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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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zu ihm sprach: Lisbeth schickt mich zu dir und
läßt dir sagen -- die Taube redete aber nicht aus;
sie wurde ängstlich, flatterte scheu fort, und er be-
kümmerte sich im Traume darüber, daß er nicht zu
erfahren bekam, was sein Mädchen ihm durch den
zarten Boten hatte sagen lassen wollen.

Nach diesem hatte er verworrene Gesichter und
gegen Morgen eins, was ihm kaum noch wie ein
Traum vorkam, es schien ihm Wirklichkeit zu seyn,
die in seine vom Heuduft umwölkten Sinne fiel.
Es war ihm, als ob -- oder vielmehr, es war
in der That so. In einer anderen Ecke des Schop-
pens begann es, sich zu rühren, und der Jäger
sah, wie eine dunkele Gestalt sich reckte, er hörte,
wie sie gähnte und darauf sprach: Mein Treu, ich
glaub', 's ist halber sieb'n. Die Stimme war eine
ihm ganz bekannte. Die Gestalt erhob sich, tastete
umher und kam an den Ort, wo der Jäger lag,
befangen von dem Dunste des Schoppens und un-
fähig ein Glied zu bewegen, ängstlich starr unter
der Last des Alps, der ihn drückte. -- Ei, was a
wüster G'sell! rief die Gestalt. Hast nit heime
finden können? Bist in's Heu gekrochen? Nun-
schlaf aus, ich verstör' dich nit weiter.


zu ihm ſprach: Lisbeth ſchickt mich zu dir und
läßt dir ſagen — die Taube redete aber nicht aus;
ſie wurde ängſtlich, flatterte ſcheu fort, und er be-
kümmerte ſich im Traume darüber, daß er nicht zu
erfahren bekam, was ſein Mädchen ihm durch den
zarten Boten hatte ſagen laſſen wollen.

Nach dieſem hatte er verworrene Geſichter und
gegen Morgen eins, was ihm kaum noch wie ein
Traum vorkam, es ſchien ihm Wirklichkeit zu ſeyn,
die in ſeine vom Heuduft umwölkten Sinne fiel.
Es war ihm, als ob — oder vielmehr, es war
in der That ſo. In einer anderen Ecke des Schop-
pens begann es, ſich zu rühren, und der Jäger
ſah, wie eine dunkele Geſtalt ſich reckte, er hörte,
wie ſie gähnte und darauf ſprach: Mein Treu, ich
glaub’, ’s iſt halber ſieb’n. Die Stimme war eine
ihm ganz bekannte. Die Geſtalt erhob ſich, taſtete
umher und kam an den Ort, wo der Jäger lag,
befangen von dem Dunſte des Schoppens und un-
fähig ein Glied zu bewegen, ängſtlich ſtarr unter
der Laſt des Alps, der ihn drückte. — Ei, was a
wüſter G’ſell! rief die Geſtalt. Haſt nit heime
finden können? Biſt in’s Heu gekrochen? Nun-
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[190/0204] zu ihm ſprach: Lisbeth ſchickt mich zu dir und läßt dir ſagen — die Taube redete aber nicht aus; ſie wurde ängſtlich, flatterte ſcheu fort, und er be- kümmerte ſich im Traume darüber, daß er nicht zu erfahren bekam, was ſein Mädchen ihm durch den zarten Boten hatte ſagen laſſen wollen. Nach dieſem hatte er verworrene Geſichter und gegen Morgen eins, was ihm kaum noch wie ein Traum vorkam, es ſchien ihm Wirklichkeit zu ſeyn, die in ſeine vom Heuduft umwölkten Sinne fiel. Es war ihm, als ob — oder vielmehr, es war in der That ſo. In einer anderen Ecke des Schop- pens begann es, ſich zu rühren, und der Jäger ſah, wie eine dunkele Geſtalt ſich reckte, er hörte, wie ſie gähnte und darauf ſprach: Mein Treu, ich glaub’, ’s iſt halber ſieb’n. Die Stimme war eine ihm ganz bekannte. Die Geſtalt erhob ſich, taſtete umher und kam an den Ort, wo der Jäger lag, befangen von dem Dunſte des Schoppens und un- fähig ein Glied zu bewegen, ängſtlich ſtarr unter der Laſt des Alps, der ihn drückte. — Ei, was a wüſter G’ſell! rief die Geſtalt. Haſt nit heime finden können? Biſt in’s Heu gekrochen? Nun- ſchlaf aus, ich verſtör’ dich nit weiter.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/204>, abgerufen am 19.04.2024.