Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

heiten fänden. Und wer will alsdenn die-
jenigen zu sich nehmen, deren Haut sich
bey andern in Falten gelegt und ihren
Schimmer verlohren hat? Müssen wir aber
annehmen, daß die Vorsehung des gütig-
sten Schöpfers sich auch über die erstreckt,
welche in ihrem Beruf ihre Schönheit ver-
lohren; so können wir sicher schliessen, daß
auch um derentwillen die Unzertrennlichkeit
der Ehen fest gesetzet worden. Es wäre
hart, wenn diejenigen, welche wegen Fort-
pflanzung des menschlichen Geschlechts die
größten und eckelhaftesten Beschwerden
über sich nehmen müssen, der wenigsten
Annehmlichkeiten theilhaftig werden, und
nach dem Verfall ihrer reizenden Züge zu
einer traurigen Einsamkeit verdammet wer-
den sollten. Man kann allezeit sicher den-
ken, daß dasjenige der ewigen Liebe am
gefälligsten sey, wodurch das mehreste
wahre Vergnügen in der ganzen menschli-
chen Gesellschaft zusammen genommen, er-
halten, und am besten vertheilt werden
kann. Die unendliche Liebe erstreckt sich
auf alle.

§. 9.
Ob Ehe-
leute, so kei-
ne Kinder
haben sich
scheiden
dürfen?

Wie aber, wenn zweene Eheleute kei-
ne Kinder haben, und beyde freywillig ei-
nig werden, sich von einander zu scheiden?
Aus Liebe wird solches nicht geschehen.
Scheiden sie sich aber aus Widerwillen

gegen

heiten faͤnden. Und wer will alsdenn die-
jenigen zu ſich nehmen, deren Haut ſich
bey andern in Falten gelegt und ihren
Schimmer verlohren hat? Muͤſſen wir aber
annehmen, daß die Vorſehung des guͤtig-
ſten Schoͤpfers ſich auch uͤber die erſtreckt,
welche in ihrem Beruf ihre Schoͤnheit ver-
lohren; ſo koͤnnen wir ſicher ſchlieſſen, daß
auch um derentwillen die Unzertrennlichkeit
der Ehen feſt geſetzet worden. Es waͤre
hart, wenn diejenigen, welche wegen Fort-
pflanzung des menſchlichen Geſchlechts die
groͤßten und eckelhafteſten Beſchwerden
uͤber ſich nehmen muͤſſen, der wenigſten
Annehmlichkeiten theilhaftig werden, und
nach dem Verfall ihrer reizenden Zuͤge zu
einer traurigen Einſamkeit verdammet wer-
den ſollten. Man kann allezeit ſicher den-
ken, daß dasjenige der ewigen Liebe am
gefaͤlligſten ſey, wodurch das mehreſte
wahre Vergnuͤgen in der ganzen menſchli-
chen Geſellſchaft zuſammen genommen, er-
halten, und am beſten vertheilt werden
kann. Die unendliche Liebe erſtreckt ſich
auf alle.

§. 9.
Ob Ehe-
leute, ſo kei-
ne Kinder
haben ſich
ſcheiden
duͤrfen?

Wie aber, wenn zweene Eheleute kei-
ne Kinder haben, und beyde freywillig ei-
nig werden, ſich von einander zu ſcheiden?
Aus Liebe wird ſolches nicht geſchehen.
Scheiden ſie ſich aber aus Widerwillen

gegen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="264"/>
heiten fa&#x0364;nden. Und wer will alsdenn die-<lb/>
jenigen zu &#x017F;ich nehmen, deren Haut &#x017F;ich<lb/>
bey andern in Falten gelegt und ihren<lb/>
Schimmer verlohren hat? Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir aber<lb/>
annehmen, daß die Vor&#x017F;ehung des gu&#x0364;tig-<lb/>
&#x017F;ten Scho&#x0364;pfers &#x017F;ich auch u&#x0364;ber die er&#x017F;treckt,<lb/>
welche in ihrem Beruf ihre Scho&#x0364;nheit ver-<lb/>
lohren; &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir &#x017F;icher &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
auch um derentwillen die Unzertrennlichkeit<lb/>
der Ehen fe&#x017F;t ge&#x017F;etzet worden. Es wa&#x0364;re<lb/>
hart, wenn diejenigen, welche wegen Fort-<lb/>
pflanzung des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts die<lb/>
gro&#x0364;ßten und eckelhafte&#x017F;ten Be&#x017F;chwerden<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, der wenig&#x017F;ten<lb/>
Annehmlichkeiten theilhaftig werden, und<lb/>
nach dem Verfall ihrer reizenden Zu&#x0364;ge zu<lb/>
einer traurigen Ein&#x017F;amkeit verdammet wer-<lb/>
den &#x017F;ollten. Man kann allezeit &#x017F;icher den-<lb/>
ken, daß dasjenige der ewigen Liebe am<lb/>
gefa&#x0364;llig&#x017F;ten &#x017F;ey, wodurch das mehre&#x017F;te<lb/>
wahre Vergnu&#x0364;gen in der ganzen men&#x017F;chli-<lb/>
chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu&#x017F;ammen genommen, er-<lb/>
halten, und am be&#x017F;ten vertheilt werden<lb/>
kann. Die unendliche Liebe er&#x017F;treckt &#x017F;ich<lb/>
auf alle.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 9.</head><lb/>
          <note place="left">Ob Ehe-<lb/>
leute, &#x017F;o kei-<lb/>
ne Kinder<lb/>
haben &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;cheiden<lb/>
du&#x0364;rfen?</note>
          <p>Wie aber, wenn zweene Eheleute kei-<lb/>
ne Kinder haben, und beyde freywillig ei-<lb/>
nig werden, &#x017F;ich von einander zu &#x017F;cheiden?<lb/>
Aus Liebe wird &#x017F;olches nicht ge&#x017F;chehen.<lb/>
Scheiden &#x017F;ie &#x017F;ich aber aus Widerwillen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gegen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0284] heiten faͤnden. Und wer will alsdenn die- jenigen zu ſich nehmen, deren Haut ſich bey andern in Falten gelegt und ihren Schimmer verlohren hat? Muͤſſen wir aber annehmen, daß die Vorſehung des guͤtig- ſten Schoͤpfers ſich auch uͤber die erſtreckt, welche in ihrem Beruf ihre Schoͤnheit ver- lohren; ſo koͤnnen wir ſicher ſchlieſſen, daß auch um derentwillen die Unzertrennlichkeit der Ehen feſt geſetzet worden. Es waͤre hart, wenn diejenigen, welche wegen Fort- pflanzung des menſchlichen Geſchlechts die groͤßten und eckelhafteſten Beſchwerden uͤber ſich nehmen muͤſſen, der wenigſten Annehmlichkeiten theilhaftig werden, und nach dem Verfall ihrer reizenden Zuͤge zu einer traurigen Einſamkeit verdammet wer- den ſollten. Man kann allezeit ſicher den- ken, daß dasjenige der ewigen Liebe am gefaͤlligſten ſey, wodurch das mehreſte wahre Vergnuͤgen in der ganzen menſchli- chen Geſellſchaft zuſammen genommen, er- halten, und am beſten vertheilt werden kann. Die unendliche Liebe erſtreckt ſich auf alle. §. 9. Wie aber, wenn zweene Eheleute kei- ne Kinder haben, und beyde freywillig ei- nig werden, ſich von einander zu ſcheiden? Aus Liebe wird ſolches nicht geſchehen. Scheiden ſie ſich aber aus Widerwillen gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/284
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/284>, abgerufen am 28.03.2024.