Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Kunstausdrucke, zur wissenschaftlichen Bezeichnung der Wohlgeordnetheit der Welt, ja der ganzen Masse des Raum-Erfüllenden, d. i. des Weltalls selbst, umgeprägt ward.

Bei der Schwierigkeit, in der steten Veränderlichkeit irdischer Erscheinungen das Geregelte oder Gesetzliche zu erkennen, wurde der Geist der Menschen vorzugsweise und früh von der gleichförmigen, harmonischen Bewegung der Himmelskörper angezogen. Nach dem Zeugnisse des Philolaus, dessen ächte Bruchstücke Böckh so geistreich bearbeitet hat, nach dem einstimmigen Zeugniß des ganzen Alterthums9 hat Pythagoras zuerst das Wort Kosmos für Weltordnung, Welt und Himmelsraum gebraucht. Aus der philosophischen italischen Schule ist das Wort in die Sprache der Dichter der Natur (Parmenides und Empedokles), später endlich und langsamer in die Prosaiker übergegangen. Daß, nach pythagoreischen Ansichten, dasselbe Wort in der Mehrzahl bisweilen auch auf einzelne Weltkörper (Planeten), die um den Heerd der Welt eine kreisförmige Bahn beschreiben, oder auf Gruppen von Gestirnen (Weltinseln) angewendet wurde, ja daß Philolaus sogar einmal Olymp, Kosmos und Uranos unterscheidet, ist hier nicht zu erörtern. In meinem Entwurfe einer Weltbeschreibung ist Kosmos, wie der allgemeinste Gebrauch in der nach-pythagoreischen Zeit es gebietet und wie der unbekannte Verfasser des Buches de Mundo, das lange dem Aristoteles zugeschrieben wurde, das Wort definirt hat, für den Inbegriff von Himmel und Erde, für die ganze Körperwelt genommen. Durch Nachahmungssucht der spät philosophirenden Römer wurde das Wort mundus, welches bei ihnen Schmuck, nicht einmal Ordnung, bezeichnete,

Kunstausdrucke, zur wissenschaftlichen Bezeichnung der Wohlgeordnetheit der Welt, ja der ganzen Masse des Raum-Erfüllenden, d. i. des Weltalls selbst, umgeprägt ward.

Bei der Schwierigkeit, in der steten Veränderlichkeit irdischer Erscheinungen das Geregelte oder Gesetzliche zu erkennen, wurde der Geist der Menschen vorzugsweise und früh von der gleichförmigen, harmonischen Bewegung der Himmelskörper angezogen. Nach dem Zeugnisse des Philolaus, dessen ächte Bruchstücke Böckh so geistreich bearbeitet hat, nach dem einstimmigen Zeugniß des ganzen Alterthums9 hat Pythagoras zuerst das Wort Kosmos für Weltordnung, Welt und Himmelsraum gebraucht. Aus der philosophischen italischen Schule ist das Wort in die Sprache der Dichter der Natur (Parmenides und Empedokles), später endlich und langsamer in die Prosaiker übergegangen. Daß, nach pythagoreischen Ansichten, dasselbe Wort in der Mehrzahl bisweilen auch auf einzelne Weltkörper (Planeten), die um den Heerd der Welt eine kreisförmige Bahn beschreiben, oder auf Gruppen von Gestirnen (Weltinseln) angewendet wurde, ja daß Philolaus sogar einmal Olymp, Kosmos und Uranos unterscheidet, ist hier nicht zu erörtern. In meinem Entwurfe einer Weltbeschreibung ist Kosmos, wie der allgemeinste Gebrauch in der nach-pythagoreischen Zeit es gebietet und wie der unbekannte Verfasser des Buches de Mundo, das lange dem Aristoteles zugeschrieben wurde, das Wort definirt hat, für den Inbegriff von Himmel und Erde, für die ganze Körperwelt genommen. Durch Nachahmungssucht der spät philosophirenden Römer wurde das Wort mundus, welches bei ihnen Schmuck, nicht einmal Ordnung, bezeichnete,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="62"/>
Kunstausdrucke, zur wissenschaftlichen Bezeichnung der <hi rendition="#g">Wohlgeordnetheit der Welt,</hi> ja der ganzen Masse des Raum-Erfüllenden, d. i. des <hi rendition="#g">Weltalls</hi> selbst, umgeprägt ward.</p>
          <p>Bei der Schwierigkeit, in der steten Veränderlichkeit irdischer Erscheinungen das Geregelte oder Gesetzliche zu erkennen, wurde der Geist der Menschen vorzugsweise und früh von der gleichförmigen, harmonischen Bewegung der Himmelskörper angezogen. Nach dem Zeugnisse des Philolaus, dessen ächte Bruchstücke Böckh so geistreich bearbeitet hat, nach dem einstimmigen Zeugniß des ganzen Alterthums<note xml:id="ftn27" next="ftn27-text" place="end" n="9"/> hat Pythagoras zuerst das Wort <hi rendition="#g">Kosmos</hi> für <hi rendition="#g">Weltordnung,  Welt</hi> und <hi rendition="#g">Himmelsraum</hi> gebraucht. Aus der philosophischen italischen Schule ist das Wort in die Sprache der Dichter der Natur (Parmenides und Empedokles), später endlich und langsamer in die Prosaiker übergegangen. Daß, nach pythagoreischen Ansichten, dasselbe Wort in der Mehrzahl bisweilen auch auf einzelne <hi rendition="#g">Weltkörper</hi> (Planeten), die um den <hi rendition="#g">Heerd der Welt</hi> eine kreisförmige Bahn beschreiben, oder auf Gruppen von Gestirnen <hi rendition="#g">(Weltinseln)</hi> angewendet wurde, ja daß Philolaus sogar einmal <hi rendition="#g">Olymp, Kosmos</hi> und <hi rendition="#g">Uranos</hi> unterscheidet, ist hier nicht zu erörtern. In meinem Entwurfe einer Weltbeschreibung ist <hi rendition="#g">Kosmos,</hi> wie der allgemeinste Gebrauch in der nach-pythagoreischen Zeit es gebietet und wie der unbekannte Verfasser des Buches <hi rendition="#g">de Mundo,</hi> das lange dem Aristoteles zugeschrieben wurde, das Wort definirt hat, für den Inbegriff von Himmel und Erde, für die ganze Körperwelt genommen. Durch Nachahmungssucht der spät philosophirenden Römer wurde das Wort mundus, welches bei ihnen <hi rendition="#g">Schmuck,</hi> nicht einmal <hi rendition="#g">Ordnung,</hi> bezeichnete,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0081] Kunstausdrucke, zur wissenschaftlichen Bezeichnung der Wohlgeordnetheit der Welt, ja der ganzen Masse des Raum-Erfüllenden, d. i. des Weltalls selbst, umgeprägt ward. Bei der Schwierigkeit, in der steten Veränderlichkeit irdischer Erscheinungen das Geregelte oder Gesetzliche zu erkennen, wurde der Geist der Menschen vorzugsweise und früh von der gleichförmigen, harmonischen Bewegung der Himmelskörper angezogen. Nach dem Zeugnisse des Philolaus, dessen ächte Bruchstücke Böckh so geistreich bearbeitet hat, nach dem einstimmigen Zeugniß des ganzen Alterthums ⁹ hat Pythagoras zuerst das Wort Kosmos für Weltordnung, Welt und Himmelsraum gebraucht. Aus der philosophischen italischen Schule ist das Wort in die Sprache der Dichter der Natur (Parmenides und Empedokles), später endlich und langsamer in die Prosaiker übergegangen. Daß, nach pythagoreischen Ansichten, dasselbe Wort in der Mehrzahl bisweilen auch auf einzelne Weltkörper (Planeten), die um den Heerd der Welt eine kreisförmige Bahn beschreiben, oder auf Gruppen von Gestirnen (Weltinseln) angewendet wurde, ja daß Philolaus sogar einmal Olymp, Kosmos und Uranos unterscheidet, ist hier nicht zu erörtern. In meinem Entwurfe einer Weltbeschreibung ist Kosmos, wie der allgemeinste Gebrauch in der nach-pythagoreischen Zeit es gebietet und wie der unbekannte Verfasser des Buches de Mundo, das lange dem Aristoteles zugeschrieben wurde, das Wort definirt hat, für den Inbegriff von Himmel und Erde, für die ganze Körperwelt genommen. Durch Nachahmungssucht der spät philosophirenden Römer wurde das Wort mundus, welches bei ihnen Schmuck, nicht einmal Ordnung, bezeichnete,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/81
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/81>, abgerufen am 28.03.2024.