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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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in die heftigste Feindschaft verwandeln.
Ein jeder Ehegatte wird für sich sorgen,
und sich auf den Fall einer Scheidung schi-
cken. Jhr Glück ist nicht fest genug ver-
einiget. Der Vortheil des einen ist von
dem Vortheile des andern getrennet. Jhr
Fleiß kann daher auch nicht recht verbun-
den seyn, und ein Ziel haben, sondern ein
jedes siehet vornehmlich auf seinen beson-
dern Nutzen. Wie kann aber hierbey ei-
ne recht zärtliche Liebe seyn? Man darf
nicht denken, daß die Furcht für einer
Scheidung die Ehen eben am festesten und
glücklichsten machen würde. Es ist dieses
wider die Erfahrung bey solchen Völkern,
wo die Ehescheidungen für nichts unanstän-
diges gehalten werden. Furcht verbindet
auch keine Herzen, ob sie gleich einen
knechtischen Gehorsam wirket. Der Ei-
gennutz behält dabey doch seine Kraft, weil
man weiß, daß bey dem größten Gehor-
sam eine einzige Krankheit, welche die
Schönheit raubet, eine Verstossung ver-
ursachen kann. Sollte derowegen Ver-
trauen und Liebe, und eine sichere Hülfe
in den Ehen einen gewissen Grund haben,
so mußte die Unzertrennlichkeit derselben
festgesetzt werden.

§. 7.
Zwote Ab-
sicht.

Eine andere weise Ursach, warum der
gütige Schöpfer die Unzertrennlichkeit der

Ehen

in die heftigſte Feindſchaft verwandeln.
Ein jeder Ehegatte wird fuͤr ſich ſorgen,
und ſich auf den Fall einer Scheidung ſchi-
cken. Jhr Gluͤck iſt nicht feſt genug ver-
einiget. Der Vortheil des einen iſt von
dem Vortheile des andern getrennet. Jhr
Fleiß kann daher auch nicht recht verbun-
den ſeyn, und ein Ziel haben, ſondern ein
jedes ſiehet vornehmlich auf ſeinen beſon-
dern Nutzen. Wie kann aber hierbey ei-
ne recht zaͤrtliche Liebe ſeyn? Man darf
nicht denken, daß die Furcht fuͤr einer
Scheidung die Ehen eben am feſteſten und
gluͤcklichſten machen wuͤrde. Es iſt dieſes
wider die Erfahrung bey ſolchen Voͤlkern,
wo die Eheſcheidungen fuͤr nichts unanſtaͤn-
diges gehalten werden. Furcht verbindet
auch keine Herzen, ob ſie gleich einen
knechtiſchen Gehorſam wirket. Der Ei-
gennutz behaͤlt dabey doch ſeine Kraft, weil
man weiß, daß bey dem groͤßten Gehor-
ſam eine einzige Krankheit, welche die
Schoͤnheit raubet, eine Verſtoſſung ver-
urſachen kann. Sollte derowegen Ver-
trauen und Liebe, und eine ſichere Huͤlfe
in den Ehen einen gewiſſen Grund haben,
ſo mußte die Unzertrennlichkeit derſelben
feſtgeſetzt werden.

§. 7.
Zwote Ab-
ſicht.

Eine andere weiſe Urſach, warum der
guͤtige Schoͤpfer die Unzertrennlichkeit der

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[260/0280] in die heftigſte Feindſchaft verwandeln. Ein jeder Ehegatte wird fuͤr ſich ſorgen, und ſich auf den Fall einer Scheidung ſchi- cken. Jhr Gluͤck iſt nicht feſt genug ver- einiget. Der Vortheil des einen iſt von dem Vortheile des andern getrennet. Jhr Fleiß kann daher auch nicht recht verbun- den ſeyn, und ein Ziel haben, ſondern ein jedes ſiehet vornehmlich auf ſeinen beſon- dern Nutzen. Wie kann aber hierbey ei- ne recht zaͤrtliche Liebe ſeyn? Man darf nicht denken, daß die Furcht fuͤr einer Scheidung die Ehen eben am feſteſten und gluͤcklichſten machen wuͤrde. Es iſt dieſes wider die Erfahrung bey ſolchen Voͤlkern, wo die Eheſcheidungen fuͤr nichts unanſtaͤn- diges gehalten werden. Furcht verbindet auch keine Herzen, ob ſie gleich einen knechtiſchen Gehorſam wirket. Der Ei- gennutz behaͤlt dabey doch ſeine Kraft, weil man weiß, daß bey dem groͤßten Gehor- ſam eine einzige Krankheit, welche die Schoͤnheit raubet, eine Verſtoſſung ver- urſachen kann. Sollte derowegen Ver- trauen und Liebe, und eine ſichere Huͤlfe in den Ehen einen gewiſſen Grund haben, ſo mußte die Unzertrennlichkeit derſelben feſtgeſetzt werden. §. 7. Eine andere weiſe Urſach, warum der guͤtige Schoͤpfer die Unzertrennlichkeit der Ehen

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/280>, abgerufen am 28.03.2024.