weilen einige Jahre und noch wohl gar vergebens zubringet. Wie groß ist also nicht der Nutzen der göttlichen Offenbah- rung in Ansehung der menschlichen Erkänt- niß zu seiner Wohlfahrt, und wie genau stimmet ihre Absicht nicht überein mit der göttlichen Haupt-Absicht, die er bey Er- schaffung dieser gantzen Welt gehabt, da er vernünfftigen Creaturen eine Wol- that erweisen und einiger Glückseligkeit theilhafftig machen wollen? Denn sie brin- get uns auf eine leichte Art zu der Erkänt- niß derjenigen Dinge, welche unser Wol und Weh betreffen. Doch dieses ist fast einen jeden bekannt: derowegen will ich nur unmittelbahr auf die göttlichen Weis- sagungen kommen, und auf die Frage ant- worten, warum GOtt selbige mehrentheils verblühmt und etwas dunckel ausdrucken lassen?
§. 3.
Erste Ur- sache, warum die Pro- phezei- hungen insge- mein et- was dunckel ausge-
Man pflegt zur Ursach insgemein fol- gendes anzuführen. Es sey damahls un- ter allen Völckern gebräuchlich gewesen verblümt und figürlich zu schreiben, und man habe diejenigen Schrifften vor die zierlichsten, artigsten und angenehmsten gehalten, welche alles durch Gleichnisse und
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weilen einige Jahre und noch wohl gar vergebens zubringet. Wie groß iſt alſo nicht der Nutzen der goͤttlichen Offenbah- rung in Anſehung der menſchlichen Erkaͤnt- niß zu ſeiner Wohlfahrt, und wie genau ſtimmet ihre Abſicht nicht uͤberein mit der goͤttlichen Haupt-Abſicht, die er bey Er- ſchaffung dieſer gantzen Welt gehabt, da er vernuͤnfftigen Creaturen eine Wol- that erweiſen und einiger Gluͤckſeligkeit theilhafftig machen wollen? Denn ſie brin- get uns auf eine leichte Art zu der Erkaͤnt- niß derjenigen Dinge, welche unſer Wol und Weh betreffen. Doch dieſes iſt faſt einen jeden bekannt: derowegen will ich nur unmittelbahr auf die goͤttlichen Weiſ- ſagungen kommen, und auf die Frage ant- worten, warum GOtt ſelbige mehrentheils verbluͤhmt und etwas dunckel ausdrucken laſſen?
§. 3.
Erſte Ur- ſache, warum die Pro- phezei- hungen insge- mein et- was dunckel ausge-
Man pflegt zur Urſach insgemein fol- gendes anzufuͤhren. Es ſey damahls un- ter allen Voͤlckern gebraͤuchlich geweſen verbluͤmt und figuͤrlich zu ſchreiben, und man habe diejenigen Schrifften vor die zierlichſten, artigſten und angenehmſten gehalten, welche alles durch Gleichniſſe und
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[64/0100]
weilen einige Jahre und noch wohl gar
vergebens zubringet. Wie groß iſt alſo
nicht der Nutzen der goͤttlichen Offenbah-
rung in Anſehung der menſchlichen Erkaͤnt-
niß zu ſeiner Wohlfahrt, und wie genau
ſtimmet ihre Abſicht nicht uͤberein mit der
goͤttlichen Haupt-Abſicht, die er bey Er-
ſchaffung dieſer gantzen Welt gehabt, da
er vernuͤnfftigen Creaturen eine Wol-
that erweiſen und einiger Gluͤckſeligkeit
theilhafftig machen wollen? Denn ſie brin-
get uns auf eine leichte Art zu der Erkaͤnt-
niß derjenigen Dinge, welche unſer Wol
und Weh betreffen. Doch dieſes iſt faſt
einen jeden bekannt: derowegen will ich
nur unmittelbahr auf die goͤttlichen Weiſ-
ſagungen kommen, und auf die Frage ant-
worten, warum GOtt ſelbige mehrentheils
verbluͤhmt und etwas dunckel ausdrucken
laſſen?
§. 3.
Man pflegt zur Urſach insgemein fol-
gendes anzufuͤhren. Es ſey damahls un-
ter allen Voͤlckern gebraͤuchlich geweſen
verbluͤmt und figuͤrlich zu ſchreiben, und
man habe diejenigen Schrifften vor die
zierlichſten, artigſten und angenehmſten
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/100>, abgerufen am 19.04.2024.
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