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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.

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sichtbar wird. Ich habe zwei meiner Zeichnungen dieser Profile stechen lassen (Rose, Ural und Altai S. 611-613). Renovantz und Hermann haben dieselbe geologische Erscheinung vor uns gesehen52; der Letztere aber scheint, wahrscheinlich aus Ehrerbietung vor der Uranfänglichkeit des Granits, fast an dem zu zweifeln, was er gesehen. Stundenlang ist bei der Flußschifffahrt die Ueberlagerung des in Bänke abgetheilten Granits über den fast senkrecht einschießenden Thonschiefer deutlich sichtbar. Mein Reisebegleiter Gustav Rose sagt sehr wahr in seinem Tagebuche53: "Der Thonschiefer hat unter dem fast horizontalen Granite eine wellige Oberfläche; erhebt sich bisweilen wohl 50 Fuß über den Wasserspiegel des Irtysch, bald senkt er sich bis auf einige Fuß zum Wasser herab: und die ganze Auflagerung würde bei einem etwas höheren Stande des Wasserspiegels gar nicht zu sehen sein. Alle diese wichtigen geologischen Erscheinungen sind nur sichtbar in dem rechten Irtysch-Ufer; das linke Ufer, gleich steil und hoch, bestand nur aus Thonschiefer, ohne weder Ueberlagerungen noch Granitgänge im Thonschiefer zu zeigen. Wäre der Fluß nicht da, um das Bette einzuschneiden an der Grenze der beiden Gebirgsarten, so wäre hier das ganze Phänomen unbekannt geblieben." Nach der Mitte des Weges von Buchtarminsk nach Ust-Kamenogorsk hören die Granitfelsen und -Kuppen ganz auf sichtbar zu werden. Der Thonschiefer: welcher nach Gebler's gründlichen Untersuchungen in Chlorit und Talkschiefer umgewandelt wird zwischen den Flüssen Aigert, Topolowka und Akem; nimmt sowohl in Norden als in Süden der ätnahohen Gipfel von Katunia und Belucha eine Area von 160 geographischen Quadratmeilen, also einen 21/2 mal größeren Flächenraum als das ganze Harzgebirge, ein.54 Zu derselben

sichtbar wird. Ich habe zwei meiner Zeichnungen dieser Profile stechen lassen (Rose, Ural und Altai S. 611–613). Renovantz und Hermann haben dieselbe geologische Erscheinung vor uns gesehen52; der Letztere aber scheint, wahrscheinlich aus Ehrerbietung vor der Uranfänglichkeit des Granits, fast an dem zu zweifeln, was er gesehen. Stundenlang ist bei der Flußschifffahrt die Ueberlagerung des in Bänke abgetheilten Granits über den fast senkrecht einschießenden Thonschiefer deutlich sichtbar. Mein Reisebegleiter Gustav Rose sagt sehr wahr in seinem Tagebuche53: „Der Thonschiefer hat unter dem fast horizontalen Granite eine wellige Oberfläche; erhebt sich bisweilen wohl 50 Fuß über den Wasserspiegel des Irtysch, bald senkt er sich bis auf einige Fuß zum Wasser herab: und die ganze Auflagerung würde bei einem etwas höheren Stande des Wasserspiegels gar nicht zu sehen sein. Alle diese wichtigen geologischen Erscheinungen sind nur sichtbar in dem rechten Irtysch-Ufer; das linke Ufer, gleich steil und hoch, bestand nur aus Thonschiefer, ohne weder Ueberlagerungen noch Granitgänge im Thonschiefer zu zeigen. Wäre der Fluß nicht da, um das Bette einzuschneiden an der Grenze der beiden Gebirgsarten, so wäre hier das ganze Phänomen unbekannt geblieben.“ Nach der Mitte des Weges von Buchtarminsk nach Ust-Kamenogorsk hören die Granitfelsen und -Kuppen ganz auf sichtbar zu werden. Der Thonschiefer: welcher nach Gebler's gründlichen Untersuchungen in Chlorit und Talkschiefer umgewandelt wird zwischen den Flüssen Aigert, Topolowka und Akem; nimmt sowohl in Norden als in Süden der ätnahohen Gipfel von Katunia und Belucha eine Area von 160 geographischen Quadratmeilen, also einen 2½ mal größeren Flächenraum als das ganze Harzgebirge, ein.54 Zu derselben

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[83/0090] sichtbar wird. Ich habe zwei meiner Zeichnungen dieser Profile stechen lassen (Rose, Ural und Altai S. 611–613). Renovantz und Hermann haben dieselbe geologische Erscheinung vor uns gesehen ⁵² ; der Letztere aber scheint, wahrscheinlich aus Ehrerbietung vor der Uranfänglichkeit des Granits, fast an dem zu zweifeln, was er gesehen. Stundenlang ist bei der Flußschifffahrt die Ueberlagerung des in Bänke abgetheilten Granits über den fast senkrecht einschießenden Thonschiefer deutlich sichtbar. Mein Reisebegleiter Gustav Rose sagt sehr wahr in seinem Tagebuche ⁵³ : „Der Thonschiefer hat unter dem fast horizontalen Granite eine wellige Oberfläche; erhebt sich bisweilen wohl 50 Fuß über den Wasserspiegel des Irtysch, bald senkt er sich bis auf einige Fuß zum Wasser herab: und die ganze Auflagerung würde bei einem etwas höheren Stande des Wasserspiegels gar nicht zu sehen sein. Alle diese wichtigen geologischen Erscheinungen sind nur sichtbar in dem rechten Irtysch-Ufer; das linke Ufer, gleich steil und hoch, bestand nur aus Thonschiefer, ohne weder Ueberlagerungen noch Granitgänge im Thonschiefer zu zeigen. Wäre der Fluß nicht da, um das Bette einzuschneiden an der Grenze der beiden Gebirgsarten, so wäre hier das ganze Phänomen unbekannt geblieben.“ Nach der Mitte des Weges von Buchtarminsk nach Ust-Kamenogorsk hören die Granitfelsen und -Kuppen ganz auf sichtbar zu werden. Der Thonschiefer: welcher nach Gebler's gründlichen Untersuchungen in Chlorit und Talkschiefer umgewandelt wird zwischen den Flüssen Aigert, Topolowka und Akem; nimmt sowohl in Norden als in Süden der ätnahohen Gipfel von Katunia und Belucha eine Area von 160 geographischen Quadratmeilen, also einen 2½ mal größeren Flächenraum als das ganze Harzgebirge, ein. ⁵⁴ Zu derselben

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/90>, abgerufen am 19.04.2024.