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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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einen totalen Umschwung in der Stimmung des gebildeten
deutschen Publicums gegenüber der Revolution und allen irgend-
wie mit ihr verwandten Ideen bewirkte. Die vorliegende
Schrift, eine so grosse Selbständigkeit des Gedankens sie
auch zeigt, wurzelt doch sehr bestimmt in dem Gefühle warmer
Bewunderung für die in Frankreich zum Durchbruche gekom-
menen Ideen. Sie zeigt den Verfasser, wie Stolberg in jenen
Jahren von ihm sagte, "getroffen von dem Gifthauche des
Genius der Zeit." Es konnte daher die Veröffentlichung der-
selben schwerlich mehr angemessen erscheinen, nachdem die
Gesinnung, auf der sie beruhte und die sie nothwendig auch
bei den Lesern voraussetzte, fast überall in das Gegentheil
umgeschlagen war. -- So erklärt sich das Loos dieser Schrift,
deren Verbreitung ihrem Verfasser anfangs so sehr am Herzen
gelegen hatte und von der er noch, als er im Begriffe war, ihr für
immer den Rücken zu wenden, so günstig urtheilte.

Von den Umständen, die sie jetzt, nachdem sie mehr als
ein halbes Jahrhundert im Dunkel gelegen, an das Licht der
Oeffentlichkeit fördern, ist nicht viel zu sagen. Es hat sich
uns aus Humboldts Briefen ergeben, dass die Schrift in zwei
Exemplaren vorhanden war, von denen sich während des Som-
mers 1792 das eine, das Original, in Schillers, das andre, eine
Abschrift, in Biesters Händen befand. Ueber die Schicksale
dieser Abschrift wissen wir nichts anzugeben, als dass sie an
Humboldt zurückgekommen und dann abermals von ihm ver-
liehen worden ist. [Vergl. die Briefe an Schiller vom 7. Decbr.
1792 und vom 18. Jan. 1793.] Das Original aber, um dessen
Rücksendung Humboldt Schiller'n in dem Briefe vom 14. Jan.
1793 bittet, ist ebenfalls wieder in seine Hände gelangt, und
es ist in seinem Besitze geblieben. In Ottmachau, jener schönen
Besitzung in Schlesien, die Humboldt als Nationalbelohnung
für die unsterblichen Verdienste erhielt, die er sich um die
Wiederherstellung des Staates nach dem Falle von 1806 erwor-

einen totalen Umschwung in der Stimmung des gebildeten
deutschen Publicums gegenüber der Revolution und allen irgend-
wie mit ihr verwandten Ideen bewirkte. Die vorliegende
Schrift, eine so grosse Selbständigkeit des Gedankens sie
auch zeigt, wurzelt doch sehr bestimmt in dem Gefühle warmer
Bewunderung für die in Frankreich zum Durchbruche gekom-
menen Ideen. Sie zeigt den Verfasser, wie Stolberg in jenen
Jahren von ihm sagte, „getroffen von dem Gifthauche des
Genius der Zeit.“ Es konnte daher die Veröffentlichung der-
selben schwerlich mehr angemessen erscheinen, nachdem die
Gesinnung, auf der sie beruhte und die sie nothwendig auch
bei den Lesern voraussetzte, fast überall in das Gegentheil
umgeschlagen war. — So erklärt sich das Loos dieser Schrift,
deren Verbreitung ihrem Verfasser anfangs so sehr am Herzen
gelegen hatte und von der er noch, als er im Begriffe war, ihr für
immer den Rücken zu wenden, so günstig urtheilte.

Von den Umständen, die sie jetzt, nachdem sie mehr als
ein halbes Jahrhundert im Dunkel gelegen, an das Licht der
Oeffentlichkeit fördern, ist nicht viel zu sagen. Es hat sich
uns aus Humboldts Briefen ergeben, dass die Schrift in zwei
Exemplaren vorhanden war, von denen sich während des Som-
mers 1792 das eine, das Original, in Schillers, das andre, eine
Abschrift, in Biesters Händen befand. Ueber die Schicksale
dieser Abschrift wissen wir nichts anzugeben, als dass sie an
Humboldt zurückgekommen und dann abermals von ihm ver-
liehen worden ist. [Vergl. die Briefe an Schiller vom 7. Decbr.
1792 und vom 18. Jan. 1793.] Das Original aber, um dessen
Rücksendung Humboldt Schiller’n in dem Briefe vom 14. Jan.
1793 bittet, ist ebenfalls wieder in seine Hände gelangt, und
es ist in seinem Besitze geblieben. In Ottmachau, jener schönen
Besitzung in Schlesien, die Humboldt als Nationalbelohnung
für die unsterblichen Verdienste erhielt, die er sich um die
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[XII/0020] einen totalen Umschwung in der Stimmung des gebildeten deutschen Publicums gegenüber der Revolution und allen irgend- wie mit ihr verwandten Ideen bewirkte. Die vorliegende Schrift, eine so grosse Selbständigkeit des Gedankens sie auch zeigt, wurzelt doch sehr bestimmt in dem Gefühle warmer Bewunderung für die in Frankreich zum Durchbruche gekom- menen Ideen. Sie zeigt den Verfasser, wie Stolberg in jenen Jahren von ihm sagte, „getroffen von dem Gifthauche des Genius der Zeit.“ Es konnte daher die Veröffentlichung der- selben schwerlich mehr angemessen erscheinen, nachdem die Gesinnung, auf der sie beruhte und die sie nothwendig auch bei den Lesern voraussetzte, fast überall in das Gegentheil umgeschlagen war. — So erklärt sich das Loos dieser Schrift, deren Verbreitung ihrem Verfasser anfangs so sehr am Herzen gelegen hatte und von der er noch, als er im Begriffe war, ihr für immer den Rücken zu wenden, so günstig urtheilte. Von den Umständen, die sie jetzt, nachdem sie mehr als ein halbes Jahrhundert im Dunkel gelegen, an das Licht der Oeffentlichkeit fördern, ist nicht viel zu sagen. Es hat sich uns aus Humboldts Briefen ergeben, dass die Schrift in zwei Exemplaren vorhanden war, von denen sich während des Som- mers 1792 das eine, das Original, in Schillers, das andre, eine Abschrift, in Biesters Händen befand. Ueber die Schicksale dieser Abschrift wissen wir nichts anzugeben, als dass sie an Humboldt zurückgekommen und dann abermals von ihm ver- liehen worden ist. [Vergl. die Briefe an Schiller vom 7. Decbr. 1792 und vom 18. Jan. 1793.] Das Original aber, um dessen Rücksendung Humboldt Schiller’n in dem Briefe vom 14. Jan. 1793 bittet, ist ebenfalls wieder in seine Hände gelangt, und es ist in seinem Besitze geblieben. In Ottmachau, jener schönen Besitzung in Schlesien, die Humboldt als Nationalbelohnung für die unsterblichen Verdienste erhielt, die er sich um die Wiederherstellung des Staates nach dem Falle von 1806 erwor-

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/20>, abgerufen am 25.04.2024.