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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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Zusammenhang und keine Ubereinstim-
mung drinne.

§. 10.

Wir können nicht umhin, bey dieser Ge-Betrach-
tung eini-
ger Grün-
de für die
Vielwei-
berey.

legenheit auch die Gründe anzuführen, wo-
mit der jetzt angeführte Gelehrte die Noth-
wendigkeit der Vielweiberey oder der Kebs-
weiber neben der Frau vom ersten Rang
feste setzen will. Er schreibet also:

"Und was zieht die Verbietung des
"Concubinats in Privat-Ehen nicht vor
"seltsame Ungeheuer nach sich? Wie viel
"Ehen werden nicht aus Zwang der Eltern,
"Persuasion und Jnteresse gemacht, in wel-
"cher die Eheleute niemals zu einer Har-
"monie gelangen können, wodurch sie sich
"fast genöthiget finden, zu Hurerey, stum-
"men Sünden und Ehebruch, dessen sie bey
"dem Concubinat enthoben seyn könnten,
"zu greiffen. Wie offt kan ein Mann
"von der Frau die eheliche Pflicht entweder
"wegen des Eigensinnes derselben, oder
"auch wegen Mangel des Appetits nicht
"erhalten, wenn nun der Mann vollblütig
"ist, was ist da bey verbothenem Concubi-
"nat (*) zu thun? Der Richter kan die-
"sem Uebel nicht abhelffen, weilen er einer

"capricieusen
(*) Bey dem Gebrauch des Wortes Concubinat
müssen wir anmercken, daß so wohl der Ge-
lehrte, dessen Worte wir hie anführen, als
auch andere den Concubinatum und Pelli-
catum
mit einander vermischen, und dadurch
Unwissende mit falschen Schlüssen hinter-
gehen. Concubinatus ist eine ehliche Ge-
sellschafft zwischen einem vornehmen ledigen
Manne und einer geringen ledigen Frauens-
Person, welche von einer sonst gewöhnlichen
Ehe sich dadurch unterscheidet, daß man in
selbige ohne die sonst gewöhnlichen Ceremo-
nien trit, und die Concubine nebst den Kin-
dern, so sie zeuget, an den Gütern und Wür-
den des Mannes keinen Antheil hat. Der
Pellicatus aber ist eine ehliche Gesellschafft,
in welcher ein Mann neben der Frau vom er-
sten Rang andere Nebenfrauen hält, die
nicht wie die erste, an seinen Würden und
Vermögen Antheil haben. Diejenigen, so
diesen Unterschied nicht beobachten, betrügen
die Unwissenden, und überreden sie fälschlich,
wo in alten Urkunden des Concubinats ge-
dacht werde, da sey die Rede von einer Ehe,
wo neben der ersten Frau auch andere vom
geringern Range sich befinden. Unser Ge-
lehrter



Zuſammenhang und keine Ubereinſtim-
mung drinne.

§. 10.

Wir koͤnnen nicht umhin, bey dieſer Ge-Betrach-
tung eini-
ger Gruͤn-
de fuͤr die
Vielwei-
berey.

legenheit auch die Gruͤnde anzufuͤhren, wo-
mit der jetzt angefuͤhrte Gelehrte die Noth-
wendigkeit der Vielweiberey oder der Kebs-
weiber neben der Frau vom erſten Rang
feſte ſetzen will. Er ſchreibet alſo:

„Und was zieht die Verbietung des
„Concubinats in Privat-Ehen nicht vor
„ſeltſame Ungeheuer nach ſich? Wie viel
„Ehen werden nicht aus Zwang der Eltern,
„Perſuaſion und Jntereſſe gemacht, in wel-
„cher die Eheleute niemals zu einer Har-
„monie gelangen koͤnnen, wodurch ſie ſich
„faſt genoͤthiget finden, zu Hurerey, ſtum-
„men Suͤnden und Ehebruch, deſſen ſie bey
„dem Concubinat enthoben ſeyn koͤnnten,
„zu greiffen. Wie offt kan ein Mann
„von der Frau die eheliche Pflicht entweder
„wegen des Eigenſinnes derſelben, oder
„auch wegen Mangel des Appetits nicht
„erhalten, wenn nun der Mann vollbluͤtig
„iſt, was iſt da bey verbothenem Concubi-
„nat (*) zu thun? Der Richter kan die-
„ſem Uebel nicht abhelffen, weilen er einer

„capricieuſen
(*) Bey dem Gebrauch des Wortes Concubinat
muͤſſen wir anmercken, daß ſo wohl der Ge-
lehrte, deſſen Worte wir hie anfuͤhren, als
auch andere den Concubinatum und Pelli-
catum
mit einander vermiſchen, und dadurch
Unwiſſende mit falſchen Schluͤſſen hinter-
gehen. Concubinatus iſt eine ehliche Ge-
ſellſchafft zwiſchen einem vornehmen ledigen
Manne und einer geringen ledigen Frauens-
Perſon, welche von einer ſonſt gewoͤhnlichen
Ehe ſich dadurch unterſcheidet, daß man in
ſelbige ohne die ſonſt gewoͤhnlichen Ceremo-
nien trit, und die Concubine nebſt den Kin-
dern, ſo ſie zeuget, an den Guͤtern und Wuͤr-
den des Mannes keinen Antheil hat. Der
Pellicatus aber iſt eine ehliche Geſellſchafft,
in welcher ein Mann neben der Frau vom er-
ſten Rang andere Nebenfrauen haͤlt, die
nicht wie die erſte, an ſeinen Wuͤrden und
Vermoͤgen Antheil haben. Diejenigen, ſo
dieſen Unterſchied nicht beobachten, betruͤgen
die Unwiſſenden, und uͤberreden ſie faͤlſchlich,
wo in alten Urkunden des Concubinats ge-
dacht werde, da ſey die Rede von einer Ehe,
wo neben der erſten Frau auch andere vom
geringern Range ſich befinden. Unſer Ge-
lehrter
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[173/0191] Zuſammenhang und keine Ubereinſtim- mung drinne. §. 10. Wir koͤnnen nicht umhin, bey dieſer Ge- legenheit auch die Gruͤnde anzufuͤhren, wo- mit der jetzt angefuͤhrte Gelehrte die Noth- wendigkeit der Vielweiberey oder der Kebs- weiber neben der Frau vom erſten Rang feſte ſetzen will. Er ſchreibet alſo: Betrach- tung eini- ger Gruͤn- de fuͤr die Vielwei- berey. „Und was zieht die Verbietung des „Concubinats in Privat-Ehen nicht vor „ſeltſame Ungeheuer nach ſich? Wie viel „Ehen werden nicht aus Zwang der Eltern, „Perſuaſion und Jntereſſe gemacht, in wel- „cher die Eheleute niemals zu einer Har- „monie gelangen koͤnnen, wodurch ſie ſich „faſt genoͤthiget finden, zu Hurerey, ſtum- „men Suͤnden und Ehebruch, deſſen ſie bey „dem Concubinat enthoben ſeyn koͤnnten, „zu greiffen. Wie offt kan ein Mann „von der Frau die eheliche Pflicht entweder „wegen des Eigenſinnes derſelben, oder „auch wegen Mangel des Appetits nicht „erhalten, wenn nun der Mann vollbluͤtig „iſt, was iſt da bey verbothenem Concubi- „nat (*) zu thun? Der Richter kan die- „ſem Uebel nicht abhelffen, weilen er einer „capricieuſen (*) Bey dem Gebrauch des Wortes Concubinat muͤſſen wir anmercken, daß ſo wohl der Ge- lehrte, deſſen Worte wir hie anfuͤhren, als auch andere den Concubinatum und Pelli- catum mit einander vermiſchen, und dadurch Unwiſſende mit falſchen Schluͤſſen hinter- gehen. Concubinatus iſt eine ehliche Ge- ſellſchafft zwiſchen einem vornehmen ledigen Manne und einer geringen ledigen Frauens- Perſon, welche von einer ſonſt gewoͤhnlichen Ehe ſich dadurch unterſcheidet, daß man in ſelbige ohne die ſonſt gewoͤhnlichen Ceremo- nien trit, und die Concubine nebſt den Kin- dern, ſo ſie zeuget, an den Guͤtern und Wuͤr- den des Mannes keinen Antheil hat. Der Pellicatus aber iſt eine ehliche Geſellſchafft, in welcher ein Mann neben der Frau vom er- ſten Rang andere Nebenfrauen haͤlt, die nicht wie die erſte, an ſeinen Wuͤrden und Vermoͤgen Antheil haben. Diejenigen, ſo dieſen Unterſchied nicht beobachten, betruͤgen die Unwiſſenden, und uͤberreden ſie faͤlſchlich, wo in alten Urkunden des Concubinats ge- dacht werde, da ſey die Rede von einer Ehe, wo neben der erſten Frau auch andere vom geringern Range ſich befinden. Unſer Ge- lehrter

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/191>, abgerufen am 18.04.2024.