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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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Über die
Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit
auf dem Erdkörper.
Von
Hrn. ALEXANDER von HUMBOLDT.


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 3. Juli 1827.]

Eine lange Reihe von Jahren ist verflossen, seit dem ich, von meiner Reise
nach der Andes-Kette zurückkehrend, es versucht habe, in den öffentlichen
Versammlungen dieser Akademie, einige Natur-Ansichten zu entwickeln,
von denen ich hoffen durfte, daß sie durch Größe des Gegenstandes, viel-
leicht auch durch ein sorgfältiges Hinweisen auf das Gemeinsame in den Er-
scheinungen, ein allgemeineres Interesse erregen würden. In der Form klei-
ner Abhandlungen habe ich fragmentarisch geschildert: zuerst die Wüsten
und Steppen, welche, wie Meeres-Arme hingestreckt, fruchtbare Länder-
striche und feindliche Menschenstämme von einander scheiden; dann die
Physiognomik der Gewächse oder die geographische Verbreitung der Pflan-
zen-Formen, welche den Charakter einer Landschaft bestimmen, das Ge-
müth der Einwohner mehr oder minder lebhaft anregen, ja fast unbewußt
die dichterische Phantasie mit trüben oder heiteren Bildern erfüllen; end-
lich die Wasserfälle, welche die große Flußwelt des Orinoco, des Cassi-
quiare
und Amazonen-Stromes gleichsam in zwei Hälften theilen, Palmen-
Gebüsche auf Schaum-bedeckten Inseln nähren, und in ihren hölenreichen
Felsdämmen die Grabstätte eines untergegangenen Völkerstammes verbergen.
So verschiedenartig auch die Gegenstände sind, welche ich hier in die Erin-
nerung zurück rufe, so habe ich doch ununterbrochen dahin gestrebt, sie in
der Behandlung auf etwas Gemeinsames, auf die Begründung einer allgemei-
nen vergleichenden Naturkunde zurückzuführen. Es hieße den höheren

Über die
Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit
auf dem Erdkörper.
Von
Hrn. ALEXANDER von HUMBOLDT.


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 3. Juli 1827.]

Eine lange Reihe von Jahren ist verflossen, seit dem ich, von meiner Reise
nach der Andes-Kette zurückkehrend, es versucht habe, in den öffentlichen
Versammlungen dieser Akademie, einige Natur-Ansichten zu entwickeln,
von denen ich hoffen durfte, daß sie durch Größe des Gegenstandes, viel-
leicht auch durch ein sorgfältiges Hinweisen auf das Gemeinsame in den Er-
scheinungen, ein allgemeineres Interesse erregen würden. In der Form klei-
ner Abhandlungen habe ich fragmentarisch geschildert: zuerst die Wüsten
und Steppen, welche, wie Meeres-Arme hingestreckt, fruchtbare Länder-
striche und feindliche Menschenstämme von einander scheiden; dann die
Physiognomik der Gewächse oder die geographische Verbreitung der Pflan-
zen-Formen, welche den Charakter einer Landschaft bestimmen, das Ge-
müth der Einwohner mehr oder minder lebhaft anregen, ja fast unbewußt
die dichterische Phantasie mit trüben oder heiteren Bildern erfüllen; end-
lich die Wasserfälle, welche die große Flußwelt des Orinoco, des Cassi-
quiare
und Amazonen-Stromes gleichsam in zwei Hälften theilen, Palmen-
Gebüsche auf Schaum-bedeckten Inseln nähren, und in ihren hölenreichen
Felsdämmen die Grabstätte eines untergegangenen Völkerstammes verbergen.
So verschiedenartig auch die Gegenstände sind, welche ich hier in die Erin-
nerung zurück rufe, so habe ich doch ununterbrochen dahin gestrebt, sie in
der Behandlung auf etwas Gemeinsames, auf die Begründung einer allgemei-
nen vergleichenden Naturkunde zurückzuführen. Es hieße den höheren

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[0002] Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. Von Hrn. ALEXANDER von HUMBOLDT. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 3. Juli 1827.] Eine lange Reihe von Jahren ist verflossen, seit dem ich, von meiner Reise nach der Andes-Kette zurückkehrend, es versucht habe, in den öffentlichen Versammlungen dieser Akademie, einige Natur-Ansichten zu entwickeln, von denen ich hoffen durfte, daß sie durch Größe des Gegenstandes, viel- leicht auch durch ein sorgfältiges Hinweisen auf das Gemeinsame in den Er- scheinungen, ein allgemeineres Interesse erregen würden. In der Form klei- ner Abhandlungen habe ich fragmentarisch geschildert: zuerst die Wüsten und Steppen, welche, wie Meeres-Arme hingestreckt, fruchtbare Länder- striche und feindliche Menschenstämme von einander scheiden; dann die Physiognomik der Gewächse oder die geographische Verbreitung der Pflan- zen-Formen, welche den Charakter einer Landschaft bestimmen, das Ge- müth der Einwohner mehr oder minder lebhaft anregen, ja fast unbewußt die dichterische Phantasie mit trüben oder heiteren Bildern erfüllen; end- lich die Wasserfälle, welche die große Flußwelt des Orinoco, des Cassi- quiare und Amazonen-Stromes gleichsam in zwei Hälften theilen, Palmen- Gebüsche auf Schaum-bedeckten Inseln nähren, und in ihren hölenreichen Felsdämmen die Grabstätte eines untergegangenen Völkerstammes verbergen. So verschiedenartig auch die Gegenstände sind, welche ich hier in die Erin- nerung zurück rufe, so habe ich doch ununterbrochen dahin gestrebt, sie in der Behandlung auf etwas Gemeinsames, auf die Begründung einer allgemei- nen vergleichenden Naturkunde zurückzuführen. Es hieße den höheren

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/2>, abgerufen am 29.03.2024.