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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Sah ich, als sein der Meister fünf da der Instrumente,
'Nen Einz'gen jüngst noch spielen am Markt das
mannichfalte
Flöt-Geige-Becken-Pauken- und Halbmondinstru-
mente.

Damit war meine Begeisterung noch nicht er-
schöpft. Formen und Verse, Weisen und Reime,
Laiche, Stollen, Stanzen, Assonanzen, Dissonanzen,
Decimen, Canzonen, Terzinen, Handwerksburschen-
lieder, Sprichwörtlich, Africanisches, Madecassisches,
an Personen, Gelegenheit, Denk- und Sendeblätter,
Runenstäbe, Gepanzertes und Geharnischtes, Blät-
ter und Blüthen, Schutt -- alles Dieses und noch
unendlich viel mehr entquoll meinen unermüdlich
vom Wasser bewegten Lippen, so daß ich glaube;
ich armes nacktes Kind habe da droben auf dem
Helikon an jenem Abende in wenigstens sechs Dut-
zenden der verschiedensten Arten und Weisen meine
Kindlichkeit lyrisch ausgesprochen. Ich weiß nicht,
ob ich mich nicht todt geschrieen haben würde und
ein lyrisches Opfer geworden wäre, hätte nicht das
Schicksal, welches mich schon aus den Fängen des
Geiers rettete, nunmehr mich auch von den Folgen
jenes hippokrenischen Sauerbrunnens befreit.


Sah ich, als ſein der Meiſter fünf da der Inſtrumente,
’Nen Einz’gen jüngſt noch ſpielen am Markt das
mannichfalte
Flöt-Geige-Becken-Pauken- und Halbmondinſtru-
mente.

Damit war meine Begeiſterung noch nicht er-
ſchöpft. Formen und Verſe, Weiſen und Reime,
Laiche, Stollen, Stanzen, Aſſonanzen, Diſſonanzen,
Decimen, Canzonen, Terzinen, Handwerksburſchen-
lieder, Sprichwörtlich, Africaniſches, Madecaſſiſches,
an Perſonen, Gelegenheit, Denk- und Sendeblätter,
Runenſtäbe, Gepanzertes und Geharniſchtes, Blät-
ter und Blüthen, Schutt — alles Dieſes und noch
unendlich viel mehr entquoll meinen unermüdlich
vom Waſſer bewegten Lippen, ſo daß ich glaube;
ich armes nacktes Kind habe da droben auf dem
Helikon an jenem Abende in wenigſtens ſechs Dut-
zenden der verſchiedenſten Arten und Weiſen meine
Kindlichkeit lyriſch ausgeſprochen. Ich weiß nicht,
ob ich mich nicht todt geſchrieen haben würde und
ein lyriſches Opfer geworden wäre, hätte nicht das
Schickſal, welches mich ſchon aus den Fängen des
Geiers rettete, nunmehr mich auch von den Folgen
jenes hippokreniſchen Sauerbrunnens befreit.


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[125/0143] Sah ich, als ſein der Meiſter fünf da der Inſtrumente, ’Nen Einz’gen jüngſt noch ſpielen am Markt das mannichfalte Flöt-Geige-Becken-Pauken- und Halbmondinſtru- mente. Damit war meine Begeiſterung noch nicht er- ſchöpft. Formen und Verſe, Weiſen und Reime, Laiche, Stollen, Stanzen, Aſſonanzen, Diſſonanzen, Decimen, Canzonen, Terzinen, Handwerksburſchen- lieder, Sprichwörtlich, Africaniſches, Madecaſſiſches, an Perſonen, Gelegenheit, Denk- und Sendeblätter, Runenſtäbe, Gepanzertes und Geharniſchtes, Blät- ter und Blüthen, Schutt — alles Dieſes und noch unendlich viel mehr entquoll meinen unermüdlich vom Waſſer bewegten Lippen, ſo daß ich glaube; ich armes nacktes Kind habe da droben auf dem Helikon an jenem Abende in wenigſtens ſechs Dut- zenden der verſchiedenſten Arten und Weiſen meine Kindlichkeit lyriſch ausgeſprochen. Ich weiß nicht, ob ich mich nicht todt geſchrieen haben würde und ein lyriſches Opfer geworden wäre, hätte nicht das Schickſal, welches mich ſchon aus den Fängen des Geiers rettete, nunmehr mich auch von den Folgen jenes hippokreniſchen Sauerbrunnens befreit.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/143>, abgerufen am 28.03.2024.