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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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munter machen, und vielleicht zu einem Ge-
lächter über mich bewegen wird. Jch
glaube in einem solchen Falle entweder,
daß meine Vernunft irret, oder ich hal-
te beyde Sätze für wahr, ob ich gleich
ihre Ubereinstimmung nicht erreichen kan.
Und zwar habe ich so viel Hochachtung
nicht etwan bloß für die Aussprüche der
Offenbarung, sondern auch für ein jedes
klares Zeugniß eines andern glaubwürdi-
gen Mannes. Man wird dencken, mein
Kopf sey voll von widersprechenden Din-
gen, indem ich oben gesagt, mein inneres
Gefühl zwinge mich den Satz anzuneh-
men, es könne kein Ding zugleich seyn und
nicht seyn, hier aber sage ich, daß ich
zwey einander widersprechende Dinge zu-
gleich als wahr annehmen könne. Jch
antworte aber, daß ich nicht glaube,
daß in solchen Dingen, als ich jetzt ge-
meldet, ein wahrer Widerspruch sey,
sondern ich sehe sie an als Dinge, die
einander scheinen zu widersprechen, de-
ren Widerspruch ich zwar nicht heben
könne, aber vielleicht dereinsten einmal
von einem andern werde aufgelöset wer-
den. Denn eine so hohe Meynung habe

ich



munter machen, und vielleicht zu einem Ge-
laͤchter uͤber mich bewegen wird. Jch
glaube in einem ſolchen Falle entweder,
daß meine Vernunft irret, oder ich hal-
te beyde Saͤtze fuͤr wahr, ob ich gleich
ihre Ubereinſtimmung nicht erreichen kan.
Und zwar habe ich ſo viel Hochachtung
nicht etwan bloß fuͤr die Ausſpruͤche der
Offenbarung, ſondern auch fuͤr ein jedes
klares Zeugniß eines andern glaubwuͤrdi-
gen Mannes. Man wird dencken, mein
Kopf ſey voll von widerſprechenden Din-
gen, indem ich oben geſagt, mein inneres
Gefuͤhl zwinge mich den Satz anzuneh-
men, es koͤnne kein Ding zugleich ſeyn und
nicht ſeyn, hier aber ſage ich, daß ich
zwey einander widerſprechende Dinge zu-
gleich als wahr annehmen koͤnne. Jch
antworte aber, daß ich nicht glaube,
daß in ſolchen Dingen, als ich jetzt ge-
meldet, ein wahrer Widerſpruch ſey,
ſondern ich ſehe ſie an als Dinge, die
einander ſcheinen zu widerſprechen, de-
ren Widerſpruch ich zwar nicht heben
koͤnne, aber vielleicht dereinſten einmal
von einem andern werde aufgeloͤſet wer-
den. Denn eine ſo hohe Meynung habe

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[46/0064] munter machen, und vielleicht zu einem Ge- laͤchter uͤber mich bewegen wird. Jch glaube in einem ſolchen Falle entweder, daß meine Vernunft irret, oder ich hal- te beyde Saͤtze fuͤr wahr, ob ich gleich ihre Ubereinſtimmung nicht erreichen kan. Und zwar habe ich ſo viel Hochachtung nicht etwan bloß fuͤr die Ausſpruͤche der Offenbarung, ſondern auch fuͤr ein jedes klares Zeugniß eines andern glaubwuͤrdi- gen Mannes. Man wird dencken, mein Kopf ſey voll von widerſprechenden Din- gen, indem ich oben geſagt, mein inneres Gefuͤhl zwinge mich den Satz anzuneh- men, es koͤnne kein Ding zugleich ſeyn und nicht ſeyn, hier aber ſage ich, daß ich zwey einander widerſprechende Dinge zu- gleich als wahr annehmen koͤnne. Jch antworte aber, daß ich nicht glaube, daß in ſolchen Dingen, als ich jetzt ge- meldet, ein wahrer Widerſpruch ſey, ſondern ich ſehe ſie an als Dinge, die einander ſcheinen zu widerſprechen, de- ren Widerſpruch ich zwar nicht heben koͤnne, aber vielleicht dereinſten einmal von einem andern werde aufgeloͤſet wer- den. Denn eine ſo hohe Meynung habe ich

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/64>, abgerufen am 23.04.2024.