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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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auch, so oft es nur angehe, ihr Tagwerk im Freien
verrichte, weil die Stubenluft sie bedrücke.

In den Antworten dieser Person zitterte hin
und wieder eine Aengstlichkeit, zu welcher kein
äußerer Grund vorhanden war. Als ich einst in
sie drang, mir zu sagen, warum sie so häufig ohne
Veranlassung seufze und in gewöhnliche Worte
einen schmerzlichen Ton lege, wollte sie anfangs
mit der Sprache nicht heraus, entdeckte mir aber
endlich, daß sie, seitdem in dem Kernbeißer'schen
Hause das Wesen so mächtig geworden sei, gar
keine Ruhe mehr habe. Durch alle die Dinge,
welche sie von Freunden und Gevattern über die
dortigen Ereignisse vernommen, sei sie in die größte
Furcht gesetzt worden, daß sie, wie sie sich aus-
druckte, auch einmal so werden könne, was sie nach
ihrer Sinnesart für das schrecklichste Unglück halten
müsse. Der Gedanke daran lasse ihr Tag und Nacht
keinen Frieden, und sie bete unablässig, daß der
Herr sie damit verschonen wolle. -- Haben Sie denn
irgend schon Anwandlungen in sich gespürt? fragte
ich sie. -- Ach nein, versetzte sie, es ist bei mir bis
auf meine kränklichen Umstände Alles wohl in Ord-
nung, ich weiß, wohin der Hohlsaum gehört und

auch, ſo oft es nur angehe, ihr Tagwerk im Freien
verrichte, weil die Stubenluft ſie bedrücke.

In den Antworten dieſer Perſon zitterte hin
und wieder eine Aengſtlichkeit, zu welcher kein
äußerer Grund vorhanden war. Als ich einſt in
ſie drang, mir zu ſagen, warum ſie ſo häufig ohne
Veranlaſſung ſeufze und in gewöhnliche Worte
einen ſchmerzlichen Ton lege, wollte ſie anfangs
mit der Sprache nicht heraus, entdeckte mir aber
endlich, daß ſie, ſeitdem in dem Kernbeißer’ſchen
Hauſe das Weſen ſo mächtig geworden ſei, gar
keine Ruhe mehr habe. Durch alle die Dinge,
welche ſie von Freunden und Gevattern über die
dortigen Ereigniſſe vernommen, ſei ſie in die größte
Furcht geſetzt worden, daß ſie, wie ſie ſich aus-
druckte, auch einmal ſo werden könne, was ſie nach
ihrer Sinnesart für das ſchrecklichſte Unglück halten
müſſe. Der Gedanke daran laſſe ihr Tag und Nacht
keinen Frieden, und ſie bete unabläſſig, daß der
Herr ſie damit verſchonen wolle. — Haben Sie denn
irgend ſchon Anwandlungen in ſich geſpürt? fragte
ich ſie. — Ach nein, verſetzte ſie, es iſt bei mir bis
auf meine kränklichen Umſtände Alles wohl in Ord-
nung, ich weiß, wohin der Hohlſaum gehört und

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[274/0292] auch, ſo oft es nur angehe, ihr Tagwerk im Freien verrichte, weil die Stubenluft ſie bedrücke. In den Antworten dieſer Perſon zitterte hin und wieder eine Aengſtlichkeit, zu welcher kein äußerer Grund vorhanden war. Als ich einſt in ſie drang, mir zu ſagen, warum ſie ſo häufig ohne Veranlaſſung ſeufze und in gewöhnliche Worte einen ſchmerzlichen Ton lege, wollte ſie anfangs mit der Sprache nicht heraus, entdeckte mir aber endlich, daß ſie, ſeitdem in dem Kernbeißer’ſchen Hauſe das Weſen ſo mächtig geworden ſei, gar keine Ruhe mehr habe. Durch alle die Dinge, welche ſie von Freunden und Gevattern über die dortigen Ereigniſſe vernommen, ſei ſie in die größte Furcht geſetzt worden, daß ſie, wie ſie ſich aus- druckte, auch einmal ſo werden könne, was ſie nach ihrer Sinnesart für das ſchrecklichſte Unglück halten müſſe. Der Gedanke daran laſſe ihr Tag und Nacht keinen Frieden, und ſie bete unabläſſig, daß der Herr ſie damit verſchonen wolle. — Haben Sie denn irgend ſchon Anwandlungen in ſich geſpürt? fragte ich ſie. — Ach nein, verſetzte ſie, es iſt bei mir bis auf meine kränklichen Umſtände Alles wohl in Ord- nung, ich weiß, wohin der Hohlſaum gehört und

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/292>, abgerufen am 20.04.2024.