Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

liche Mutter wurde gestern begraben) 3) die Amtmanstochter in
Hirschberg, über deren Hofnung dein H. Vater selber lacht. Mein
Rath wäre indessen doch, nur eine einzige von diesen zu heirathen. --
Meine Skizen sind in 2. Gelehrten Zeitungen, in einer Gothaischen,
und Berlinischen, beurtheilet worden: ich wünschte aber, sie hätten in5
dem Lobe, das sie mir gaben, meine Bescheidenheit mehr geschonet und
mich nicht in die Nothwendigkeit gesezet, dreimal sitsam zu erröthen.
In der Hofnung, daß du diesesmal es nicht wie alzeit mit dem Brief-
schreiben halten, sondern mir so selten als möglich eine Zeile schikken
werdest, schliesse ich diesen Brief noch einmal, aber ohne den gewöhn-10
lichen Endtriller. Leb wol, mein guter Örthel.

(Dein Kästgen geht heute ab. An der neulichen Verzögerung des-
selben war nur dies schuld, daß du deinem Hern Vater nicht ge-
schrieben, wo es anzutreffen; es lag 2 Wochen in Gera: meines
Erachtens soltest du dies aber nicht thun.)

15
83. An Oerthel in Leipzig.
Mein lieber Örthel!

Es ist mir ordentlich als wenn ich nach langer Zeit dich wieder
einmal sähe, da ich dir schreibe. Aber wir wollen iezt noch nichts mit
einander reden, sondern stilschweigend zuhören, was unsere Briefe,20
dieser und dein lezter, mit einander reden werden. Doch kan ich auch
protokolliren was sie sagen.

Angenehmes Gespräch, das dieser Brief mit deinem
leztern
(vom 24 Nov.) gehalten hat; dein vorvoriger Brief
komt zulezt auch dazu und macht die Unterredung noch
25
lebhafter und lauter.

(Die beiden Briefe gehen mit einander die Stube auf und nieder
und meiner fähret so fort:) Aber, lieber Brief, sag' mir, von wem hast
du dein Deutsch gelernet. -- Dein Brief: Warum? -- Mein Brief:
weil du einen guten Sprachmeister must gehabt haben. -- Dein Brief:30
[141]ich habe gar keinen gehabt: mein Bisgen Deutsch hat mir mein Vater,
der Herr von Örthel, beigebracht; es ist nur meine Vatersprache. --
Mein Brief: So ist dein H. Vater ein geschikter Man und er solte ein
Sprachmeister werden. Ich habe in der vorigen Messe mit ver-
schiedenen geschikten Büchern zu sprechen Gelegenheit gehabt; aber35

liche Mutter wurde geſtern begraben) 3) die Amtmanstochter in
Hirſchberg, über deren Hofnung dein H. Vater ſelber lacht. Mein
Rath wäre indeſſen doch, nur eine einzige von dieſen zu heirathen. —
Meine Skizen ſind in 2. Gelehrten Zeitungen, in einer Gothaiſchen,
und Berliniſchen, beurtheilet worden: ich wünſchte aber, ſie hätten in5
dem Lobe, das ſie mir gaben, meine Beſcheidenheit mehr geſchonet und
mich nicht in die Nothwendigkeit geſezet, dreimal ſitſam zu erröthen.
In der Hofnung, daß du dieſesmal es nicht wie alzeit mit dem Brief-
ſchreiben halten, ſondern mir ſo ſelten als möglich eine Zeile ſchikken
werdeſt, ſchlieſſe ich dieſen Brief noch einmal, aber ohne den gewöhn-10
lichen Endtriller. Leb wol, mein guter Örthel.

(Dein Käſtgen geht heute ab. An der neulichen Verzögerung deſ-
ſelben war nur dies ſchuld, daß du deinem Hern Vater nicht ge-
ſchrieben, wo es anzutreffen; es lag 2 Wochen in Gera: meines
Erachtens ſolteſt du dies aber nicht thun.)

15
83. An Oerthel in Leipzig.
Mein lieber Örthel!

Es iſt mir ordentlich als wenn ich nach langer Zeit dich wieder
einmal ſähe, da ich dir ſchreibe. Aber wir wollen iezt noch nichts mit
einander reden, ſondern ſtilſchweigend zuhören, was unſere Briefe,20
dieſer und dein lezter, mit einander reden werden. Doch kan ich auch
protokolliren was ſie ſagen.

Angenehmes Geſpräch, das dieſer Brief mit deinem
leztern
(vom 24 Nov.) gehalten hat; dein vorvoriger Brief
komt zulezt auch dazu und macht die Unterredung noch
25
lebhafter und lauter.

(Die beiden Briefe gehen mit einander die Stube auf und nieder
und meiner fähret ſo fort:) Aber, lieber Brief, ſag’ mir, von wem haſt
du dein Deutſch gelernet. — Dein Brief: Warum? — Mein Brief:
weil du einen guten Sprachmeiſter muſt gehabt haben. — Dein Brief:30
[141]ich habe gar keinen gehabt: mein Bisgen Deutſch hat mir mein Vater,
der Herr von Örthel, beigebracht; es iſt nur meine Vaterſprache. —
Mein Brief: So iſt dein H. Vater ein geſchikter Man und er ſolte ein
Sprachmeiſter werden. Ich habe in der vorigen Meſſe mit ver-
ſchiedenen geſchikten Büchern zu ſprechen Gelegenheit gehabt; aber35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <postscript>
          <p><pb facs="#f0156" n="132"/>
liche Mutter wurde ge&#x017F;tern begraben) 3) die Amtmanstochter in<lb/>
Hir&#x017F;chberg, über deren Hofnung dein H. Vater &#x017F;elber lacht. Mein<lb/>
Rath wäre inde&#x017F;&#x017F;en doch, nur eine einzige von die&#x017F;en zu heirathen. &#x2014;<lb/>
Meine Skizen &#x017F;ind in 2. Gelehrten Zeitungen, in einer Gothai&#x017F;chen,<lb/>
und Berlini&#x017F;chen, beurtheilet worden: ich wün&#x017F;chte aber, &#x017F;ie hätten in<lb n="5"/>
dem Lobe, das &#x017F;ie mir gaben, meine Be&#x017F;cheidenheit mehr ge&#x017F;chonet und<lb/>
mich nicht in die Nothwendigkeit ge&#x017F;ezet, dreimal &#x017F;it&#x017F;am zu erröthen.<lb/>
In der Hofnung, daß du die&#x017F;esmal es nicht wie alzeit mit dem Brief-<lb/>
&#x017F;chreiben halten, &#x017F;ondern mir &#x017F;o &#x017F;elten als möglich eine Zeile &#x017F;chikken<lb/>
werde&#x017F;t, &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e ich die&#x017F;en Brief noch einmal, aber ohne den gewöhn-<lb n="10"/>
lichen Endtriller. Leb wol, mein guter Örthel.</p><lb/>
          <p>(Dein Kä&#x017F;tgen geht heute ab. An der neulichen Verzögerung de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben war nur dies &#x017F;chuld, daß du deinem Hern Vater nicht ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, wo es anzutreffen; es lag 2 Wochen in Gera: meines<lb/>
Erachtens &#x017F;olte&#x017F;t du dies aber nicht thun.)</p>
        </postscript>
        <lb n="15"/>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>83. An <hi rendition="#g">Oerthel in Leipzig.</hi></head><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Mein lieber Örthel!</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t mir ordentlich als wenn ich nach langer Zeit dich wieder<lb/>
einmal &#x017F;ähe, da ich dir &#x017F;chreibe. Aber wir wollen iezt noch nichts mit<lb/>
einander reden, &#x017F;ondern &#x017F;til&#x017F;chweigend zuhören, was un&#x017F;ere Briefe,<lb n="20"/>
die&#x017F;er und dein lezter, mit einander reden werden. Doch kan ich auch<lb/>
protokolliren was &#x017F;ie &#x017F;agen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Angenehmes Ge&#x017F;präch, das die&#x017F;er Brief mit deinem<lb/>
leztern</hi> (vom 24 Nov.) <hi rendition="#g">gehalten hat; dein vorvoriger Brief<lb/>
komt zulezt auch dazu und macht die Unterredung noch</hi><lb n="25"/> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">lebhafter und lauter.</hi></hi></p><lb/>
        <p>(Die beiden Briefe gehen mit einander die Stube auf und nieder<lb/>
und meiner fähret &#x017F;o fort:) Aber, lieber Brief, &#x017F;ag&#x2019; mir, von wem ha&#x017F;t<lb/>
du dein Deut&#x017F;ch gelernet. &#x2014; Dein Brief: Warum? &#x2014; Mein Brief:<lb/>
weil du einen guten Sprachmei&#x017F;ter mu&#x017F;t gehabt haben. &#x2014; Dein Brief:<lb n="30"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd#_141">[141]</ref></note>ich habe gar keinen gehabt: mein Bisgen Deut&#x017F;ch hat mir mein Vater,<lb/>
der Herr von Örthel, beigebracht; es i&#x017F;t nur meine <hi rendition="#g">Vater&#x017F;</hi>prache. &#x2014;<lb/>
Mein Brief: So i&#x017F;t dein H. Vater ein ge&#x017F;chikter Man und er &#x017F;olte ein<lb/>
Sprachmei&#x017F;ter werden. Ich habe in der vorigen Me&#x017F;&#x017F;e mit ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen ge&#x017F;chikten Büchern zu &#x017F;prechen Gelegenheit gehabt; aber<lb n="35"/><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0156] liche Mutter wurde geſtern begraben) 3) die Amtmanstochter in Hirſchberg, über deren Hofnung dein H. Vater ſelber lacht. Mein Rath wäre indeſſen doch, nur eine einzige von dieſen zu heirathen. — Meine Skizen ſind in 2. Gelehrten Zeitungen, in einer Gothaiſchen, und Berliniſchen, beurtheilet worden: ich wünſchte aber, ſie hätten in 5 dem Lobe, das ſie mir gaben, meine Beſcheidenheit mehr geſchonet und mich nicht in die Nothwendigkeit geſezet, dreimal ſitſam zu erröthen. In der Hofnung, daß du dieſesmal es nicht wie alzeit mit dem Brief- ſchreiben halten, ſondern mir ſo ſelten als möglich eine Zeile ſchikken werdeſt, ſchlieſſe ich dieſen Brief noch einmal, aber ohne den gewöhn- 10 lichen Endtriller. Leb wol, mein guter Örthel. (Dein Käſtgen geht heute ab. An der neulichen Verzögerung deſ- ſelben war nur dies ſchuld, daß du deinem Hern Vater nicht ge- ſchrieben, wo es anzutreffen; es lag 2 Wochen in Gera: meines Erachtens ſolteſt du dies aber nicht thun.) 15 83. An Oerthel in Leipzig. Mein lieber Örthel! Es iſt mir ordentlich als wenn ich nach langer Zeit dich wieder einmal ſähe, da ich dir ſchreibe. Aber wir wollen iezt noch nichts mit einander reden, ſondern ſtilſchweigend zuhören, was unſere Briefe, 20 dieſer und dein lezter, mit einander reden werden. Doch kan ich auch protokolliren was ſie ſagen. Angenehmes Geſpräch, das dieſer Brief mit deinem leztern (vom 24 Nov.) gehalten hat; dein vorvoriger Brief komt zulezt auch dazu und macht die Unterredung noch 25 lebhafter und lauter. (Die beiden Briefe gehen mit einander die Stube auf und nieder und meiner fähret ſo fort:) Aber, lieber Brief, ſag’ mir, von wem haſt du dein Deutſch gelernet. — Dein Brief: Warum? — Mein Brief: weil du einen guten Sprachmeiſter muſt gehabt haben. — Dein Brief: 30 ich habe gar keinen gehabt: mein Bisgen Deutſch hat mir mein Vater, der Herr von Örthel, beigebracht; es iſt nur meine Vaterſprache. — Mein Brief: So iſt dein H. Vater ein geſchikter Man und er ſolte ein Sprachmeiſter werden. Ich habe in der vorigen Meſſe mit ver- ſchiedenen geſchikten Büchern zu ſprechen Gelegenheit gehabt; aber 35 [141]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/156
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/156>, abgerufen am 28.03.2024.