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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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seinen Augen erhoben sich Brücken, Kunststraßen,
Palläste, ja ganze Städte aus versteinerter Luft.
Er hatte sich zwar, nachdem er Münchhausen ver-
lassen, abermals niedergelegt, konnte jedoch jetzt
eben so wenig schlafen, als vorher, sondern wälzte
sich, die Luftbauten vor den brennenden Augen,
schlaflos von einer Seite zur andern. Nicht lange
währte es, so wurde er bei seiner Lebhaftigkeit des
unangenehmen Bettes müde, sprang auf und ging,
einen närrischen aber festen Plan im Busen, auf
den Söller.

Es war ihm nämlich eingefallen, daß die Strei-
tigkeiten unter den Luftactionairen häklicht und
spitzig ausfallen könnten, und daß es daher, um
das Syndicat mit Auszeichnung zu verwalten,
räthlich seyn dürfte, im Voraus den Scharfsinn
auf gerechte Urtheilsfällungen einzuüben. Er be-
schloß daher, sich eine vorläufige Gerichtsstube ein-
zurichten, und zwar fern von störendem Geräusche,
oben auf dem Söller in der sogenannten Polter-
kammer, in welcher Lisbeth die Notizen über die Zins-
rückstände gefunden hatte. Münchhausen sollte, das
war sein Entwurf, ihm erdichtete Rechtsfälle, wie sie
die jungen Studenten im Practico nach den Pandec-

ſeinen Augen erhoben ſich Brücken, Kunſtſtraßen,
Palläſte, ja ganze Städte aus verſteinerter Luft.
Er hatte ſich zwar, nachdem er Münchhauſen ver-
laſſen, abermals niedergelegt, konnte jedoch jetzt
eben ſo wenig ſchlafen, als vorher, ſondern wälzte
ſich, die Luftbauten vor den brennenden Augen,
ſchlaflos von einer Seite zur andern. Nicht lange
währte es, ſo wurde er bei ſeiner Lebhaftigkeit des
unangenehmen Bettes müde, ſprang auf und ging,
einen närriſchen aber feſten Plan im Buſen, auf
den Söller.

Es war ihm nämlich eingefallen, daß die Strei-
tigkeiten unter den Luftactionairen häklicht und
ſpitzig ausfallen könnten, und daß es daher, um
das Syndicat mit Auszeichnung zu verwalten,
räthlich ſeyn dürfte, im Voraus den Scharfſinn
auf gerechte Urtheilsfällungen einzuüben. Er be-
ſchloß daher, ſich eine vorläufige Gerichtsſtube ein-
zurichten, und zwar fern von ſtörendem Geräuſche,
oben auf dem Söller in der ſogenannten Polter-
kammer, in welcher Lisbeth die Notizen über die Zins-
rückſtände gefunden hatte. Münchhauſen ſollte, das
war ſein Entwurf, ihm erdichtete Rechtsfälle, wie ſie
die jungen Studenten im Practico nach den Pandec-

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[85/0103] ſeinen Augen erhoben ſich Brücken, Kunſtſtraßen, Palläſte, ja ganze Städte aus verſteinerter Luft. Er hatte ſich zwar, nachdem er Münchhauſen ver- laſſen, abermals niedergelegt, konnte jedoch jetzt eben ſo wenig ſchlafen, als vorher, ſondern wälzte ſich, die Luftbauten vor den brennenden Augen, ſchlaflos von einer Seite zur andern. Nicht lange währte es, ſo wurde er bei ſeiner Lebhaftigkeit des unangenehmen Bettes müde, ſprang auf und ging, einen närriſchen aber feſten Plan im Buſen, auf den Söller. Es war ihm nämlich eingefallen, daß die Strei- tigkeiten unter den Luftactionairen häklicht und ſpitzig ausfallen könnten, und daß es daher, um das Syndicat mit Auszeichnung zu verwalten, räthlich ſeyn dürfte, im Voraus den Scharfſinn auf gerechte Urtheilsfällungen einzuüben. Er be- ſchloß daher, ſich eine vorläufige Gerichtsſtube ein- zurichten, und zwar fern von ſtörendem Geräuſche, oben auf dem Söller in der ſogenannten Polter- kammer, in welcher Lisbeth die Notizen über die Zins- rückſtände gefunden hatte. Münchhauſen ſollte, das war ſein Entwurf, ihm erdichtete Rechtsfälle, wie ſie die jungen Studenten im Practico nach den Pandec-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/103>, abgerufen am 19.04.2024.