimmt; deshalb theilen wir dieſe uns von freundlicher Hand zugegan-
genen Worte hier mit:

„Die Freundſchaft hat ein Gedächtniß für Zeitepochen, die uns ſelbſt,
am ſpäten Lebensabend, wie in fernen Nebel gehüllt erſcheinen.

„Die Freundſchaft hat auch ihre Mythen, die ſie ſinnig zu deuten ver-
ſteht, denen ſie unvorſichtig und liebevoll ihren Glauben ſchenkt. Sie nimmt
Beſtrebungen für Thaten, rohe Entwürfe für Vollendung: ſie ſchreibt dem
Einzelnen zu, was dem Ganzen gehört, und der mächtigen Zeit, die den
Einzelnen getragen, was den begabteren Mitkämpfern gehört, die, wie Sie,
meine theuren Kollegen und Freunde, nach ſo vielen Richtungen hin, die Bahn
dem Forſchenden bezeichnet haben.

„Das Gefühl eines ſolchen Gemeinguts der Intelligenz durchdringt mit
belebender Kraft. Es knüpft feſter und feſter die Bande, welche im hoffenden
Alter dem Univerſitäts-Leben, ſpäter den Akademieen, jenen ernſten, freien
Inſtitutionen, die dem wiſſenſchaftlichen Streben ausſchließlich gewidmet ſind,
einen ſo eigenthümlichen Reiz gewähren.

„Der Tag, an dem ich ein unerwartetes Zeichen der Erinnerung und
eines liebevollen Sinnes von Ihnen empfange, erneuert in mir ein frohes
Bewußtſeyn, eine alte Ueberzeugung. Da, wo ungetrübt die Quelle der
Erkenntniß fließt, werden auch die Regungen des Gefühls ein Bedürfniß
geiſtiger Exiſtenz. Durch die ſtille Macht dieſer Ueberzeugung angetrieben,
biete ich Ihnen dar, was auf allen Stufen des Lebens und ſeiner vielfachen
Enttäuſchungen im Menſchen das Menſchlichſte iſt, den Ausdruck tiefempfun-
denen Dankes.

A. v. Humboldt.“
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[412/0002] ________________________________________________________________________________ __ Mannigfaltiges. — Alex. von Humboldt's Dankesworte. Wir haben kürzlich des Feſtes erwähnt, das die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften zur Erinne- rung an den Tag veranſtaltet hatte, an welchem Alexander von Humboldt vor vierzig Jahren, von ſeinen großen Reiſen zurückkehrend, den europäiſchen Boden wieder betrat. Die Dankesworte, die der Gefeierte bei dieſer Gelegen- heit an ſeine akademiſchen Kollegen richtete, ſind, ſo viel uns bekannt, durch die in den Zeitungen erſchienenen Relationen über jenes Feſt nicht veröffent- licht worden; ſie ſind jedoch nicht bloß für jenen gelehrten Kreis, ſondern für Jeden von Intereſſe, der an der Wiſſenſchaft und dem deutſchen Geiſtesleben Theil nimmt; deshalb theilen wir dieſe uns von freundlicher Hand zugegan- genen Worte hier mit: „Die Freundſchaft hat ein Gedächtniß für Zeitepochen, die uns ſelbſt, am ſpäten Lebensabend, wie in fernen Nebel gehüllt erſcheinen. „Die Freundſchaft hat auch ihre Mythen, die ſie ſinnig zu deuten ver- ſteht, denen ſie unvorſichtig und liebevoll ihren Glauben ſchenkt. Sie nimmt Beſtrebungen für Thaten, rohe Entwürfe für Vollendung: ſie ſchreibt dem Einzelnen zu, was dem Ganzen gehört, und der mächtigen Zeit, die den Einzelnen getragen, was den begabteren Mitkämpfern gehört, die, wie Sie, meine theuren Kollegen und Freunde, nach ſo vielen Richtungen hin, die Bahn dem Forſchenden bezeichnet haben. „Das Gefühl eines ſolchen Gemeinguts der Intelligenz durchdringt mit belebender Kraft. Es knüpft feſter und feſter die Bande, welche im hoffenden Alter dem Univerſitäts-Leben, ſpäter den Akademieen, jenen ernſten, freien Inſtitutionen, die dem wiſſenſchaftlichen Streben ausſchließlich gewidmet ſind, einen ſo eigenthümlichen Reiz gewähren. „Der Tag, an dem ich ein unerwartetes Zeichen der Erinnerung und eines liebevollen Sinnes von Ihnen empfange, erneuert in mir ein frohes Bewußtſeyn, eine alte Ueberzeugung. Da, wo ungetrübt die Quelle der Erkenntniß fließt, werden auch die Regungen des Gefühls ein Bedürfniß geiſtiger Exiſtenz. Durch die ſtille Macht dieſer Ueberzeugung angetrieben, biete ich Ihnen dar, was auf allen Stufen des Lebens und ſeiner vielfachen Enttäuſchungen im Menſchen das Menſchlichſte iſt, den Ausdruck tiefempfun- denen Dankes. „Den 5. Auguſt 1844. A. v. Humboldt.“ __________________________________________

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: [Erwiderung auf Carl Ritters Ansprache bei dem Fest zum 40. Jahrestag der Rückkehr aus Amerika]. In: Magazin für die Literatur des Auslandes, Bd. 26, Nr. 103 (1844), S. 412, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_erwiderung_1844/2>, abgerufen am 18.04.2024.