Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

stellet. Diejenigen irren wol unstreitig,
welche den Adam zu einem grossen Gelehr-
ten machen. Die Geschichte beweiset,
daß Künste und Wissenschaften nach und
nach in die Welt gekommen. Der mensch-
liche Verstand sammlet seine Begriffe
nach und nach, und die ersten Menschen ha-
ben derselben gewiß nicht so viele gehabt,
als nachher in einer langen Zeit sind er-
funden worden. Jch stelle mir die Welt
von Adam bis auf Christum in ihrer
Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget
diese Vorstellung.*) Jst es nun jetzo bey
den gebauetesten Völkern noch nöthig, daß
man sinnliche Dinge bey dem Gottesdienste
gebrauchet, um die Gemüther der Men-
schen zu rühren und auf das Unsichtbahre
zu richten und zu Gott zu erheben, wie
nöthig wird selbiges nicht bey der ersten
Welt gewesen seyn? Und wie geschickt
waren nicht die Opfer dasjenige vorzu-
stellen, woran sie den Menschen erinnern
sollten?

§. 7.

Die Fortpflanzung des menschlichenWie nö-
thig das
längere Le-
ben der
Menschen
im Anfan-
ge der Welt
gewesen.
Geschlechtes und Künste und Wissenschaf-
ten würden viele Hindernisse gefunden
haben, wenn der Fluch des Höchsten den
Erdboden gleich so verderbet hätte, wie

wir
*) Gal. C. 4. v. 1-3.
B 3

ſtellet. Diejenigen irren wol unſtreitig,
welche den Adam zu einem groſſen Gelehr-
ten machen. Die Geſchichte beweiſet,
daß Kuͤnſte und Wiſſenſchaften nach und
nach in die Welt gekommen. Der menſch-
liche Verſtand ſammlet ſeine Begriffe
nach und nach, und die erſten Menſchen ha-
ben derſelben gewiß nicht ſo viele gehabt,
als nachher in einer langen Zeit ſind er-
funden worden. Jch ſtelle mir die Welt
von Adam bis auf Chriſtum in ihrer
Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget
dieſe Vorſtellung.*) Jſt es nun jetzo bey
den gebaueteſten Voͤlkern noch noͤthig, daß
man ſinnliche Dinge bey dem Gottesdienſte
gebrauchet, um die Gemuͤther der Men-
ſchen zu ruͤhren und auf das Unſichtbahre
zu richten und zu Gott zu erheben, wie
noͤthig wird ſelbiges nicht bey der erſten
Welt geweſen ſeyn? Und wie geſchickt
waren nicht die Opfer dasjenige vorzu-
ſtellen, woran ſie den Menſchen erinnern
ſollten?

§. 7.

Die Fortpflanzung des menſchlichenWie noͤ-
thig das
laͤngere Le-
ben der
Menſchen
im Anfan-
ge der Welt
geweſen.
Geſchlechtes und Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-
ten wuͤrden viele Hinderniſſe gefunden
haben, wenn der Fluch des Hoͤchſten den
Erdboden gleich ſo verderbet haͤtte, wie

wir
*) Gal. C. 4. v. 1-3.
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0041" n="21"/>
&#x017F;tellet. Diejenigen irren wol un&#x017F;treitig,<lb/>
welche den Adam zu einem gro&#x017F;&#x017F;en Gelehr-<lb/>
ten machen. Die Ge&#x017F;chichte bewei&#x017F;et,<lb/>
daß Ku&#x0364;n&#x017F;te und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften nach und<lb/>
nach in die Welt gekommen. Der men&#x017F;ch-<lb/>
liche Ver&#x017F;tand &#x017F;ammlet &#x017F;eine Begriffe<lb/>
nach und nach, und die er&#x017F;ten Men&#x017F;chen ha-<lb/>
ben der&#x017F;elben gewiß nicht &#x017F;o viele gehabt,<lb/>
als nachher in einer langen Zeit &#x017F;ind er-<lb/>
funden worden. Jch &#x017F;telle mir die Welt<lb/>
von Adam bis auf Chri&#x017F;tum in ihrer<lb/>
Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget<lb/>
die&#x017F;e Vor&#x017F;tellung.<note place="foot" n="*)">Gal. C. 4. v. 1-3.</note> J&#x017F;t es nun jetzo bey<lb/>
den gebauete&#x017F;ten Vo&#x0364;lkern noch no&#x0364;thig, daß<lb/>
man &#x017F;innliche Dinge bey dem Gottesdien&#x017F;te<lb/>
gebrauchet, um die Gemu&#x0364;ther der Men-<lb/>
&#x017F;chen zu ru&#x0364;hren und auf das Un&#x017F;ichtbahre<lb/>
zu richten und zu Gott zu erheben, wie<lb/>
no&#x0364;thig wird &#x017F;elbiges nicht bey der er&#x017F;ten<lb/>
Welt gewe&#x017F;en &#x017F;eyn? Und wie ge&#x017F;chickt<lb/>
waren nicht die Opfer dasjenige vorzu-<lb/>
&#x017F;tellen, woran &#x017F;ie den Men&#x017F;chen erinnern<lb/>
&#x017F;ollten?</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 7.</head><lb/>
          <p>Die Fortpflanzung des men&#x017F;chlichen<note place="right">Wie no&#x0364;-<lb/>
thig das<lb/>
la&#x0364;ngere Le-<lb/>
ben der<lb/>
Men&#x017F;chen<lb/>
im Anfan-<lb/>
ge der Welt<lb/>
gewe&#x017F;en.</note><lb/>
Ge&#x017F;chlechtes und Ku&#x0364;n&#x017F;te und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaf-<lb/>
ten wu&#x0364;rden viele Hinderni&#x017F;&#x017F;e gefunden<lb/>
haben, wenn der Fluch des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten den<lb/>
Erdboden gleich &#x017F;o verderbet ha&#x0364;tte, wie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0041] ſtellet. Diejenigen irren wol unſtreitig, welche den Adam zu einem groſſen Gelehr- ten machen. Die Geſchichte beweiſet, daß Kuͤnſte und Wiſſenſchaften nach und nach in die Welt gekommen. Der menſch- liche Verſtand ſammlet ſeine Begriffe nach und nach, und die erſten Menſchen ha- ben derſelben gewiß nicht ſo viele gehabt, als nachher in einer langen Zeit ſind er- funden worden. Jch ſtelle mir die Welt von Adam bis auf Chriſtum in ihrer Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget dieſe Vorſtellung. *) Jſt es nun jetzo bey den gebaueteſten Voͤlkern noch noͤthig, daß man ſinnliche Dinge bey dem Gottesdienſte gebrauchet, um die Gemuͤther der Men- ſchen zu ruͤhren und auf das Unſichtbahre zu richten und zu Gott zu erheben, wie noͤthig wird ſelbiges nicht bey der erſten Welt geweſen ſeyn? Und wie geſchickt waren nicht die Opfer dasjenige vorzu- ſtellen, woran ſie den Menſchen erinnern ſollten? §. 7. Die Fortpflanzung des menſchlichen Geſchlechtes und Kuͤnſte und Wiſſenſchaf- ten wuͤrden viele Hinderniſſe gefunden haben, wenn der Fluch des Hoͤchſten den Erdboden gleich ſo verderbet haͤtte, wie wir Wie noͤ- thig das laͤngere Le- ben der Menſchen im Anfan- ge der Welt geweſen. *) Gal. C. 4. v. 1-3. B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/41
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/41>, abgerufen am 19.04.2024.