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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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desfurcht hatte seine Zunge zu wundersamer Ge-
läufigkeit entbunden, und er schwatzte unaufhalt-
sam vermuthlich deßhalb, weil er glaubte, so lange
als er rede, noch nicht todtgeschossen zu seyn.

Der Schriftsteller, der in diesem Dunst, Dampf,
Knall, Getümmel kaum sich selbst vor dem Umge-
ranntwerden zu bewahren vermocht hatte, trat
über den umgestürzten Tisch, das theilweise durch-
löcherte Conferenzprotocoll und die rauchenden
Flüssigkeiten hinweg heftig auf den alten Baron
zu und rief, die Uhr ihm vor die Augen haltend:
Diesen gröblichen Bruch der Verträge möge Ihnen
das Völkerrecht verzeihen, Herr Baron, ich kann
es nicht. Sie haben die Feindseligkeiten dreißig
Secunden vor Ablauf des Waffenstillstandes be-
gonnen.

Mein Herr, polterte der alte Baron, der Sie
sich hier einmischen, ohne daß ich begreife, mit
welchem Rechte, ich habe es nicht mit Ihrem
albernen Waffenstillstande, noch mit jenem verruch-
ten Nachschläfer von neun Monaten, drei Tagen
und achtzehn Stunden zu thun, sondern ich ver-
folge mein Recht wider den Kerl von Bedienten,
der mich noch gröblicher beleidigt hat, als der

desfurcht hatte ſeine Zunge zu wunderſamer Ge-
läufigkeit entbunden, und er ſchwatzte unaufhalt-
ſam vermuthlich deßhalb, weil er glaubte, ſo lange
als er rede, noch nicht todtgeſchoſſen zu ſeyn.

Der Schriftſteller, der in dieſem Dunſt, Dampf,
Knall, Getümmel kaum ſich ſelbſt vor dem Umge-
ranntwerden zu bewahren vermocht hatte, trat
über den umgeſtürzten Tiſch, das theilweiſe durch-
löcherte Conferenzprotocoll und die rauchenden
Flüſſigkeiten hinweg heftig auf den alten Baron
zu und rief, die Uhr ihm vor die Augen haltend:
Dieſen gröblichen Bruch der Verträge möge Ihnen
das Völkerrecht verzeihen, Herr Baron, ich kann
es nicht. Sie haben die Feindſeligkeiten dreißig
Secunden vor Ablauf des Waffenſtillſtandes be-
gonnen.

Mein Herr, polterte der alte Baron, der Sie
ſich hier einmiſchen, ohne daß ich begreife, mit
welchem Rechte, ich habe es nicht mit Ihrem
albernen Waffenſtillſtande, noch mit jenem verruch-
ten Nachſchläfer von neun Monaten, drei Tagen
und achtzehn Stunden zu thun, ſondern ich ver-
folge mein Recht wider den Kerl von Bedienten,
der mich noch gröblicher beleidigt hat, als der

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[325/0339] desfurcht hatte ſeine Zunge zu wunderſamer Ge- läufigkeit entbunden, und er ſchwatzte unaufhalt- ſam vermuthlich deßhalb, weil er glaubte, ſo lange als er rede, noch nicht todtgeſchoſſen zu ſeyn. Der Schriftſteller, der in dieſem Dunſt, Dampf, Knall, Getümmel kaum ſich ſelbſt vor dem Umge- ranntwerden zu bewahren vermocht hatte, trat über den umgeſtürzten Tiſch, das theilweiſe durch- löcherte Conferenzprotocoll und die rauchenden Flüſſigkeiten hinweg heftig auf den alten Baron zu und rief, die Uhr ihm vor die Augen haltend: Dieſen gröblichen Bruch der Verträge möge Ihnen das Völkerrecht verzeihen, Herr Baron, ich kann es nicht. Sie haben die Feindſeligkeiten dreißig Secunden vor Ablauf des Waffenſtillſtandes be- gonnen. Mein Herr, polterte der alte Baron, der Sie ſich hier einmiſchen, ohne daß ich begreife, mit welchem Rechte, ich habe es nicht mit Ihrem albernen Waffenſtillſtande, noch mit jenem verruch- ten Nachſchläfer von neun Monaten, drei Tagen und achtzehn Stunden zu thun, ſondern ich ver- folge mein Recht wider den Kerl von Bedienten, der mich noch gröblicher beleidigt hat, als der

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/339>, abgerufen am 29.03.2024.