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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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gleich etwas hartes erfahren müssen, so läs-
set doch diese Liebe nicht leichtlich zu, daß
sie sich von den Jhrigen trennen und ent-
fernen solten. Daß diese Liebe allgemein,
siehet man an denenjenigen, die ihr Vater-
land und den Ort ihrer Erziehung verlas-
sen müssen. Denn dieses thut ihnen alle-
zeit etwas wehe, wenn sie auch gleich wis-
sen, daß sie an einen bessern Ort kommen.
Dieses würde aber schwehrlich seyn, wenn
die Kinder ihre Eltern in dem ersten hal-
ben Jahre verlassen und als Thiere leben
könten. Wie vortrefflich und wie weise ist
also die Absicht, welche GOtt dabey hat,
daß er die Kinder in einem weit krafftlosern
Zustande lässet gebohren werden, als an-
dere Thiere der Erden. Es ist dieses nö-
thig, wenn sie zur Sprache, zum Verstan-
de, zum gesellschafftlichen Leben und also
zu einer grössern Glückseeligkeit als die
Thiere sollen gebracht werden.

§. 11.

Jch habe oben erwehnet, daß bey derWarum
der Kopff
der kleinen
Kinder
nicht völ-
lig mit
Knochen
umgeben?

Geburth des Menschen auch dieses beson-
dere anzutreffen, daß der Mensch nicht mit
einer geschlossenen und festen Hirn-Schaa-
le auf die Welt komme, wie die Thiere,
sondern daß ein grosser und breiter Strich

auf
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gleich etwas hartes erfahren muͤſſen, ſo laͤſ-
ſet doch dieſe Liebe nicht leichtlich zu, daß
ſie ſich von den Jhrigen trennen und ent-
fernen ſolten. Daß dieſe Liebe allgemein,
ſiehet man an denenjenigen, die ihr Vater-
land und den Ort ihrer Erziehung verlaſ-
ſen muͤſſen. Denn dieſes thut ihnen alle-
zeit etwas wehe, wenn ſie auch gleich wiſ-
ſen, daß ſie an einen beſſern Ort kommen.
Dieſes wuͤrde aber ſchwehrlich ſeyn, wenn
die Kinder ihre Eltern in dem erſten hal-
ben Jahre verlaſſen und als Thiere leben
koͤnten. Wie vortrefflich und wie weiſe iſt
alſo die Abſicht, welche GOtt dabey hat,
daß er die Kinder in einem weit krafftloſern
Zuſtande laͤſſet gebohren werden, als an-
dere Thiere der Erden. Es iſt dieſes noͤ-
thig, wenn ſie zur Sprache, zum Verſtan-
de, zum geſellſchafftlichen Leben und alſo
zu einer groͤſſern Gluͤckſeeligkeit als die
Thiere ſollen gebracht werden.

§. 11.

Jch habe oben erwehnet, daß bey derWarum
der Kopff
der kleinẽ
Kinder
nicht voͤl-
lig mit
Knochen
umgeben?

Geburth des Menſchen auch dieſes beſon-
dere anzutreffen, daß der Menſch nicht mit
einer geſchloſſenen und feſten Hirn-Schaa-
le auf die Welt komme, wie die Thiere,
ſondern daß ein groſſer und breiter Strich

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[53/0089] gleich etwas hartes erfahren muͤſſen, ſo laͤſ- ſet doch dieſe Liebe nicht leichtlich zu, daß ſie ſich von den Jhrigen trennen und ent- fernen ſolten. Daß dieſe Liebe allgemein, ſiehet man an denenjenigen, die ihr Vater- land und den Ort ihrer Erziehung verlaſ- ſen muͤſſen. Denn dieſes thut ihnen alle- zeit etwas wehe, wenn ſie auch gleich wiſ- ſen, daß ſie an einen beſſern Ort kommen. Dieſes wuͤrde aber ſchwehrlich ſeyn, wenn die Kinder ihre Eltern in dem erſten hal- ben Jahre verlaſſen und als Thiere leben koͤnten. Wie vortrefflich und wie weiſe iſt alſo die Abſicht, welche GOtt dabey hat, daß er die Kinder in einem weit krafftloſern Zuſtande laͤſſet gebohren werden, als an- dere Thiere der Erden. Es iſt dieſes noͤ- thig, wenn ſie zur Sprache, zum Verſtan- de, zum geſellſchafftlichen Leben und alſo zu einer groͤſſern Gluͤckſeeligkeit als die Thiere ſollen gebracht werden. §. 11. Jch habe oben erwehnet, daß bey der Geburth des Menſchen auch dieſes beſon- dere anzutreffen, daß der Menſch nicht mit einer geſchloſſenen und feſten Hirn-Schaa- le auf die Welt komme, wie die Thiere, ſondern daß ein groſſer und breiter Strich auf Warum der Kopff der kleinẽ Kinder nicht voͤl- lig mit Knochen umgeben? D 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/89>, abgerufen am 18.04.2024.