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Humboldt, Alexander von: Rede bei der Aufstellung der Büste des geh. Medicinalrathes Professor Dr. Lichtenstein in dem Zoologischen Museum am 26. April 1852. In: Separatum. [Berlin], 1852, S. 3-6.

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damals noch minder ausgebeutetes Feld der Bearbeitung dar. Ne-
ben der Form und den specifischen Kennzeichen, neben der Le-
bensweise und den Sitten der grösseren Thiere wurden von ihm
auch die kleineren Organismen wissenschaftlich beobachtet, ja schätz-
bare entomologische und botanische Sammlungen heimgebracht.
Für ein erregbares Gemüth hat der unmittelbare Contact mit der
freien und dazu noch mit einer so mächtigen Natur einen Werth,
welcher nicht allein nach der Zahl der neuentdeckten oder aufbe-
wahrten Gegenstände geschätzt werden darf; es wohnt diesem Ver-
kehr inne eine treibende Kraft, die den ganzen Menschen (ihm selbst
fast unbewusst), durchdringt: im Lehrer sich auf die Hörenden re-
flectirt: so dass mitgetheilt wird, da wo Empfänglichkeit ist, mehr
als Unterricht, eine innere, dauernde Belebung.

Zum ordentlichen Professor der Zoologie an dieser Hoch-
schule befördert, schon fünf Jahre nach seiner Landung in Holland,
und nur ein Jahr nach seiner Ankunft in Berlin, wurde Lichten-
stein
später, bei dem Tode des scharfsinnigen und verdienstvollen
Illiger's 1813 Director des zoologischen Museums: einer An-
stalt, die damals bloss reich an den einst in der Kunstkammer auf-
bewahrten Corallen, keinesweges einen solchen Namen verdiente. Der
Gründer des Berliner zoologischen Museums darf Lichtenstein ge-
nannt werden, wenn man die ältesten Zustände mit den folgenden
vergleicht. Die Sammlungen, welche diese Räume schmücken, sind
aber ausgezeichnet nicht bloss durch Seltenheit und Fülle der Gegen-
stände, die grossentheils mit eingeschränkten Mitteln erworben wur-
den und unter denen die entomologischen, von einem tiefen Kenner,
meinem vieljährigen Freunde, dem Geh. Ober-Medicinal-Rath Klug
geordnet, einen europäischen Ruf haben: sie sind es eben so sehr
durch die systematische und geographische Übersicht, die sie gewäh-

damals noch minder ausgebeutetes Feld der Bearbeitung dar. Ne-
ben der Form und den specifischen Kennzeichen, neben der Le-
bensweise und den Sitten der gröſseren Thiere wurden von ihm
auch die kleineren Organismen wissenschaftlich beobachtet, ja schätz-
bare entomologische und botanische Sammlungen heimgebracht.
Für ein erregbares Gemüth hat der unmittelbare Contact mit der
freien und dazu noch mit einer so mächtigen Natur einen Werth,
welcher nicht allein nach der Zahl der neuentdeckten oder aufbe-
wahrten Gegenstände geschätzt werden darf; es wohnt diesem Ver-
kehr inne eine treibende Kraft, die den ganzen Menschen (ihm selbst
fast unbewuſst), durchdringt: im Lehrer sich auf die Hörenden re-
flectirt: so daſs mitgetheilt wird, da wo Empfänglichkeit ist, mehr
als Unterricht, eine innere, dauernde Belebung.

Zum ordentlichen Professor der Zoologie an dieser Hoch-
schule befördert, schon fünf Jahre nach seiner Landung in Holland,
und nur ein Jahr nach seiner Ankunft in Berlin, wurde Lichten-
stein
später, bei dem Tode des scharfsinnigen und verdienstvollen
Illiger's 1813 Director des zoologischen Museums: einer An-
stalt, die damals bloſs reich an den einst in der Kunstkammer auf-
bewahrten Corallen, keinesweges einen solchen Namen verdiente. Der
Gründer des Berliner zoologischen Museums darf Lichtenstein ge-
nannt werden, wenn man die ältesten Zustände mit den folgenden
vergleicht. Die Sammlungen, welche diese Räume schmücken, sind
aber ausgezeichnet nicht bloſs durch Seltenheit und Fülle der Gegen-
stände, die groſsentheils mit eingeschränkten Mitteln erworben wur-
den und unter denen die entomologischen, von einem tiefen Kenner,
meinem vieljährigen Freunde, dem Geh. Ober-Medicinal-Rath Klug
geordnet, einen europäischen Ruf haben: sie sind es eben so sehr
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[4/0003] damals noch minder ausgebeutetes Feld der Bearbeitung dar. Ne- ben der Form und den specifischen Kennzeichen, neben der Le- bensweise und den Sitten der gröſseren Thiere wurden von ihm auch die kleineren Organismen wissenschaftlich beobachtet, ja schätz- bare entomologische und botanische Sammlungen heimgebracht. Für ein erregbares Gemüth hat der unmittelbare Contact mit der freien und dazu noch mit einer so mächtigen Natur einen Werth, welcher nicht allein nach der Zahl der neuentdeckten oder aufbe- wahrten Gegenstände geschätzt werden darf; es wohnt diesem Ver- kehr inne eine treibende Kraft, die den ganzen Menschen (ihm selbst fast unbewuſst), durchdringt: im Lehrer sich auf die Hörenden re- flectirt: so daſs mitgetheilt wird, da wo Empfänglichkeit ist, mehr als Unterricht, eine innere, dauernde Belebung. Zum ordentlichen Professor der Zoologie an dieser Hoch- schule befördert, schon fünf Jahre nach seiner Landung in Holland, und nur ein Jahr nach seiner Ankunft in Berlin, wurde Lichten- stein später, bei dem Tode des scharfsinnigen und verdienstvollen Illiger's 1813 Director des zoologischen Museums: einer An- stalt, die damals bloſs reich an den einst in der Kunstkammer auf- bewahrten Corallen, keinesweges einen solchen Namen verdiente. Der Gründer des Berliner zoologischen Museums darf Lichtenstein ge- nannt werden, wenn man die ältesten Zustände mit den folgenden vergleicht. Die Sammlungen, welche diese Räume schmücken, sind aber ausgezeichnet nicht bloſs durch Seltenheit und Fülle der Gegen- stände, die groſsentheils mit eingeschränkten Mitteln erworben wur- den und unter denen die entomologischen, von einem tiefen Kenner, meinem vieljährigen Freunde, dem Geh. Ober-Medicinal-Rath Klug geordnet, einen europäischen Ruf haben: sie sind es eben so sehr durch die systematische und geographische Übersicht, die sie gewäh-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Rede bei der Aufstellung der Büste des geh. Medicinalrathes Professor Dr. Lichtenstein in dem Zoologischen Museum am 26. April 1852. In: Separatum. [Berlin], 1852, S. 3-6, hier S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_rede_1852/3>, abgerufen am 19.04.2024.