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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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begriffen hätte, so würde sie sich selbst haben ver-
achten müssen. Aber vorsichtig, Emerentia, flüsterte
sie dem pochenden Herzen zu, vorsichtig, daß die
letzte Täuschung nicht die schlimmste werde!

Sie richtete jene tiefsinnig prüfenden Fragen
an Münchhausen, welche er so wenig verstand, als
die unglücklichen Leser des ersten Theils dieser Ge-
schichten sie werden verstanden haben. Münchhausen
aber gab ihr darauf die befriedigendsten Antworten.
Jetzt war sie versichert, daß ihr durch Blumenhut
und Schurz die Erscheinung des Fürsten von Hechel-
kram angekündiget worden sei. Aber wo, wo weilest
du? fragte ihre sehnsüchtige Seele.

Münchhausen begann zu erzählen, ein Tag nach
dem andern verstrich, Rucciopuccio blieb unsichtbar.
Ihr Gemüth litt unter der unruhigen Erwartung.
Endlich faßte sie sich ein Herz (was wagt nicht ein
liebendes Weib?) und schüchtern sagte sie zu dem
Diener Karl Buttervogel eines Tages, gerade als
sie ihn den Rock Münchhausen's ausklopfend fand:
Karl, sein Sie wahr gegen mich! Wo weilt der
Größere, in dessen Dienste Sie eigentlich stehen?

Karl Buttervogel ließ den Klopfstock sinken,
riß die Augen auf, spuckte, wie gemeine Leute bei

begriffen hätte, ſo würde ſie ſich ſelbſt haben ver-
achten müſſen. Aber vorſichtig, Emerentia, flüſterte
ſie dem pochenden Herzen zu, vorſichtig, daß die
letzte Täuſchung nicht die ſchlimmſte werde!

Sie richtete jene tiefſinnig prüfenden Fragen
an Münchhauſen, welche er ſo wenig verſtand, als
die unglücklichen Leſer des erſten Theils dieſer Ge-
ſchichten ſie werden verſtanden haben. Münchhauſen
aber gab ihr darauf die befriedigendſten Antworten.
Jetzt war ſie verſichert, daß ihr durch Blumenhut
und Schurz die Erſcheinung des Fürſten von Hechel-
kram angekündiget worden ſei. Aber wo, wo weileſt
du? fragte ihre ſehnſüchtige Seele.

Münchhauſen begann zu erzählen, ein Tag nach
dem andern verſtrich, Rucciopuccio blieb unſichtbar.
Ihr Gemüth litt unter der unruhigen Erwartung.
Endlich faßte ſie ſich ein Herz (was wagt nicht ein
liebendes Weib?) und ſchüchtern ſagte ſie zu dem
Diener Karl Buttervogel eines Tages, gerade als
ſie ihn den Rock Münchhauſen’s ausklopfend fand:
Karl, ſein Sie wahr gegen mich! Wo weilt der
Größere, in deſſen Dienſte Sie eigentlich ſtehen?

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[16/0034] begriffen hätte, ſo würde ſie ſich ſelbſt haben ver- achten müſſen. Aber vorſichtig, Emerentia, flüſterte ſie dem pochenden Herzen zu, vorſichtig, daß die letzte Täuſchung nicht die ſchlimmſte werde! Sie richtete jene tiefſinnig prüfenden Fragen an Münchhauſen, welche er ſo wenig verſtand, als die unglücklichen Leſer des erſten Theils dieſer Ge- ſchichten ſie werden verſtanden haben. Münchhauſen aber gab ihr darauf die befriedigendſten Antworten. Jetzt war ſie verſichert, daß ihr durch Blumenhut und Schurz die Erſcheinung des Fürſten von Hechel- kram angekündiget worden ſei. Aber wo, wo weileſt du? fragte ihre ſehnſüchtige Seele. Münchhauſen begann zu erzählen, ein Tag nach dem andern verſtrich, Rucciopuccio blieb unſichtbar. Ihr Gemüth litt unter der unruhigen Erwartung. Endlich faßte ſie ſich ein Herz (was wagt nicht ein liebendes Weib?) und ſchüchtern ſagte ſie zu dem Diener Karl Buttervogel eines Tages, gerade als ſie ihn den Rock Münchhauſen’s ausklopfend fand: Karl, ſein Sie wahr gegen mich! Wo weilt der Größere, in deſſen Dienſte Sie eigentlich ſtehen? Karl Buttervogel ließ den Klopfſtock ſinken, riß die Augen auf, ſpuckte, wie gemeine Leute bei

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/34>, abgerufen am 28.03.2024.