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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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gen ihre Erfüllung erreichen sollten, allezeit
mit ausdrücklichen und deutlichen Worten
hätte entdecken wollen. Was würde
wohl geschehen seyn, wenn zum Exempel der
HErr seinem Volck hätte wissen lassen,
daß die Ankunfft des Jmmanuels, und
die grosse Bekehrung der Heiden erst nach
einigen hundert Jahren geschehen, und
darauf sein gesammtes Volck die Ober-
hand auf dem Erdboden bekommen soll-
te? Würde dieses nicht auch einen
grossen Theil der treuesten Verehrer
GOttes auf zweiffelhaffte Gedancken ge-
bracht haben? Würden viele nicht allen
Muth verlohren und gedacht haben:
Wer weiß, was nach so vielen hundert
Jahren seyn wird? Und würden die
Feinde des Volckes GOttes nicht gesagt
haben: Jhr GOTT spotte ihrer nur,
oder ihre Propheten suchten sie zu hinter-
gehen, indem man sie auf eine Glückse-
ligkeit vertröstete, die ihre Nachkommen
nach vielen hundert Jahren erst sehen
sollten. Würde man nicht auf den
Schluß verfallen seyn? Jst der GOtt
Jsraels ein wahrer und mächtiger GOtt
und liebet sein Volck, so kan er ja das-

selbe



gen ihre Erfuͤllung erreichen ſollten, allezeit
mit ausdruͤcklichen und deutlichen Worten
haͤtte entdecken wollen. Was wuͤrde
wohl geſchehen ſeyn, wenn zum Exempel der
HErr ſeinem Volck haͤtte wiſſen laſſen,
daß die Ankunfft des Jmmanuels, und
die groſſe Bekehrung der Heiden erſt nach
einigen hundert Jahren geſchehen, und
darauf ſein geſammtes Volck die Ober-
hand auf dem Erdboden bekommen ſoll-
te? Wuͤrde dieſes nicht auch einen
groſſen Theil der treueſten Verehrer
GOttes auf zweiffelhaffte Gedancken ge-
bracht haben? Wuͤrden viele nicht allen
Muth verlohren und gedacht haben:
Wer weiß, was nach ſo vielen hundert
Jahren ſeyn wird? Und wuͤrden die
Feinde des Volckes GOttes nicht geſagt
haben: Jhr GOTT ſpotte ihrer nur,
oder ihre Propheten ſuchten ſie zu hinter-
gehen, indem man ſie auf eine Gluͤckſe-
ligkeit vertroͤſtete, die ihre Nachkommen
nach vielen hundert Jahren erſt ſehen
ſollten. Wuͤrde man nicht auf den
Schluß verfallen ſeyn? Jſt der GOtt
Jſraels ein wahrer und maͤchtiger GOtt
und liebet ſein Volck, ſo kan er ja daſ-

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[140/0158] gen ihre Erfuͤllung erreichen ſollten, allezeit mit ausdruͤcklichen und deutlichen Worten haͤtte entdecken wollen. Was wuͤrde wohl geſchehen ſeyn, wenn zum Exempel der HErr ſeinem Volck haͤtte wiſſen laſſen, daß die Ankunfft des Jmmanuels, und die groſſe Bekehrung der Heiden erſt nach einigen hundert Jahren geſchehen, und darauf ſein geſammtes Volck die Ober- hand auf dem Erdboden bekommen ſoll- te? Wuͤrde dieſes nicht auch einen groſſen Theil der treueſten Verehrer GOttes auf zweiffelhaffte Gedancken ge- bracht haben? Wuͤrden viele nicht allen Muth verlohren und gedacht haben: Wer weiß, was nach ſo vielen hundert Jahren ſeyn wird? Und wuͤrden die Feinde des Volckes GOttes nicht geſagt haben: Jhr GOTT ſpotte ihrer nur, oder ihre Propheten ſuchten ſie zu hinter- gehen, indem man ſie auf eine Gluͤckſe- ligkeit vertroͤſtete, die ihre Nachkommen nach vielen hundert Jahren erſt ſehen ſollten. Wuͤrde man nicht auf den Schluß verfallen ſeyn? Jſt der GOtt Jſraels ein wahrer und maͤchtiger GOtt und liebet ſein Volck, ſo kan er ja daſ- ſelbe

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/158>, abgerufen am 24.04.2024.