Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



Verbindung stehen, und sich auf keine be-
sondere Gebräuche und Geschichte bezie-
hen. Und die Erklärungen derselben sind
völlig gewiß zu nennen. Denn kein Sprach-
Verständiger, der solche Worte ohne Vor-
urtheil angesehen, und bey der einfältigsten
Deutung der Worte geblieben, ist dabey
eines Jrrthums überführet worden. Da-
her kömmt es auch, daß alle, die den Cice-
ro
und andere dergleichen Bücher gelesen,
in vielen Stellen völlig mit einander in ih-
ren Erklärungen übereinstimmen. Daß
bey der Erklärung der Schrift auch bey
den leichtesten Stellen so viel Zwiespalt ist,
rühret daher, daß fast ein jeder, ehe er die
Schrift lieset, zum Voraus setzet, diese und
jene Meynung, die er nach seiner Philoso-
phie für unrichtig hält, muß nicht drinne ste-
hen. Wenn sie derowegen mit den deut-
lichsten Worten darinnen enthalten, so
müssen doch die Worte so lange gefoltert
werden, bis sie mit ihrer Art zu dencken
übereinstimmen.

§. XII.
Welche
Sätze
wahr-
scheinlich?

Ausser den bisher erwehnten Arten von
Wahrheiten weiß ich keine, von welchen
ich mich zu behaupten getrauete, daß sie völ-

lig



Verbindung ſtehen, und ſich auf keine be-
ſondere Gebraͤuche und Geſchichte bezie-
hen. Und die Erklaͤrungen derſelben ſind
voͤllig gewiß zu nennen. Denn kein Sprach-
Verſtaͤndiger, der ſolche Worte ohne Vor-
urtheil angeſehen, und bey der einfaͤltigſten
Deutung der Worte geblieben, iſt dabey
eines Jrrthums uͤberfuͤhret worden. Da-
her koͤmmt es auch, daß alle, die den Cice-
ro
und andere dergleichen Buͤcher geleſen,
in vielen Stellen voͤllig mit einander in ih-
ren Erklaͤrungen uͤbereinſtimmen. Daß
bey der Erklaͤrung der Schrift auch bey
den leichteſten Stellen ſo viel Zwieſpalt iſt,
ruͤhret daher, daß faſt ein jeder, ehe er die
Schrift lieſet, zum Voraus ſetzet, dieſe und
jene Meynung, die er nach ſeiner Philoſo-
phie fuͤr unrichtig haͤlt, muß nicht drinne ſte-
hen. Wenn ſie derowegen mit den deut-
lichſten Worten darinnen enthalten, ſo
muͤſſen doch die Worte ſo lange gefoltert
werden, bis ſie mit ihrer Art zu dencken
uͤbereinſtimmen.

§. XII.
Welche
Saͤtze
wahr-
ſcheinlich?

Auſſer den bisher erwehnten Arten von
Wahrheiten weiß ich keine, von welchen
ich mich zu behaupten getrauete, daß ſie voͤl-

lig
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="28"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Verbindung &#x017F;tehen, und &#x017F;ich auf keine be-<lb/>
&#x017F;ondere Gebra&#x0364;uche und Ge&#x017F;chichte bezie-<lb/>
hen. Und die Erkla&#x0364;rungen der&#x017F;elben &#x017F;ind<lb/>
vo&#x0364;llig gewiß zu nennen. Denn kein Sprach-<lb/>
Ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger, der &#x017F;olche Worte ohne Vor-<lb/>
urtheil ange&#x017F;ehen, und bey der einfa&#x0364;ltig&#x017F;ten<lb/>
Deutung der Worte geblieben, i&#x017F;t dabey<lb/>
eines Jrrthums u&#x0364;berfu&#x0364;hret worden. Da-<lb/>
her ko&#x0364;mmt es auch, daß alle, die den <hi rendition="#fr">Cice-<lb/>
ro</hi> und andere dergleichen Bu&#x0364;cher gele&#x017F;en,<lb/>
in vielen Stellen vo&#x0364;llig mit einander in ih-<lb/>
ren Erkla&#x0364;rungen u&#x0364;berein&#x017F;timmen. Daß<lb/>
bey der Erkla&#x0364;rung der Schrift auch bey<lb/>
den leichte&#x017F;ten Stellen &#x017F;o viel Zwie&#x017F;palt i&#x017F;t,<lb/>
ru&#x0364;hret daher, daß fa&#x017F;t ein jeder, ehe er die<lb/>
Schrift lie&#x017F;et, zum Voraus &#x017F;etzet, die&#x017F;e und<lb/>
jene Meynung, die er nach &#x017F;einer Philo&#x017F;o-<lb/>
phie fu&#x0364;r unrichtig ha&#x0364;lt, muß nicht drinne &#x017F;te-<lb/>
hen. Wenn &#x017F;ie derowegen mit den deut-<lb/>
lich&#x017F;ten Worten darinnen enthalten, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en doch die Worte &#x017F;o lange gefoltert<lb/>
werden, bis &#x017F;ie mit ihrer Art zu dencken<lb/>
u&#x0364;berein&#x017F;timmen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. <hi rendition="#aq">XII.</hi></head><lb/>
          <note place="left">Welche<lb/>
Sa&#x0364;tze<lb/>
wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich?</note>
          <p>Au&#x017F;&#x017F;er den bisher erwehnten Arten von<lb/>
Wahrheiten weiß ich keine, von welchen<lb/>
ich mich zu behaupten getrauete, daß &#x017F;ie vo&#x0364;l-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lig</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[28/0046] Verbindung ſtehen, und ſich auf keine be- ſondere Gebraͤuche und Geſchichte bezie- hen. Und die Erklaͤrungen derſelben ſind voͤllig gewiß zu nennen. Denn kein Sprach- Verſtaͤndiger, der ſolche Worte ohne Vor- urtheil angeſehen, und bey der einfaͤltigſten Deutung der Worte geblieben, iſt dabey eines Jrrthums uͤberfuͤhret worden. Da- her koͤmmt es auch, daß alle, die den Cice- ro und andere dergleichen Buͤcher geleſen, in vielen Stellen voͤllig mit einander in ih- ren Erklaͤrungen uͤbereinſtimmen. Daß bey der Erklaͤrung der Schrift auch bey den leichteſten Stellen ſo viel Zwieſpalt iſt, ruͤhret daher, daß faſt ein jeder, ehe er die Schrift lieſet, zum Voraus ſetzet, dieſe und jene Meynung, die er nach ſeiner Philoſo- phie fuͤr unrichtig haͤlt, muß nicht drinne ſte- hen. Wenn ſie derowegen mit den deut- lichſten Worten darinnen enthalten, ſo muͤſſen doch die Worte ſo lange gefoltert werden, bis ſie mit ihrer Art zu dencken uͤbereinſtimmen. §. XII. Auſſer den bisher erwehnten Arten von Wahrheiten weiß ich keine, von welchen ich mich zu behaupten getrauete, daß ſie voͤl- lig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/46
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/46>, abgerufen am 24.04.2024.