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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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das Heilige, der spitzfindigste Trugschluß ist arm¬
seliger Angriff, in seines Herzens Fülle begreift
er Unsterblichkeit: Nur leeren Seelen genügt
eine ewige Leere.

b) Die erste Liebe.

Wer den Ausdruck "die erste Liebe" und
damit ein unseliges Vorurtheil aufgebracht, ist
wahrscheinlich ein gelehrter Brauer gewesen, der
nach seinen Gebräuen und Aufgüssen menschli¬
ches Herzensregen bezeichnete, an Vorsprung
und Schmalbier u. s. w. dachte. Man kann
liebend nur die Liebe lieben, und damit fängt
gewöhnlich jede Liebe an. Das ebenerwachte
Gefühl hervorgelebt wie auf Schöpfersruf aus
der Urleere heißt irrig die erste Liebe, und man¬
che verirren noch weiter, weil sie diese sogenannte
erste Liebe sogar für die einzige halten. Ein le¬
benzerstörender Wahn! Die erste Liebe, das ist
der Liebesanfang, ein Morgenstrahl der Ewig¬
keit in die irdische Herzensnacht, erlischt nicht
wieder. Denn diese erste Liebe ist das erste Sich¬
selbstbewußtwerden eines liebenkönnenden Her¬
zens, dem das Gefühl eigener Liebebedürftigkeit
vorhergeht, und liebesuchendes Sehnen. Solche

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das Heilige, der ſpitzfindigſte Trugſchluß iſt arm¬
ſeliger Angriff, in ſeines Herzens Fülle begreift
er Unſterblichkeit: Nur leeren Seelen genügt
eine ewige Leere.

b) Die erſte Liebe.

Wer den Ausdruck „die erſte Liebe“ und
damit ein unſeliges Vorurtheil aufgebracht, iſt
wahrſcheinlich ein gelehrter Brauer geweſen, der
nach ſeinen Gebräuen und Aufgüſſen menſchli¬
ches Herzensregen bezeichnete, an Vorſprung
und Schmalbier u. ſ. w. dachte. Man kann
liebend nur die Liebe lieben, und damit fängt
gewöhnlich jede Liebe an. Das ebenerwachte
Gefühl hervorgelebt wie auf Schöpfersruf aus
der Urleere heißt irrig die erſte Liebe, und man¬
che verirren noch weiter, weil ſie dieſe ſogenannte
erſte Liebe ſogar für die einzige halten. Ein le¬
benzerſtörender Wahn! Die erſte Liebe, das iſt
der Liebesanfang, ein Morgenſtrahl der Ewig¬
keit in die irdiſche Herzensnacht, erliſcht nicht
wieder. Denn dieſe erſte Liebe iſt das erſte Sich¬
ſelbſtbewußtwerden eines liebenkönnenden Her¬
zens, dem das Gefühl eigener Liebebedürftigkeit
vorhergeht, und liebeſuchendes Sehnen. Solche

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[419/0449] 419 das Heilige, der ſpitzfindigſte Trugſchluß iſt arm¬ ſeliger Angriff, in ſeines Herzens Fülle begreift er Unſterblichkeit: Nur leeren Seelen genügt eine ewige Leere. b) Die erſte Liebe. Wer den Ausdruck „die erſte Liebe“ und damit ein unſeliges Vorurtheil aufgebracht, iſt wahrſcheinlich ein gelehrter Brauer geweſen, der nach ſeinen Gebräuen und Aufgüſſen menſchli¬ ches Herzensregen bezeichnete, an Vorſprung und Schmalbier u. ſ. w. dachte. Man kann liebend nur die Liebe lieben, und damit fängt gewöhnlich jede Liebe an. Das ebenerwachte Gefühl hervorgelebt wie auf Schöpfersruf aus der Urleere heißt irrig die erſte Liebe, und man¬ che verirren noch weiter, weil ſie dieſe ſogenannte erſte Liebe ſogar für die einzige halten. Ein le¬ benzerſtörender Wahn! Die erſte Liebe, das iſt der Liebesanfang, ein Morgenſtrahl der Ewig¬ keit in die irdiſche Herzensnacht, erliſcht nicht wieder. Denn dieſe erſte Liebe iſt das erſte Sich¬ ſelbſtbewußtwerden eines liebenkönnenden Her¬ zens, dem das Gefühl eigener Liebebedürftigkeit vorhergeht, und liebeſuchendes Sehnen. Solche D d 2

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/449>, abgerufen am 24.04.2024.