Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
§. 22.
Merkwürdi-
ge Nachricht
von Fundel-
häusern.

Freunde, welche dieses gelesen, haben
dabey den Wunsch geäussert, daß die Fün-
delhäuser gemeiner seyn möchten, in wel-
che man die ausser der Ehe gezeugte und
andere arme Kinder aufnähme und erzöge.
Es hat mir dieses Gelegenheit gegeben auch
auf diese Anstalt mein Augenmerk zu rich-
ten und habe dabey folgendes bemerket.
Es verdienen solche milde Anstalten aller-
dings ihr Lob und es wird dadurch das
Leben vieler Kinder gerettet. Allein der-
jenige Vortheil, welchen man sich davon
verspricht, wird bey weitem nicht erhalten,
und ordentliche Ehen leisten weit mehr,
als solche Häuser, und andere Anstalten
zum Besten der Fündelkinder. Durch or-
dentliche Ehen wird in grossen Städten die
Hälfte der gebohrnen Kinder das Leben er-
halten und werden groß gezogen, und auf
dem Lande erwachsen, bey zwey Dritthei-
le der gebohrnen Kinder. Die Fündelan-
stalten aber bringen bey weitem nicht den
vierten Theil derjenigen Kinder auf, die
dadurch in Pflege genommen werden.
Bey den fürtrefflichen Fündlingsanstalten
zu Coppenhagen sind vom 5 August 1750
bis den 23 December 1758 aufgenommen
worden 2605 Kinder. Davon sind aber
den Müttern verabfolget 516, und zum
Unterhalte nur angenommen 2089. Hier-
von sind abermals von den Eltern und

Ver-
§. 22.
Merkwuͤrdi-
ge Nachricht
von Fundel-
haͤuſern.

Freunde, welche dieſes geleſen, haben
dabey den Wunſch geaͤuſſert, daß die Fuͤn-
delhaͤuſer gemeiner ſeyn moͤchten, in wel-
che man die auſſer der Ehe gezeugte und
andere arme Kinder aufnaͤhme und erzoͤge.
Es hat mir dieſes Gelegenheit gegeben auch
auf dieſe Anſtalt mein Augenmerk zu rich-
ten und habe dabey folgendes bemerket.
Es verdienen ſolche milde Anſtalten aller-
dings ihr Lob und es wird dadurch das
Leben vieler Kinder gerettet. Allein der-
jenige Vortheil, welchen man ſich davon
verſpricht, wird bey weitem nicht erhalten,
und ordentliche Ehen leiſten weit mehr,
als ſolche Haͤuſer, und andere Anſtalten
zum Beſten der Fuͤndelkinder. Durch or-
dentliche Ehen wird in groſſen Staͤdten die
Haͤlfte der gebohrnen Kinder das Leben er-
halten und werden groß gezogen, und auf
dem Lande erwachſen, bey zwey Dritthei-
le der gebohrnen Kinder. Die Fuͤndelan-
ſtalten aber bringen bey weitem nicht den
vierten Theil derjenigen Kinder auf, die
dadurch in Pflege genommen werden.
Bey den fuͤrtrefflichen Fuͤndlingsanſtalten
zu Coppenhagen ſind vom 5 Auguſt 1750
bis den 23 December 1758 aufgenommen
worden 2605 Kinder. Davon ſind aber
den Muͤttern verabfolget 516, und zum
Unterhalte nur angenommen 2089. Hier-
von ſind abermals von den Eltern und

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0340" n="320"/>
        <div n="2">
          <head>§. 22.</head><lb/>
          <note place="left">Merkwu&#x0364;rdi-<lb/>
ge Nachricht<lb/>
von Fundel-<lb/>
ha&#x0364;u&#x017F;ern.</note>
          <p>Freunde, welche die&#x017F;es gele&#x017F;en, haben<lb/>
dabey den Wun&#x017F;ch gea&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert, daß die Fu&#x0364;n-<lb/>
delha&#x0364;u&#x017F;er gemeiner &#x017F;eyn mo&#x0364;chten, in wel-<lb/>
che man die au&#x017F;&#x017F;er der Ehe gezeugte und<lb/>
andere arme Kinder aufna&#x0364;hme und erzo&#x0364;ge.<lb/>
Es hat mir die&#x017F;es Gelegenheit gegeben auch<lb/>
auf die&#x017F;e An&#x017F;talt mein Augenmerk zu rich-<lb/>
ten und habe dabey folgendes bemerket.<lb/>
Es verdienen &#x017F;olche milde An&#x017F;talten aller-<lb/>
dings ihr Lob und es wird dadurch das<lb/>
Leben vieler Kinder gerettet. Allein der-<lb/>
jenige Vortheil, welchen man &#x017F;ich davon<lb/>
ver&#x017F;pricht, wird bey weitem nicht erhalten,<lb/>
und ordentliche Ehen lei&#x017F;ten weit mehr,<lb/>
als &#x017F;olche Ha&#x0364;u&#x017F;er, und andere An&#x017F;talten<lb/>
zum Be&#x017F;ten der Fu&#x0364;ndelkinder. Durch or-<lb/>
dentliche Ehen wird in gro&#x017F;&#x017F;en Sta&#x0364;dten die<lb/>
Ha&#x0364;lfte der gebohrnen Kinder das Leben er-<lb/>
halten und werden groß gezogen, und auf<lb/>
dem Lande erwach&#x017F;en, bey zwey Dritthei-<lb/>
le der gebohrnen Kinder. Die Fu&#x0364;ndelan-<lb/>
&#x017F;talten aber bringen bey weitem nicht den<lb/>
vierten Theil derjenigen Kinder auf, die<lb/>
dadurch in Pflege genommen werden.<lb/>
Bey den fu&#x0364;rtrefflichen Fu&#x0364;ndlingsan&#x017F;talten<lb/>
zu Coppenhagen &#x017F;ind vom 5 Augu&#x017F;t 1750<lb/>
bis den 23 December 1758 aufgenommen<lb/>
worden 2605 Kinder. Davon &#x017F;ind aber<lb/>
den Mu&#x0364;ttern verabfolget 516, und zum<lb/>
Unterhalte nur angenommen 2089. Hier-<lb/>
von &#x017F;ind abermals von den Eltern und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0340] §. 22. Freunde, welche dieſes geleſen, haben dabey den Wunſch geaͤuſſert, daß die Fuͤn- delhaͤuſer gemeiner ſeyn moͤchten, in wel- che man die auſſer der Ehe gezeugte und andere arme Kinder aufnaͤhme und erzoͤge. Es hat mir dieſes Gelegenheit gegeben auch auf dieſe Anſtalt mein Augenmerk zu rich- ten und habe dabey folgendes bemerket. Es verdienen ſolche milde Anſtalten aller- dings ihr Lob und es wird dadurch das Leben vieler Kinder gerettet. Allein der- jenige Vortheil, welchen man ſich davon verſpricht, wird bey weitem nicht erhalten, und ordentliche Ehen leiſten weit mehr, als ſolche Haͤuſer, und andere Anſtalten zum Beſten der Fuͤndelkinder. Durch or- dentliche Ehen wird in groſſen Staͤdten die Haͤlfte der gebohrnen Kinder das Leben er- halten und werden groß gezogen, und auf dem Lande erwachſen, bey zwey Dritthei- le der gebohrnen Kinder. Die Fuͤndelan- ſtalten aber bringen bey weitem nicht den vierten Theil derjenigen Kinder auf, die dadurch in Pflege genommen werden. Bey den fuͤrtrefflichen Fuͤndlingsanſtalten zu Coppenhagen ſind vom 5 Auguſt 1750 bis den 23 December 1758 aufgenommen worden 2605 Kinder. Davon ſind aber den Muͤttern verabfolget 516, und zum Unterhalte nur angenommen 2089. Hier- von ſind abermals von den Eltern und Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/340
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/340>, abgerufen am 23.04.2024.