Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



bes Mann seyn, und man schliesset daher,
daß die Vielweiberey damals unter den
Christen müsse gebräuchlich gewesen seyn,
weil sonsten Paulus diesen Personen
nicht insbesondere würde anbefohlen
haben, nur eine Frau zu haben. Allein
es ist dieser Schluß, wie schon von vie-
len erinnert worden, eben so richtig, als
wenn man aus 1. Timoth. Cap. 5. v. 9.
schliessen wollte, daß unter den ersten
Christen manche Frau auch mehr als ei-
nen Mann zugleich gehabt. Denn wie
dorten Paulus von den Bischöffen for-
dert, daß ein jeder nur eines Weibes
Mann seyn soll, so befiehlt er hier, daß
keine Wittwe soll erwehlet, oder unter
die Armen, so die Gemeinde ernehrte,
aufgenommen werden, als die nur eines
Mannes Frau gewesen. Warum macht
man diesen Schluß nicht, da doch be-
kannt, daß wie bey verschiedenen Völ-
ckern die Vielweiberey gewesen, also bey
andern Völckern einer Frau mehr Män-
ner zu nehmen erlaubt worden (*)? Da
man aber diesen Schluß für unrichtig
hält, so erkläre man die ersten Aussprü-
che des Apostels, wie diesen letztern, sie

stehen
(*) Conf. 10. Alb. Fabricii Bibliographia An-
tiqu. Cap. XX. §. XI.



bes Mann ſeyn, und man ſchlieſſet daher,
daß die Vielweiberey damals unter den
Chriſten muͤſſe gebraͤuchlich geweſen ſeyn,
weil ſonſten Paulus dieſen Perſonen
nicht insbeſondere wuͤrde anbefohlen
haben, nur eine Frau zu haben. Allein
es iſt dieſer Schluß, wie ſchon von vie-
len erinnert worden, eben ſo richtig, als
wenn man aus 1. Timoth. Cap. 5. v. 9.
ſchlieſſen wollte, daß unter den erſten
Chriſten manche Frau auch mehr als ei-
nen Mann zugleich gehabt. Denn wie
dorten Paulus von den Biſchoͤffen for-
dert, daß ein jeder nur eines Weibes
Mann ſeyn ſoll, ſo befiehlt er hier, daß
keine Wittwe ſoll erwehlet, oder unter
die Armen, ſo die Gemeinde ernehrte,
aufgenommen werden, als die nur eines
Mannes Frau geweſen. Warum macht
man dieſen Schluß nicht, da doch be-
kannt, daß wie bey verſchiedenen Voͤl-
ckern die Vielweiberey geweſen, alſo bey
andern Voͤlckern einer Frau mehr Maͤn-
ner zu nehmen erlaubt worden (*)? Da
man aber dieſen Schluß fuͤr unrichtig
haͤlt, ſo erklaͤre man die erſten Ausſpruͤ-
che des Apoſtels, wie dieſen letztern, ſie

ſtehen
(*) Conf. 10. Alb. Fabricii Bibliographia An-
tiqu. Cap. XX. §. XI.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0258" n="240"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
bes Mann &#x017F;eyn, und man &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et daher,<lb/>
daß die Vielweiberey damals unter den<lb/>
Chri&#x017F;ten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gebra&#x0364;uchlich gewe&#x017F;en &#x017F;eyn,<lb/>
weil &#x017F;on&#x017F;ten Paulus die&#x017F;en Per&#x017F;onen<lb/>
nicht insbe&#x017F;ondere wu&#x0364;rde anbefohlen<lb/>
haben, nur eine Frau zu haben. Allein<lb/>
es i&#x017F;t die&#x017F;er Schluß, wie &#x017F;chon von vie-<lb/>
len erinnert worden, eben &#x017F;o richtig, als<lb/>
wenn man aus 1. Timoth. Cap. 5. v. 9.<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en wollte, daß unter den er&#x017F;ten<lb/>
Chri&#x017F;ten manche Frau auch mehr als ei-<lb/>
nen Mann zugleich gehabt. Denn wie<lb/>
dorten Paulus von den Bi&#x017F;cho&#x0364;ffen for-<lb/>
dert, daß ein jeder nur eines Weibes<lb/>
Mann &#x017F;eyn &#x017F;oll, &#x017F;o befiehlt er hier, daß<lb/>
keine Wittwe &#x017F;oll erwehlet, oder unter<lb/>
die Armen, &#x017F;o die Gemeinde ernehrte,<lb/>
aufgenommen werden, als die nur eines<lb/>
Mannes Frau gewe&#x017F;en. Warum macht<lb/>
man die&#x017F;en Schluß nicht, da doch be-<lb/>
kannt, daß wie bey ver&#x017F;chiedenen Vo&#x0364;l-<lb/>
ckern die Vielweiberey gewe&#x017F;en, al&#x017F;o bey<lb/>
andern Vo&#x0364;lckern einer Frau mehr Ma&#x0364;n-<lb/>
ner zu nehmen erlaubt worden <note place="foot" n="(*)"><hi rendition="#aq">Conf. 10. <hi rendition="#k">Alb. Fabricii</hi> Bibliographia An-<lb/>
tiqu. Cap. XX. §. XI.</hi></note>? Da<lb/>
man aber die&#x017F;en Schluß fu&#x0364;r unrichtig<lb/>
ha&#x0364;lt, &#x017F;o erkla&#x0364;re man die er&#x017F;ten Aus&#x017F;pru&#x0364;-<lb/>
che des Apo&#x017F;tels, wie die&#x017F;en letztern, &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tehen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0258] bes Mann ſeyn, und man ſchlieſſet daher, daß die Vielweiberey damals unter den Chriſten muͤſſe gebraͤuchlich geweſen ſeyn, weil ſonſten Paulus dieſen Perſonen nicht insbeſondere wuͤrde anbefohlen haben, nur eine Frau zu haben. Allein es iſt dieſer Schluß, wie ſchon von vie- len erinnert worden, eben ſo richtig, als wenn man aus 1. Timoth. Cap. 5. v. 9. ſchlieſſen wollte, daß unter den erſten Chriſten manche Frau auch mehr als ei- nen Mann zugleich gehabt. Denn wie dorten Paulus von den Biſchoͤffen for- dert, daß ein jeder nur eines Weibes Mann ſeyn ſoll, ſo befiehlt er hier, daß keine Wittwe ſoll erwehlet, oder unter die Armen, ſo die Gemeinde ernehrte, aufgenommen werden, als die nur eines Mannes Frau geweſen. Warum macht man dieſen Schluß nicht, da doch be- kannt, daß wie bey verſchiedenen Voͤl- ckern die Vielweiberey geweſen, alſo bey andern Voͤlckern einer Frau mehr Maͤn- ner zu nehmen erlaubt worden (*)? Da man aber dieſen Schluß fuͤr unrichtig haͤlt, ſo erklaͤre man die erſten Ausſpruͤ- che des Apoſtels, wie dieſen letztern, ſie ſtehen (*) Conf. 10. Alb. Fabricii Bibliographia An- tiqu. Cap. XX. §. XI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/258
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/258>, abgerufen am 28.03.2024.