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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Piepmeyer einen grünen, Romeo Piepmeyer einen
silbergrauen und Peter Piepmeyer einen schwarzen
Strich über der Nase. Aber außer dem Dienste,
wo sie sich als Menschen fühlten, wischten sie die
Striche ab.

Diese sechs Brüder von der Löwenburg erzähl-
ten den andern Hessischen Wachtmannschaften
folgende Geschichte: Ihr mögt es nun glauben
oder nicht, aber so ist der alte Herr alle Jahre,
während er in der Fremde war, an seinem
Geburtstage jedesmal droben auf der Burg gewe-
sen. An diesem Tage war es von früh Morgens
an schon immer unruhig droben, es that sich ein
Schwirren in den seidnen Gardinen hervor, die
Gardinenbetten knackten, die Harnische in der
Rüstkammer rasselten, der Wetterhahn auf dem
Thurme hat unaufhörlich mit den Flügeln geschla-
gen. Schon als Knaben bemerkten wir alles
Dieses und noch Mehreres, aber wir achteten
dessen nicht, bis uns der Vater, nachdem wir
fünfzehn Jahre alt und confirmirt worden waren,
bei Seite nahm und uns das Burggeheimniß ent-
deckte, welches in nichts Anderem bestand, als daß
der Kurfürst, wiewohl weit entfernt im Böhmischen

Immermann's Münchhausen 1. Th. 3

Piepmeyer einen grünen, Romeo Piepmeyer einen
ſilbergrauen und Peter Piepmeyer einen ſchwarzen
Strich über der Naſe. Aber außer dem Dienſte,
wo ſie ſich als Menſchen fühlten, wiſchten ſie die
Striche ab.

Dieſe ſechs Brüder von der Löwenburg erzähl-
ten den andern Heſſiſchen Wachtmannſchaften
folgende Geſchichte: Ihr mögt es nun glauben
oder nicht, aber ſo iſt der alte Herr alle Jahre,
während er in der Fremde war, an ſeinem
Geburtstage jedesmal droben auf der Burg gewe-
ſen. An dieſem Tage war es von früh Morgens
an ſchon immer unruhig droben, es that ſich ein
Schwirren in den ſeidnen Gardinen hervor, die
Gardinenbetten knackten, die Harniſche in der
Rüſtkammer raſſelten, der Wetterhahn auf dem
Thurme hat unaufhörlich mit den Flügeln geſchla-
gen. Schon als Knaben bemerkten wir alles
Dieſes und noch Mehreres, aber wir achteten
deſſen nicht, bis uns der Vater, nachdem wir
fünfzehn Jahre alt und confirmirt worden waren,
bei Seite nahm und uns das Burggeheimniß ent-
deckte, welches in nichts Anderem beſtand, als daß
der Kurfürſt, wiewohl weit entfernt im Böhmiſchen

Immermann’s Münchhauſen 1. Th. 3
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[33/0041] Piepmeyer einen grünen, Romeo Piepmeyer einen ſilbergrauen und Peter Piepmeyer einen ſchwarzen Strich über der Naſe. Aber außer dem Dienſte, wo ſie ſich als Menſchen fühlten, wiſchten ſie die Striche ab. Dieſe ſechs Brüder von der Löwenburg erzähl- ten den andern Heſſiſchen Wachtmannſchaften folgende Geſchichte: Ihr mögt es nun glauben oder nicht, aber ſo iſt der alte Herr alle Jahre, während er in der Fremde war, an ſeinem Geburtstage jedesmal droben auf der Burg gewe- ſen. An dieſem Tage war es von früh Morgens an ſchon immer unruhig droben, es that ſich ein Schwirren in den ſeidnen Gardinen hervor, die Gardinenbetten knackten, die Harniſche in der Rüſtkammer raſſelten, der Wetterhahn auf dem Thurme hat unaufhörlich mit den Flügeln geſchla- gen. Schon als Knaben bemerkten wir alles Dieſes und noch Mehreres, aber wir achteten deſſen nicht, bis uns der Vater, nachdem wir fünfzehn Jahre alt und confirmirt worden waren, bei Seite nahm und uns das Burggeheimniß ent- deckte, welches in nichts Anderem beſtand, als daß der Kurfürſt, wiewohl weit entfernt im Böhmiſchen Immermann’s Münchhauſen 1. Th. 3

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/41>, abgerufen am 29.03.2024.