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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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kommene Gehorsam, den er für uns ge-
leistet, wird von den Theologen Christi
Gnugthuung (Satisfactio) genant. Sie
sagen, Christus habe durch sein Leiden und
Gehorsam der göttlichen Gerechtigkeit an
unserer Stelle und uns zu gute genug ge-
than. Man findet diese Redensarten
in der Schrift nicht. Will sie aus die-
ser Ursach ein ander nicht gebrauchen, so
wollen wir dieserwegen gar keinen Streit
mit ihm anfangen. Nur aber erlaube
man auch uns, daß wir diese einmal
eingeführte Redens-Arten behalten, und
mehr sehen auf die Sache, welche man
damit vorträgt, als auf die Worte selbst.
Wir wollen diese Worte derowegen er-
klären.

§. 26.
Was eine
Gnug-
thuung
sey?

Man nennet überhaupt eine Gnugthu-
ung die Erfüllung dessen, was ein Gesetz
haben will. Ein Gesetz aber fordert ent-
weder Gehorsam oder Strafe. Soll
also dem Gesetz ein Gnüge geschehen, so
muß demselben entweder eine gehorsame
Folge geleistet oder der Ungehorsam durch
Erduldung der gesetzten Strafe gebüsset
werden. Beydes geschiehet entweder
von demjenigen, dem das Gesetz gegeben
und demselben unterworffen ist, oder von
einem Fremden in des andern Nahmen.

Daher





kommene Gehorſam, den er fuͤr uns ge-
leiſtet, wird von den Theologen Chriſti
Gnugthuung (Satisfactio) genant. Sie
ſagen, Chriſtus habe durch ſein Leiden und
Gehorſam der goͤttlichen Gerechtigkeit an
unſerer Stelle und uns zu gute genug ge-
than. Man findet dieſe Redensarten
in der Schrift nicht. Will ſie aus die-
ſer Urſach ein ander nicht gebrauchen, ſo
wollen wir dieſerwegen gar keinen Streit
mit ihm anfangen. Nur aber erlaube
man auch uns, daß wir dieſe einmal
eingefuͤhrte Redens-Arten behalten, und
mehr ſehen auf die Sache, welche man
damit vortraͤgt, als auf die Worte ſelbſt.
Wir wollen dieſe Worte derowegen er-
klaͤren.

§. 26.
Was eine
Gnug-
thuung
ſey?

Man nennet uͤberhaupt eine Gnugthu-
ung die Erfuͤllung deſſen, was ein Geſetz
haben will. Ein Geſetz aber fordert ent-
weder Gehorſam oder Strafe. Soll
alſo dem Geſetz ein Gnuͤge geſchehen, ſo
muß demſelben entweder eine gehorſame
Folge geleiſtet oder der Ungehorſam durch
Erduldung der geſetzten Strafe gebuͤſſet
werden. Beydes geſchiehet entweder
von demjenigen, dem das Geſetz gegeben
und demſelben unterworffen iſt, oder von
einem Fremden in des andern Nahmen.

Daher
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[370[366]/0402] kommene Gehorſam, den er fuͤr uns ge- leiſtet, wird von den Theologen Chriſti Gnugthuung (Satisfactio) genant. Sie ſagen, Chriſtus habe durch ſein Leiden und Gehorſam der goͤttlichen Gerechtigkeit an unſerer Stelle und uns zu gute genug ge- than. Man findet dieſe Redensarten in der Schrift nicht. Will ſie aus die- ſer Urſach ein ander nicht gebrauchen, ſo wollen wir dieſerwegen gar keinen Streit mit ihm anfangen. Nur aber erlaube man auch uns, daß wir dieſe einmal eingefuͤhrte Redens-Arten behalten, und mehr ſehen auf die Sache, welche man damit vortraͤgt, als auf die Worte ſelbſt. Wir wollen dieſe Worte derowegen er- klaͤren. §. 26. Man nennet uͤberhaupt eine Gnugthu- ung die Erfuͤllung deſſen, was ein Geſetz haben will. Ein Geſetz aber fordert ent- weder Gehorſam oder Strafe. Soll alſo dem Geſetz ein Gnuͤge geſchehen, ſo muß demſelben entweder eine gehorſame Folge geleiſtet oder der Ungehorſam durch Erduldung der geſetzten Strafe gebuͤſſet werden. Beydes geſchiehet entweder von demjenigen, dem das Geſetz gegeben und demſelben unterworffen iſt, oder von einem Fremden in des andern Nahmen. Daher

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 370[366]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/402>, abgerufen am 25.04.2024.