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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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verschiedenen geographischen Längen und Breiten sich die Oberfläche der geschmolzenen, flüssigen Masse befindet. Wo aber fängt eine solche Oberfläche an? giebt es nicht Mittelgrade zwischen vollkommener Starrheit und vollkommener Verschiebbarkeit der Theile? Uebergänge, die bei den Streitigkeiten über den Zustand der Zähigkeit einiger plutonischer und vulkanischer Gebirgs-Formationen, welche an die Oberfläche erhoben worden, so wie bei der Bewegung der Gletscher oft zur Sprache gekommen sind? Solche Mittelzustände entziehen sich einer mathematischen Betrachtung eben so sehr wie der Zustand des sogenannten flüssigen Inneren unter einer ungeheuren Compression. Wenn es schon an sich nicht ganz wahrscheinlich ist, daß die Wärme überall fortfahre mit der Tiefe in arithmetischer Progression zu wachsen, so können auch locale Zwischen-Störungen eintreten, z. B. durch unterirdische Becken (Höhlungen in der starren Masse), welche von Zeit zu Zeit von unten theilweise mit flüssiger Lava und darauf ruhenden Dämpfen angefüllt sind.41 Diese Höhlungen läßt schon der unsterbliche Verfasser der Protogäa eine Rolle spielen in der Theorie der abnehmenden Centralwärme: "Postremo credibile est contrahentem se refrigeratione crustam bullas reliquisse, ingentes pro rei magnitudine, id est sub vastis fornicibus cavitates."42 Je unwahrscheinlicher es ist, daß die Dicke der schon erstarrten Erdkruste in allen Gegenden dieselbe sei, desto wichtiger ist die Betrachtung der Zahl und der geographischen Lage der noch in historischen Zeiten geöffnet gewesenen Vulkane. Eine solche Betrachtung der Geographie der Vulkane kann nur durch oft erneuerte Versuche vervollkommnet werden.

verschiedenen geographischen Längen und Breiten sich die Oberfläche der geschmolzenen, flüssigen Masse befindet. Wo aber fängt eine solche Oberfläche an? giebt es nicht Mittelgrade zwischen vollkommener Starrheit und vollkommener Verschiebbarkeit der Theile? Uebergänge, die bei den Streitigkeiten über den Zustand der Zähigkeit einiger plutonischer und vulkanischer Gebirgs-Formationen, welche an die Oberfläche erhoben worden, so wie bei der Bewegung der Gletscher oft zur Sprache gekommen sind? Solche Mittelzustände entziehen sich einer mathematischen Betrachtung eben so sehr wie der Zustand des sogenannten flüssigen Inneren unter einer ungeheuren Compression. Wenn es schon an sich nicht ganz wahrscheinlich ist, daß die Wärme überall fortfahre mit der Tiefe in arithmetischer Progression zu wachsen, so können auch locale Zwischen-Störungen eintreten, z. B. durch unterirdische Becken (Höhlungen in der starren Masse), welche von Zeit zu Zeit von unten theilweise mit flüssiger Lava und darauf ruhenden Dämpfen angefüllt sind.41 Diese Höhlungen läßt schon der unsterbliche Verfasser der Protogäa eine Rolle spielen in der Theorie der abnehmenden Centralwärme: »Postremo credibile est contrahentem se refrigeratione crustam bullas reliquisse, ingentes pro rei magnitudine, id est sub vastis fornicibus cavitates.«42 Je unwahrscheinlicher es ist, daß die Dicke der schon erstarrten Erdkruste in allen Gegenden dieselbe sei, desto wichtiger ist die Betrachtung der Zahl und der geographischen Lage der noch in historischen Zeiten geöffnet gewesenen Vulkane. Eine solche Betrachtung der Geographie der Vulkane kann nur durch oft erneuerte Versuche vervollkommnet werden.

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[370/0375] verschiedenen geographischen Längen und Breiten sich die Oberfläche der geschmolzenen, flüssigen Masse befindet. Wo aber fängt eine solche Oberfläche an? giebt es nicht Mittelgrade zwischen vollkommener Starrheit und vollkommener Verschiebbarkeit der Theile? Uebergänge, die bei den Streitigkeiten über den Zustand der Zähigkeit einiger plutonischer und vulkanischer Gebirgs-Formationen, welche an die Oberfläche erhoben worden, so wie bei der Bewegung der Gletscher oft zur Sprache gekommen sind? Solche Mittelzustände entziehen sich einer mathematischen Betrachtung eben so sehr wie der Zustand des sogenannten flüssigen Inneren unter einer ungeheuren Compression. Wenn es schon an sich nicht ganz wahrscheinlich ist, daß die Wärme überall fortfahre mit der Tiefe in arithmetischer Progression zu wachsen, so können auch locale Zwischen-Störungen eintreten, z. B. durch unterirdische Becken (Höhlungen in der starren Masse), welche von Zeit zu Zeit von unten theilweise mit flüssiger Lava und darauf ruhenden Dämpfen angefüllt sind. ⁴¹ Diese Höhlungen läßt schon der unsterbliche Verfasser der Protogäa eine Rolle spielen in der Theorie der abnehmenden Centralwärme: »Postremo credibile est contrahentem se refrigeratione crustam bullas reliquisse, ingentes pro rei magnitudine, id est sub vastis fornicibus cavitates.« ⁴² Je unwahrscheinlicher es ist, daß die Dicke der schon erstarrten Erdkruste in allen Gegenden dieselbe sei, desto wichtiger ist die Betrachtung der Zahl und der geographischen Lage der noch in historischen Zeiten geöffnet gewesenen Vulkane. Eine solche Betrachtung der Geographie der Vulkane kann nur durch oft erneuerte Versuche vervollkommnet werden.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/375>, abgerufen am 28.03.2024.