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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816.

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es, sie über die Hüsten zu schnallen und zu schnüren.
Das giebt einen Schmachtriem, wodurch die Wohlge-
stalt des Menschenleibes als Wespenleichnam von ein-
ander zu brechen scheint, und die Hälften wie Vorder-
und Hinterwagen nur noch nothdürftig zusammenhangen.

Bei den Turnübungen selbst kann man nicht kühl
gekleidet genug gehen; nach vollendeter Arbeit, nach dem
Abmüden und dem Erhitztsein muß man einen Rock zum
Überziehen haben, um sich gegen plötzliche Erkältung zu
schützen. Tuchene Jacken sind gar nichts werth, und
müssen von jedem Turnplatze verbannt sein. Ein Frack,
Wrack, das heißt zerbrochener Rock, auch Kluft genannt,
weil er mitten von einander gespalten -- ist ein höchst
unnützes Gepäck, und nur eine Scheinkleidung. Die
nothwendigsten Theile bleiben unbedeckt -- Bauch und
Kreuz. Statt dessen flattert der Zwieselschwanz der
Rockfittige wie ein Fächer und Fliegenwedel hinterher.
Ein Deutscher Rock, der hinten zu ist und vorn zu
geht -- bleibt immer die angemessenste und anständigste
Tracht. Er muß so weit sein, daß er bequem über
die Turnjacke gezogen und doch zugeknöpft werden
kann. Über die Kniee darf er nicht hinunter reichen,
weil er sonst den Gang schwer macht. Auf kleinen
Wanderungen (Turnfahrten) vertritt er dann zugleich
die Stelle eines Mantels.

Tie.

es, ſie über die Hüſten zu ſchnallen und zu ſchnüren.
Das giebt einen Schmachtriem, wodurch die Wohlge-
ſtalt des Menſchenleibes als Weſpenleichnam von ein-
ander zu brechen ſcheint, und die Hälften wie Vorder-
und Hinterwagen nur noch nothdürftig zuſammenhangen.

Bei den Turnübungen ſelbſt kann man nicht kühl
gekleidet genug gehen; nach vollendeter Arbeit, nach dem
Abmüden und dem Erhitztſein muß man einen Rock zum
Überziehen haben, um ſich gegen plötzliche Erkältung zu
ſchützen. Tuchene Jacken ſind gar nichts werth, und
müſſen von jedem Turnplatze verbannt ſein. Ein Frack,
Wrack, das heißt zerbrochener Rock, auch Kluft genannt,
weil er mitten von einander geſpalten — iſt ein höchſt
unnützes Gepäck, und nur eine Scheinkleidung. Die
nothwendigſten Theile bleiben unbedeckt — Bauch und
Kreuz. Statt deſſen flattert der Zwieſelſchwanz der
Rockfittige wie ein Fächer und Fliegenwedel hinterher.
Ein Deutſcher Rock, der hinten zu iſt und vorn zu
geht — bleibt immer die angemeſſenſte und anſtändigſte
Tracht. Er muß ſo weit ſein, daß er bequem über
die Turnjacke gezogen und doch zugeknöpft werden
kann. Über die Kniee darf er nicht hinunter reichen,
weil er ſonſt den Gang ſchwer macht. Auf kleinen
Wanderungen (Turnfahrten) vertritt er dann zugleich
die Stelle eines Mantels.

Tie.
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[228/0298] es, ſie über die Hüſten zu ſchnallen und zu ſchnüren. Das giebt einen Schmachtriem, wodurch die Wohlge- ſtalt des Menſchenleibes als Weſpenleichnam von ein- ander zu brechen ſcheint, und die Hälften wie Vorder- und Hinterwagen nur noch nothdürftig zuſammenhangen. Bei den Turnübungen ſelbſt kann man nicht kühl gekleidet genug gehen; nach vollendeter Arbeit, nach dem Abmüden und dem Erhitztſein muß man einen Rock zum Überziehen haben, um ſich gegen plötzliche Erkältung zu ſchützen. Tuchene Jacken ſind gar nichts werth, und müſſen von jedem Turnplatze verbannt ſein. Ein Frack, Wrack, das heißt zerbrochener Rock, auch Kluft genannt, weil er mitten von einander geſpalten — iſt ein höchſt unnützes Gepäck, und nur eine Scheinkleidung. Die nothwendigſten Theile bleiben unbedeckt — Bauch und Kreuz. Statt deſſen flattert der Zwieſelſchwanz der Rockfittige wie ein Fächer und Fliegenwedel hinterher. Ein Deutſcher Rock, der hinten zu iſt und vorn zu geht — bleibt immer die angemeſſenſte und anſtändigſte Tracht. Er muß ſo weit ſein, daß er bequem über die Turnjacke gezogen und doch zugeknöpft werden kann. Über die Kniee darf er nicht hinunter reichen, weil er ſonſt den Gang ſchwer macht. Auf kleinen Wanderungen (Turnfahrten) vertritt er dann zugleich die Stelle eines Mantels. Tie.

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/298>, abgerufen am 29.03.2024.