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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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dentlich. Sie beobachten ihre Zeit auf
die geringste Augenblicke, und wir können
nicht anders als für gewiß annehmen, daß
der Schöpfer selbige so genau kennet und
übersiehet, als die Dinge dieser Erden.
Auf selbiger aber kennet er das innigste der
geringsten Kleinigkeiten, und siehet alle ihre
Würckungen zum Voraus, auch so gar die
willkührlichen Entschliessungen der Men-
schen. Es wird ihm derowegen auch in
jenen Cörpern alles zum Voraus bekannt
seyn. Jst aber dieses, kan man demnach
zweifeln, daß GOtt alles wisse und auch
alles künftige zum Voraus sehe? Will
jemand sich einen Begriff von dem unend-
lichen Verstande des Schöpfers machen,
der betrachte eine eintzige Biene und die
göttliche Weisheit, so sich in selbiger spie-
gelt. Er zähle die Menge der Thiere in
einem eintzigen Stocke oder Korbe. Er
schliesse davon auf die Menge derselben auf
dem Erdboden. Er berechne die mancher-
ley Arten von lebendigen und leblosen Ge-
schöpfen dieser Erden, die eine gleiche gött-
liche Weißheit offenbar machen. Er be-
dencke, daß diese Erde, auf welcher aus al-
len Ecken Strahlen einer göttlichen Weiß-

heit



dentlich. Sie beobachten ihre Zeit auf
die geringſte Augenblicke, und wir koͤnnen
nicht anders als fuͤr gewiß annehmen, daß
der Schoͤpfer ſelbige ſo genau kennet und
uͤberſiehet, als die Dinge dieſer Erden.
Auf ſelbiger aber kennet er das innigſte der
geringſten Kleinigkeiten, und ſiehet alle ihre
Wuͤrckungen zum Voraus, auch ſo gar die
willkuͤhrlichen Entſchlieſſungen der Men-
ſchen. Es wird ihm derowegen auch in
jenen Coͤrpern alles zum Voraus bekannt
ſeyn. Jſt aber dieſes, kan man demnach
zweifeln, daß GOtt alles wiſſe und auch
alles kuͤnftige zum Voraus ſehe? Will
jemand ſich einen Begriff von dem unend-
lichen Verſtande des Schoͤpfers machen,
der betrachte eine eintzige Biene und die
goͤttliche Weisheit, ſo ſich in ſelbiger ſpie-
gelt. Er zaͤhle die Menge der Thiere in
einem eintzigen Stocke oder Korbe. Er
ſchlieſſe davon auf die Menge derſelben auf
dem Erdboden. Er berechne die mancher-
ley Arten von lebendigen und lebloſen Ge-
ſchoͤpfen dieſer Erden, die eine gleiche goͤtt-
liche Weißheit offenbar machen. Er be-
dencke, daß dieſe Erde, auf welcher aus al-
len Ecken Strahlen einer goͤttlichen Weiß-

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[316/0334] dentlich. Sie beobachten ihre Zeit auf die geringſte Augenblicke, und wir koͤnnen nicht anders als fuͤr gewiß annehmen, daß der Schoͤpfer ſelbige ſo genau kennet und uͤberſiehet, als die Dinge dieſer Erden. Auf ſelbiger aber kennet er das innigſte der geringſten Kleinigkeiten, und ſiehet alle ihre Wuͤrckungen zum Voraus, auch ſo gar die willkuͤhrlichen Entſchlieſſungen der Men- ſchen. Es wird ihm derowegen auch in jenen Coͤrpern alles zum Voraus bekannt ſeyn. Jſt aber dieſes, kan man demnach zweifeln, daß GOtt alles wiſſe und auch alles kuͤnftige zum Voraus ſehe? Will jemand ſich einen Begriff von dem unend- lichen Verſtande des Schoͤpfers machen, der betrachte eine eintzige Biene und die goͤttliche Weisheit, ſo ſich in ſelbiger ſpie- gelt. Er zaͤhle die Menge der Thiere in einem eintzigen Stocke oder Korbe. Er ſchlieſſe davon auf die Menge derſelben auf dem Erdboden. Er berechne die mancher- ley Arten von lebendigen und lebloſen Ge- ſchoͤpfen dieſer Erden, die eine gleiche goͤtt- liche Weißheit offenbar machen. Er be- dencke, daß dieſe Erde, auf welcher aus al- len Ecken Strahlen einer goͤttlichen Weiß- heit

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/334>, abgerufen am 29.03.2024.