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Humboldt, Alexander von: Über die bei verschiedenen Völkern üblichen Systeme von Zahlzeichen und über den Ursprung des Stellenwerthes in den indischen Zahlen. In: Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. 4 (1829), S. 205-231.

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17. Alex. von Humboldt, über Zahlzeichensysteme.

Dritte Methode. Vervielfachung des Werthes durch
Coefficienten
.

Was wir bei den Chinesen als Indicatoren in der senkrechten
Schrift gefunden haben, ein Unterschied von 2X=12 und 2X=20, wird
in horizontaler Richtung bei Griechen, bei Armeniern und bei den
Tamul-redenden Bewohnern der südlichen Halb-Insel von Indien wie-
derholt. Diophantus und Pappus schreiben bMu für zweimal zehn-
tausend oder 20000, da aMub (wenn b der Initiale der Myriade rechts
steht) einmal zehntausend plus zwei, oder 10002 bezeichnet. Dasselbe fin-
det statt bei den Tamulziffern, gleichsam als wäre 4X=40 und X4=14.
Im alt-persischen Pehlwi, nach Anquetil, und im Armenischen, nach
Cerbied*) erkennt man links stehende Multiplicatoren, um die Viel-
fachen von 100 auszudrücken. Hierher gehört auch, der Methode nach,
der oben erwähnte Punct des Diophantus, welcher für Mu stehet und
1000 mal das Vorhergehende erhöht**).

Vierte Methode. Vervielfältigung und Verminderung,
aufsteigend und absteigend, durch Abtheilung von Zahl-
schichten
, deren Werth sich in geometrischer Progression
vermindert
.

Archimedes in den Octaden, Apollonius in den Tetraden, haben
diese Notation nur in Zahlen über (10000)2 und in 100 Millionen oder
einer Myriade von Myriaden gebraucht***). Hier ist offenbar Stellen-
werth derselben Zeichen, die in verschiedenen Schichten aufeinander
folgen, also ein relativer und absoluter Werth, wie in der absteigenden
Sexagesimal-Scale der alexandrinischen Astronomen, wenn sie Grade,
Minuten, Secunden angeben. Da aber im letzteren Falle (aus Mangel von
n-1 oder 59 Zeichen) jede Schicht zweiziffrig ist, so kann der Stellen-
werth nicht den Vortheil indischer Zahlen gewähren. Wenn die drei-
hundert sechzigsten Theile eines Kreises als Ganze betrachtet werden,
so sind Minuten Sechzigstel dieser Ganzen, Secunden Sechzigstel der Mi-
nuten u. s. f. Als Brüchen gab ihnen Ptolemäus demnach bruch-
ähnliche Zeichen, den Strich nach oben, und um die absteigende Progres-

*) Grammaire Armenienne. 1823. p. 25.
**) Solche Abtheilungen durch Puncte, welche, auf eine übrigens sehr inconsequente Weise,
einen Stellenwerth bezeichnen, findet man ebenfalls in drei oft bestrittenen Stellen des Plinius
(VI. 24. 33. XXX. 3).
***) Delambre, Hist. de l'astron. ancienne T. I. p. 105. T. II. p. 9.
17. Alex. von Humboldt, über Zahlzeichensysteme.

Dritte Methode. Vervielfachung des Werthes durch
Coefficienten
.

Was wir bei den Chinesen als Indicatoren in der senkrechten
Schrift gefunden haben, ein Unterschied von 2X=12 und 2X=20, wird
in horizontaler Richtung bei Griechen, bei Armeniern und bei den
Tamul-redenden Bewohnern der südlichen Halb-Insel von Indien wie-
derholt. Diophantus und Pappus schreiben βΜυ für zweimal zehn-
tausend oder 20000, da αΜυβ (wenn β der Initiale der Myriade rechts
steht) einmal zehntausend plus zwei, oder 10002 bezeichnet. Dasselbe fin-
det statt bei den Tamulziffern, gleichsam als wäre 4X=40 und X4=14.
Im alt-persischen Pehlwi, nach Anquetil, und im Armenischen, nach
Cerbied*) erkennt man links stehende Multiplicatoren, um die Viel-
fachen von 100 auszudrücken. Hierher gehört auch, der Methode nach,
der oben erwähnte Punct des Diophantus, welcher für Μυ stehet und
1000 mal das Vorhergehende erhöht**).

Vierte Methode. Vervielfältigung und Verminderung,
aufsteigend und absteigend, durch Abtheilung von Zahl-
schichten
, deren Werth sich in geometrischer Progression
vermindert
.

Archimedes in den Octaden, Apollonius in den Tetraden, haben
diese Notation nur in Zahlen über (10000)2 und in 100 Millionen oder
einer Myriade von Myriaden gebraucht***). Hier ist offenbar Stellen-
werth derselben Zeichen, die in verschiedenen Schichten aufeinander
folgen, also ein relativer und absoluter Werth, wie in der absteigenden
Sexagesimal-Scale der alexandrinischen Astronomen, wenn sie Grade,
Minuten, Secunden angeben. Da aber im letzteren Falle (aus Mangel von
n-1 oder 59 Zeichen) jede Schicht zweiziffrig ist, so kann der Stellen-
werth nicht den Vortheil indischer Zahlen gewähren. Wenn die drei-
hundert sechzigsten Theile eines Kreises als Ganze betrachtet werden,
so sind Minuten Sechzigstel dieser Ganzen, Secunden Sechzigstel der Mi-
nuten u. s. f. Als Brüchen gab ihnen Ptolemäus demnach bruch-
ähnliche Zeichen, den Strich nach oben, und um die absteigende Progres-

*) Grammaire Armenienne. 1823. p. 25.
**) Solche Abtheilungen durch Puncte, welche, auf eine übrigens sehr inconsequente Weise,
einen Stellenwerth bezeichnen, findet man ebenfalls in drei oft bestrittenen Stellen des Plinius
(VI. 24. 33. XXX. 3).
***) Delambre, Hist. de l'astron. ancienne T. I. p. 105. T. II. p. 9.
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[225/0022] 17. Alex. von Humboldt, über Zahlzeichensysteme. Dritte Methode. Vervielfachung des Werthes durch Coefficienten. Was wir bei den Chinesen als Indicatoren in der senkrechten Schrift gefunden haben, ein Unterschied von 2X=12 und 2X=20, wird in horizontaler Richtung bei Griechen, bei Armeniern und bei den Tamul-redenden Bewohnern der südlichen Halb-Insel von Indien wie- derholt. Diophantus und Pappus schreiben βΜυ für zweimal zehn- tausend oder 20000, da αΜυβ (wenn β der Initiale der Myriade rechts steht) einmal zehntausend plus zwei, oder 10002 bezeichnet. Dasselbe fin- det statt bei den Tamulziffern, gleichsam als wäre 4X=40 und X4=14. Im alt-persischen Pehlwi, nach Anquetil, und im Armenischen, nach Cerbied *) erkennt man links stehende Multiplicatoren, um die Viel- fachen von 100 auszudrücken. Hierher gehört auch, der Methode nach, der oben erwähnte Punct des Diophantus, welcher für Μυ stehet und 1000 mal das Vorhergehende erhöht **). Vierte Methode. Vervielfältigung und Verminderung, aufsteigend und absteigend, durch Abtheilung von Zahl- schichten, deren Werth sich in geometrischer Progression vermindert. Archimedes in den Octaden, Apollonius in den Tetraden, haben diese Notation nur in Zahlen über (10000)2 und in 100 Millionen oder einer Myriade von Myriaden gebraucht ***). Hier ist offenbar Stellen- werth derselben Zeichen, die in verschiedenen Schichten aufeinander folgen, also ein relativer und absoluter Werth, wie in der absteigenden Sexagesimal-Scale der alexandrinischen Astronomen, wenn sie Grade, Minuten, Secunden angeben. Da aber im letzteren Falle (aus Mangel von n-1 oder 59 Zeichen) jede Schicht zweiziffrig ist, so kann der Stellen- werth nicht den Vortheil indischer Zahlen gewähren. Wenn die drei- hundert sechzigsten Theile eines Kreises als Ganze betrachtet werden, so sind Minuten Sechzigstel dieser Ganzen, Secunden Sechzigstel der Mi- nuten u. s. f. Als Brüchen gab ihnen Ptolemäus demnach bruch- ähnliche Zeichen, den Strich nach oben, und um die absteigende Progres- *) Grammaire Armenienne. 1823. p. 25. **) Solche Abtheilungen durch Puncte, welche, auf eine übrigens sehr inconsequente Weise, einen Stellenwerth bezeichnen, findet man ebenfalls in drei oft bestrittenen Stellen des Plinius (VI. 24. 33. XXX. 3). ***) Delambre, Hist. de l'astron. ancienne T. I. p. 105. T. II. p. 9.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die bei verschiedenen Völkern üblichen Systeme von Zahlzeichen und über den Ursprung des Stellenwerthes in den indischen Zahlen. In: Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. 4 (1829), S. 205-231, hier S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_system_1829/22>, abgerufen am 19.04.2024.