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Humboldt, Alexander von: Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4, H. 2 (1797), S. 171-179.

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Galvanismus zu messen, angezeigt zu haben. Jch
werde die Ehre haben, Jhnen mein Werk über die Ner-
ven- und Muskelfaser und über den chemischen Prozeß
der Vitalität zu schicken. Jch sammle Thatsachen, und
bin gegen meine eigenen hypothetischen Jdeen mißtrauisch:
Sie bemerken mit mir, wie sehr man Unrecht hat, an-
zunehmen, daß der Sauerstoff die erste Rolle in dem
Prozesse der Vitalität spiele. Meine Versuche beweisen,
daß die Reitzbarkeit oder der Ton der Faser nur von
dem reciproken Gleichgewichte zwischen al-
len Elementen der Faser
, dem Stickstoffe, dem
Wasserstoffe, u. s. w., abhängt. Die chemischen Ver-
bindungen des Phosphors und des Stickstoffs z. B.,
scheinen eben so wichtig zu seyn, als die des Sauerstoffs
mit den sauerfähigen Grundlagen. Welches Licht wer-
den Sie, und die Fourcroy und die Vauquelin,
über diese Gegenstände verbreiten!

Nachschrift.

Jch hatte für diesen Winter noch einige Frösche aufge-
hoben, und habe eben diesen Morgen einige Versuche
wiederhohlt, wovon ich Jhnen noch die näheren Umstände
melden will. Jch sage in dem vorstehenden Briefe, daß,
weil wir die Principien der Lebenschemie nur oberflächlich
kennen, wir uns nicht wundern dürfen, wenn wir nicht
immer dieselbigen Resultate erhalten. Ein negativer Ver-
such beweist nichts gegen einen affirmativen. Jch bin
gewiß, daß man niemals sehen wird, daß ein durch Al-
cohol unempfindlich gemachter Nerve seine Reitzbarkeit
durch Schwefelalkali wieder erhalten wird. Hier einige
Thatsachen, die ich so eben seit einer Viertelstunde wahr-
genommen habe. Jch nahm die vier Extremitäten eines
sehr lebhaften Frosches. Der rechte Vorderfuß hüpfte
auf Zink und Silber. Jch legte ihn eine Minute

lang

Galvanismus zu meſſen, angezeigt zu haben. Jch
werde die Ehre haben, Jhnen mein Werk uͤber die Ner-
ven- und Muskelfaſer und uͤber den chemiſchen Prozeß
der Vitalitaͤt zu ſchicken. Jch ſammle Thatſachen, und
bin gegen meine eigenen hypothetiſchen Jdeen mißtrauiſch:
Sie bemerken mit mir, wie ſehr man Unrecht hat, an-
zunehmen, daß der Sauerſtoff die erſte Rolle in dem
Prozeſſe der Vitalitaͤt ſpiele. Meine Verſuche beweiſen,
daß die Reitzbarkeit oder der Ton der Faſer nur von
dem reciproken Gleichgewichte zwiſchen al-
len Elementen der Faſer
, dem Stickſtoffe, dem
Waſſerſtoffe, u. ſ. w., abhaͤngt. Die chemiſchen Ver-
bindungen des Phosphors und des Stickſtoffs z. B.,
ſcheinen eben ſo wichtig zu ſeyn, als die des Sauerſtoffs
mit den ſauerfaͤhigen Grundlagen. Welches Licht wer-
den Sie, und die Fourcroy und die Vauquelin,
uͤber dieſe Gegenſtaͤnde verbreiten!

Nachſchrift.

Jch hatte fuͤr dieſen Winter noch einige Froͤſche aufge-
hoben, und habe eben dieſen Morgen einige Verſuche
wiederhohlt, wovon ich Jhnen noch die naͤheren Umſtaͤnde
melden will. Jch ſage in dem vorſtehenden Briefe, daß,
weil wir die Principien der Lebenschemie nur oberflaͤchlich
kennen, wir uns nicht wundern duͤrfen, wenn wir nicht
immer dieſelbigen Reſultate erhalten. Ein negativer Ver-
ſuch beweiſt nichts gegen einen affirmativen. Jch bin
gewiß, daß man niemals ſehen wird, daß ein durch Al-
cohol unempfindlich gemachter Nerve ſeine Reitzbarkeit
durch Schwefelalkali wieder erhalten wird. Hier einige
Thatſachen, die ich ſo eben ſeit einer Viertelſtunde wahr-
genommen habe. Jch nahm die vier Extremitaͤten eines
ſehr lebhaften Froſches. Der rechte Vorderfuß huͤpfte
auf Zink und Silber. Jch legte ihn eine Minute

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[176/0007] Galvanismus zu meſſen, angezeigt zu haben. Jch werde die Ehre haben, Jhnen mein Werk uͤber die Ner- ven- und Muskelfaſer und uͤber den chemiſchen Prozeß der Vitalitaͤt zu ſchicken. Jch ſammle Thatſachen, und bin gegen meine eigenen hypothetiſchen Jdeen mißtrauiſch: Sie bemerken mit mir, wie ſehr man Unrecht hat, an- zunehmen, daß der Sauerſtoff die erſte Rolle in dem Prozeſſe der Vitalitaͤt ſpiele. Meine Verſuche beweiſen, daß die Reitzbarkeit oder der Ton der Faſer nur von dem reciproken Gleichgewichte zwiſchen al- len Elementen der Faſer, dem Stickſtoffe, dem Waſſerſtoffe, u. ſ. w., abhaͤngt. Die chemiſchen Ver- bindungen des Phosphors und des Stickſtoffs z. B., ſcheinen eben ſo wichtig zu ſeyn, als die des Sauerſtoffs mit den ſauerfaͤhigen Grundlagen. Welches Licht wer- den Sie, und die Fourcroy und die Vauquelin, uͤber dieſe Gegenſtaͤnde verbreiten! Nachſchrift. Jch hatte fuͤr dieſen Winter noch einige Froͤſche aufge- hoben, und habe eben dieſen Morgen einige Verſuche wiederhohlt, wovon ich Jhnen noch die naͤheren Umſtaͤnde melden will. Jch ſage in dem vorſtehenden Briefe, daß, weil wir die Principien der Lebenschemie nur oberflaͤchlich kennen, wir uns nicht wundern duͤrfen, wenn wir nicht immer dieſelbigen Reſultate erhalten. Ein negativer Ver- ſuch beweiſt nichts gegen einen affirmativen. Jch bin gewiß, daß man niemals ſehen wird, daß ein durch Al- cohol unempfindlich gemachter Nerve ſeine Reitzbarkeit durch Schwefelalkali wieder erhalten wird. Hier einige Thatſachen, die ich ſo eben ſeit einer Viertelſtunde wahr- genommen habe. Jch nahm die vier Extremitaͤten eines ſehr lebhaften Froſches. Der rechte Vorderfuß huͤpfte auf Zink und Silber. Jch legte ihn eine Minute lang

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4, H. 2 (1797), S. 171-179, hier S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vitalitaet_1797/7>, abgerufen am 28.03.2024.