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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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leztere nicht; Wunderlich wird ieder Heterodoxie auflauern sagt' er,
und Ihnen Ihre Kiele ausrupfen wollen weil Sie seinen Kiel gemeistert,
sag' ich.

Da heute wieder für mich Ziehungstag aus Ihrer Bücherlotterie
ist: so wünscht' ich, das Glüksrad (das sonst 10 Menschen rädert eh'5
es einen höher fährt) drehte mir folgende Bücher heraus:

1. Toaldo über die Witterung
2. Mauvillons Aufsäze über die Staatskunst
3. Bahrds Moral
4. Einen Band von der Alg. D. Bibliothek: ich hafte Ihnen mit10
Geist, Seele und Leib und allem was die Philosophie zu meiner
Person rechnet, für die Zurükbringung derselben eh' Sie
Rehau verlassen -- und eben so mit
5. Einem Pak Litteraturzeitung.

[264]Hier ist der Horus: aber Sie werden bald zu mir sagen: hier ist er15
wieder denn es ist nicht viel daran -- inzwischen sagen Sie nur dieses
zu mir in Rüksicht Kants, denn es ist viel daran.

Leben Sie wol, und freuen Sie sich daß Sie in einer Welt sizen, wo
Sie über den Johannis predigen dürfen -- welches Geld bringt -- und
über den Johannis schreiben können -- welches Ehre bringt; und wo20
Sie Bücher, Kinder und eine Frau haben, welches bei mir vor dem
Jahre 2440 nicht zu hoffen steht. Ich bin mit der grösten Hochachtung

Ew. Hochwürden
gehors. Diener

[Spaltenumbruch] Töpen den 15 Nov. 1788. [Spaltenumbruch] Richter25

N. S. Lesen Sie im Casaubon die Anmerkung des Chrysostoms
p. 209. Zuerst sind 4 Evangelisten bestellet, damit aus der Harmonie
ihrer Aussagen die Wahrheit derselben vorspringe -- dan sol wieder
ihre Disharmonie den Verdacht der Verabredung abwenden; von
welchen 2 Vortheilen man unmöglich beide, sondern nur einen30
behalten kan, weil einer den andern aufhebt. Der Vortheil der Dis-
harmonie sinkt auch darum unter, weil scheinbare und nur auf
Nebenumstände eingeschränkte Disharmonie darum nicht mehr den
Verdacht der Verabredung ausschliesset als irgend eine völlige Har-
monie. Kasaubon bringt bei, iene gehe nur Nebenumstände, nicht die35
Hauptsachen an: aber ich möchte wissen, aus was anderem die Haupt-

leztere nicht; Wunderlich wird ieder Heterodoxie auflauern ſagt’ er,
und Ihnen Ihre Kiele ausrupfen wollen weil Sie ſeinen Kiel gemeiſtert,
ſag’ ich.

Da heute wieder für mich Ziehungstag aus Ihrer Bücherlotterie
iſt: ſo wünſcht’ ich, das Glüksrad (das ſonſt 10 Menſchen rädert eh’5
es einen höher fährt) drehte mir folgende Bücher heraus:

1. Toaldo über die Witterung
2. Mauvillons Aufſäze über die Staatskunſt
3. Bahrds Moral
4. Einen Band von der Alg. D. Bibliothek: ich hafte Ihnen mit10
Geiſt, Seele und Leib und allem was die Philoſophie zu meiner
Perſon rechnet, für die Zurükbringung derſelben eh’ Sie
Rehau verlaſſen — und eben ſo mit
5. Einem Pak Litteraturzeitung.

[264]Hier iſt der Horus: aber Sie werden bald zu mir ſagen: hier iſt er15
wieder denn es iſt nicht viel daran — inzwiſchen ſagen Sie nur dieſes
zu mir in Rükſicht Kants, denn es iſt viel daran.

Leben Sie wol, und freuen Sie ſich daß Sie in einer Welt ſizen, wo
Sie über den Johannis predigen dürfen — welches Geld bringt — und
über den Johannis ſchreiben können — welches Ehre bringt; und wo20
Sie Bücher, Kinder und eine Frau haben, welches bei mir vor dem
Jahre 2440 nicht zu hoffen ſteht. Ich bin mit der gröſten Hochachtung

Ew. Hochwürden
gehorſ. Diener

[Spaltenumbruch] Töpen den 15 Nov. 1788. [Spaltenumbruch] Richter25

N. S. Leſen Sie im Casaubon die Anmerkung des Chryſoſtoms
p. 209. Zuerſt ſind 4 Evangeliſten beſtellet, damit aus der Harmonie
ihrer Auſſagen die Wahrheit derſelben vorſpringe — dan ſol wieder
ihre Disharmonie den Verdacht der Verabredung abwenden; von
welchen 2 Vortheilen man unmöglich beide, ſondern nur einen30
behalten kan, weil einer den andern aufhebt. Der Vortheil der Dis-
harmonie ſinkt auch darum unter, weil ſcheinbare und nur auf
Nebenumſtände eingeſchränkte Disharmonie darum nicht mehr den
Verdacht der Verabredung ausſchlieſſet als irgend eine völlige Har-
monie. Kaſaubon bringt bei, iene gehe nur Nebenumſtände, nicht die35
Hauptſachen an: aber ich möchte wiſſen, aus was anderem die Haupt-

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[250/0275] leztere nicht; Wunderlich wird ieder Heterodoxie auflauern ſagt’ er, und Ihnen Ihre Kiele ausrupfen wollen weil Sie ſeinen Kiel gemeiſtert, ſag’ ich. Da heute wieder für mich Ziehungstag aus Ihrer Bücherlotterie iſt: ſo wünſcht’ ich, das Glüksrad (das ſonſt 10 Menſchen rädert eh’ 5 es einen höher fährt) drehte mir folgende Bücher heraus: 1. Toaldo über die Witterung 2. Mauvillons Aufſäze über die Staatskunſt 3. Bahrds Moral 4. Einen Band von der Alg. D. Bibliothek: ich hafte Ihnen mit 10 Geiſt, Seele und Leib und allem was die Philoſophie zu meiner Perſon rechnet, für die Zurükbringung derſelben eh’ Sie Rehau verlaſſen — und eben ſo mit 5. Einem Pak Litteraturzeitung. Hier iſt der Horus: aber Sie werden bald zu mir ſagen: hier iſt er 15 wieder denn es iſt nicht viel daran — inzwiſchen ſagen Sie nur dieſes zu mir in Rükſicht Kants, denn es iſt viel daran. [264] Leben Sie wol, und freuen Sie ſich daß Sie in einer Welt ſizen, wo Sie über den Johannis predigen dürfen — welches Geld bringt — und über den Johannis ſchreiben können — welches Ehre bringt; und wo 20 Sie Bücher, Kinder und eine Frau haben, welches bei mir vor dem Jahre 2440 nicht zu hoffen ſteht. Ich bin mit der gröſten Hochachtung Ew. Hochwürden gehorſ. Diener Töpen den 15 Nov. 1788. Richter 25 N. S. Leſen Sie im Casaubon die Anmerkung des Chryſoſtoms p. 209. Zuerſt ſind 4 Evangeliſten beſtellet, damit aus der Harmonie ihrer Auſſagen die Wahrheit derſelben vorſpringe — dan ſol wieder ihre Disharmonie den Verdacht der Verabredung abwenden; von welchen 2 Vortheilen man unmöglich beide, ſondern nur einen 30 behalten kan, weil einer den andern aufhebt. Der Vortheil der Dis- harmonie ſinkt auch darum unter, weil ſcheinbare und nur auf Nebenumſtände eingeſchränkte Disharmonie darum nicht mehr den Verdacht der Verabredung ausſchlieſſet als irgend eine völlige Har- monie. Kaſaubon bringt bei, iene gehe nur Nebenumſtände, nicht die 35 Hauptſachen an: aber ich möchte wiſſen, aus was anderem die Haupt-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/275>, abgerufen am 23.04.2024.